Kapitel 47

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„Der Ausflug war echt schön." Luca schlüpfte aus seinen Schuhen und nahm Espie ihren kleinen Rucksack, den sie auf dem Rücken getragen hatte, ab. „Jaaa, Zoo schön", strahlte mein kleiner Sonnenschein begeistert. Ja, sie hatte dort definitiv ihren Spaß gehabt. Und das war das Wichtigste, schollt ich mich und versuchte die finsteren Gedanken an diesen Zettel in Lucas Hosentasche zu verdrängen. Wieso reagierte ich überhaupt so dämlich darauf? Das liegt an diesem Satz, verhöhnte mich meine innere Stimme. Ja, seit Luca Ich hab dich wirklich gaaanz doolll lieeb, Genia zu mir gesagt hatte, war da scheinbar irgendetwas in meinem Gehirn durchgeschmolzen. Das war doch total bekloppt. Trotzdem wurmte mich dieser Zettel und ich konnte meinen Blick kaum von dieser Hosentasche lösen. „Habe ich da was?" Mist, jetzt war es ihm auch noch aufgefallen. „Ähm, da ist ein Fleck", versuchte ich mich aus der Affäre zu ziehen. „Du kannst mir die Hose ja gleich geben. Ich wollte sowieso noch Wäsche machen." Welch uneigennütziges Angebot, lachte mich meine innere Stimme schon wieder aus. Dann kannst du ja mal einen Blick auf den Zettel werfen oder ihn sogar verschwinden lassen. Nein, das ging ja mal gar nicht. Ich war doch keine hinterhältige Ziege. Außerdem, vielleicht hatte Luca ja auch Interesse an Luise. Genau aus diesem Grund zog ich dann auch fünf Minuten später den Zettel aus der Hosentasche und reichte ihn Luca. „Schau mal, hier war noch ein Zettel." Ja, ich hatte so getan, als kontrollierte ich alle Taschen bevor ich die Sachen in die Waschmaschine warf. Stolz klopfte ich mir auch dafür auf die Schulter, dass ich nicht einmal einen neugierigen Blick auf den Zettel geworfen hatte. Luca schaute mich überrascht an und faltete den Zettel auf. Kopfschüttelnd knüllte er ihn zusammen und lief zum Mülleimer.  „War der nicht wichtig?" Fragen musste ja wohl erlaubt sein, wenn ich bis jetzt schon meine Neugier im Zaum gehalten hatte. Luca schüttelte den Kopf. „War nur die Telefonnummer von der einen Erzieherin. Die denkt doch nicht echt, dass ich sie anrufe." „Willst du das nicht? Sie ist doch bestimmt nett." Was ritt mich hier eigentlich gerade, ihn auch noch zu motivieren mit der ein Date zu haben? Luca ließ den Mülleimerdeckel zuschnappen und drehte sich langsam zu mir. „Nein, will ich nicht. Mich interessiert nur eine Frau." Das wirkte sehr entschlossen, wie er das sagte. „Ja klar, du hängst noch an Leonie." Warum funkelte er mich denn jetzt so an? Was hatte ich denn falsch gemacht?  „Du willst es einfach nicht verstehen, oder?" Was sollte ich denn verstehen? „Aber du kannst mir auch gleich ins Gesicht sagen, dass du mich nicht willst. Du bist keinen Deut anders als die anderen beiden Weiber in meinem Leben." Aus seinen Worten sprach eine tiefe Verletztheit, so wie er sie ausspie. Weiber! Egal, wie verletzt er war, dass gab ihm noch lange nicht das Recht, so abwertend zu sprechen. Und noch viel weniger gab es ihm das Recht, mich so zu betiteln. „Ich bin kein Weib, sondern eine Frau", fuhr ich ihn an. „Genau wie Maja und Leonie keine Weiber, sondern Frauen sind. Ist das klar! Aber wenn du so über sie redest, dann musst du dich nicht wundern."  