Kapitel 21

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Ich starrte auf Lucas Handy, das auf dem Tisch lag. Mmh, da war garantiert die Nummer von seinem Freund Linus gespeichert. Und wenn ich meine Dankeschön-Idee umsetzen wollte, dann musste ich irgendwie mit ihm in Kontakt kommen. Wie sollte ich ihn denn sonst zu einer kleinen Silvesterfeier einladen? Okay, die Idee war mir ziemlich kurzfristig vor einer Stunde gekommen, denn heute war ja schon Silvester. Und es war von mir ziemlich optimistisch gedacht, dass dieser Linus noch nicht verplant war....das musste ich schon zugeben. Genau wie es sehr optimistisch war, noch eine kleine Feier in meinem vielleicht doch noch etwas angeschlagenen Zustand vorzubereiten. Andererseits zählte ja auch die Geste und ich war mir sicher, dass es nichts Besonderes sein musste, was ich da auf die Beine stellte. Luca würde mit einfach und gemütlich wahrscheinlich viel zufriedener sein. Alleine der Gedanke zählte.....und dass er sich mit einem Freund traf und vielleicht mal auf andere Gedanken kam und jemanden zum Reden hatte. So langsam machte ich mir nämlich Sorgen, dass er sich zu sehr abkapselte und alles in sich hineinfraß.
Mir fiel das Raclette ein, das ich im Keller stehen hatte. Damit und mit dem Kühlschrank- und Tiefkühlschrankinhalt würde ein nettes Beisammensein schon funktionieren. Ich schaute wieder zu dem Handy. Sollte ich es mir einfach nehmen? Ich wusste, dass Luca es nicht mit einem Code geschützt hatte, weil ihm das zu aufwendig war. Er hatte sich erst auf unserem Ausflug vor meiner Krankheit darüber lustig gemacht, dass ich immer ewig brauchte, um zu fotografieren, weil ich erst Espies Geburtstdatum eingeben musste. Meine Hand bewegte sich vorwärts Richtung Telefon. Nein, das konnte ich nicht machen. Ich stoppte in der Bewegung und verzog mein Gesicht. Das war definitiv ein Vertrauensbruch und wer kannte sich besser damit aus als ich.....

Ich scrollte durch meine Kontaktliste. Connys Nummer war dort immer noch mit einem Herzchen dahinter gespeichert. Okay, sie war ja auch eine meiner wichtigsten Nummern. Ich legte meine Hand auf den kugeligen Bauch vor mir. Sofort bekam ich einen leichten Fusstritt zu spüren. Das war ein Begrüßungsritual von meiner Kleinen und mir. Ja, meine Kleine. Ich wusste mittlerweile, dass ich ein kleines Mädchen bekam. Connys und meine Tochter. Gleich wenn sie geboren war, würde ich diese Nummer vor mir wählen und Conny Bescheid geben. Ich wusste auch schon, wie unser kleines Mädchen heißen sollte. Ein Lächeln schlich sich in mein Gesicht. Ja, in wenigen Tagen würde ich unsere kleine Carmen im Arm halten. Ich fand den Namen so schön, weil er auch mit C anfing, genau wie Conny. Okay, es gab mit Sicherheit noch genug andere Namen, die auch mit C anfingen, aber Carmen klang so schön, genau wie die Oper von Bizet, die ich Dank Jean lieben gelernt hatte. Mindestens einmal die Woche hatten wir sie uns in den letzten Monaten zusammen angehört. Also welcher Name sollte besser zu meiner kleinen Tochter passen als der Name einer so großartigen Oper.
Mir kam eine Idee. Vielleicht sollte ich einfach die Habanera Arie als Klingelton aussuchen. Das Handy in meiner Hand war ja neu. Ich hatte es vor ein paar Tagen zu Weihnachten bekommen.....einem ziemlich traurigen Weihnachten, denn weder Papa noch Mama waren zu mir nach Belgien gekommen. Ich hatte alleine mit Demi und Jean im Wohnzimmer gesessen und Weihnachtslieder gehört. Okay, Papa hatte mit mir gescypt, genau wie Paula. Aber trotzdem war es irgendwie traurig gewesen. Egal wie viel Mühe sich meine Gasteltern auch gegeben hatten mich aufzumuntern. Ich hatte Papa vermisst, aber es hatte ja schon Ärger mit Mama gegeben, weil er sich während dieser blöden Weihnachtsparty zu Hause in sein Arbeitszimmer geschlichen hatte, um mit mir zu reden. Mama war wütend aufgetaucht und hatte unser Gespräch nach einem kurzen Weihnachtsgruß einfach beendet. Mein Blick ging wieder zu meinem Handy. Das hatte wohl Mama ausgesucht. Jedenfalls war es in Firmengeschenkpapier verpackt gewesen als ich es unter dem Weihnachtsbaum gefunden hatte. Ich tippte mich durch das Menü. Irgendwo musste man hier doch den Klingelton einstellen können. Mmh, was war das denn? Das war ja eine Freigabe für einen Ortungsdienst. Nee, oder? Das konnte doch echt nicht wahr sein. Ich schüttelte wütend den Kopf. Ließen meine Eltern mich darüber überwachen? Nein, meine Eltern bestimmt nicht. Papa würde so etwas nie machen......aber Mama. Scheiße, was, wenn sie auch schon mein altes Handy überwacht hatte? Mein Herz fing an zu rasen. Dann wusste sie vielleicht, wer Conny war und wo sie ihn fand. Das konnte ich auf keinen Fall gebrauchen. Sie durfte sich da nicht einmischen und mir alles versauen, weil sie sich irgendwie einmischte. Neben meiner Angst stieg eine unglaubliche Wut in mir auf und ich schmiss das Handy einmal quer durch mein Zimmer. Es hüpfte einige Male über den weichen Fußboden, ehe es liegen blieb. Wie hinterhältig war es bitte, sein eigenes Kind so zu hintergehen und auszuspionieren? Das würde ich mit meiner kleinen Carmen niemals machen. Nein, ich würde ihr niemals misstrauen. Vertrauen war doch die Grundlage für alles.....

Ich lehnte mich wieder in meinem Sessel zurück. Ich konnte mir unmöglich  einfach das Handy mopsen und diesen Linus hinter Lucas Rücken anrufen....auch wenn ich es gut meinte. Auch Gutgemeintes war kein Freifahrtschein für so eine Aktion. Ich musste mir etwas anderes einfallen lassen......vielleicht sollte ich Luca einfach direkt darauf ansprechen. Ja, direkt war doch eigentlich nie verkehrt......außer es sollte eine Überraschung sein, dann schon. Aber vielleicht war Überraschung ja auch gar nicht so gut. Ich hörte die Wohnungstür klappen und sofort füllte das Kichern meiner Tochter den Raum. „Mama, Ralet." Ich schaute zu Luca, der den Karton in seinen Händen hielt, an den ich vor gar nicht so langer Zeit gedacht hatte. „Ich dachte mir, wir machen nachher Raclette", bekam ich auch sofort die Erklärung.......na das nannte ich doch mal eine Vorlage. „Super Idee, aber zu dritt ist das doch langweilig. Vielleicht hat ja dein Freund Zeit auch herzukommen." Luca verzog sein Gesicht. „Du meinst Linus?" Ich nickte eifrig. „Mmh", kam die einsilbige, nachdenkliche Antwort. Okay, Begeisterung sah anders aus. „Das wäre doch bestimmt nett! Ihr habt euch doch so lange nicht gesehen", setzte ich nach. „Du lässt mir sowieso keine Ruhe, bevor ich ihn anrufe, oder?" Ich schüttelte den Kopf. „Nö, tue ich nicht." Plötzlich zuckte er grinsend mit den Schultern. „Okay, du hast ja recht. Es wäre schon cool mit Linus mal wieder abzuhängen. Aber ich glaube nicht, dass er so kurzfristig Zeit hat. Er hat ja auch eine Freundin." Und wo war das Problem? „Die kann doch mitkommen." Luca verzog sein