Er schnaubte abfällig. „Ich muss mich also nicht wundern?" Mit seiner Hand winkte er ab. „Maja, okay. Das hat nicht gepasst und das ist auch okay so. Aber Leonie!" Seine Augen verengten sich zu Schlitzen. „Findest du es normal, dass eine Frau einfach das Kind abtreibt, dass in einer Beziehung entsteht, ohne mit dem Mann darüber zu sprechen? Gibt es noch ein besseres Zeichen dafür, dass man einen Menschen nicht wirklich in seinem Leben haben will? Wenigstens bist du mit deiner Ablehnung nicht so hinterhältig." Er reckte seinen Daumen in die Höhe. „Du machst aus deiner Meinung keinen Hehl. Scheiß doch auf Verluste." Wütend schüttelte er seinen Kopf „Hast ja recht. Ich bin selbst Schuld, wenn ich mir da mehr erwartet habe. Was willst du schon mit einem Typen, der sein eigenes Leben nicht auf die Reihe bekommt." Ohne ein weiteres Wort drehte er sich um und verschwand in sein Zimmer. Die Tür knallte er eindrucksvoll zu, während ich mit offenem Mund zurückblieb und das eben Gesagte versuchte in meinem Kopf in eine sinnvolle Reihenfolge zu ordnen. „Mama, Luda böse Espie?" Meine kleine Tochter schaute mich besorgt an. Ich schüttelte schnell den Kopf, um sie zu beruhigen. „Nein, Luca ist nicht böse auf dich, mein Sonnenschein." Espie knabberte wenig überzeugt auf ihrer Unterlippe. „Luda böse Mama?" Verflucht, die Kleine war in ihrem Alter schon heller als ich. Ja, Luca war auf mich sauer. Ob nun zu recht oder zu unrecht, da musste ich noch drüber nachdenken. Aber wahrscheinlich..... „Ja, Mama hat was Dummes gesagt und jetzt ist Luca ein wenig schmollig. So wie du, wenn ich dir kein Eis im Supermarkt kaufe", zwinkerte ich ihr zu, damit sie keine Angst hatte, dass es um etwas Großes ging. Obwohl so ein Eis war in dem Alter ja schon etwas Großes. Trotzdem nickte sie verständig. „Mama Tuchen batten für Luda." Okay, meine Tochter war wohl der Meinung, dass man mit einem selbstgebackenen Kuchen alles wieder gut machen konnte. In dem Fall war ich mir zwar nicht so sicher, dass der Kuchen half, aber andererseits war die Kleine dann wenigstens beschäftigt. „Also dann backen wir einen Kuchen. Ab in die Küche!"
Drei Stunden später hatte ich meinen kleinen Sonnenschein schon ins Bett gebracht und stand wieder in der Küche. Auf dem Tisch stand der Schokokuchen mit der dicken Schokoglasur, den Espie noch mit Gummibärchen verziert hatte. Sollte ich mich damit wirklich bei Luca entschuldigen gehen? Eigentlich gab es keinen Grund für eine Entschuldigung, denn ich hatte ja nichts verbrochen. Andererseits hatte ich in meinem Leben gelernt, dass man nur mit Kommunikation Probleme aus dem Weg schaffen konnte. Und zwischen Luca und mir gab es scheinbar ein Problem, auch wenn ich es noch nicht wirklich verstand. Aber hieß es nicht immer, der Klügere gab nach? Vielleicht sollte ich der Klügere sein. Andererseits hatte mich mein Leben auch gelehrt, dass es bei manchen Sachen keine Vergebung gab. Manchmal wurde eben nicht alles wieder gut, egal wie sehr man sich anstrengte. Es gab Sachen, die waren einfach unverzeihlich. Und wenn ich ehrlich war, hatte ich lange gebraucht, um das zu verstehen.....

Schuss und Treffer - zum Comeback    ✔️    Teil 12Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt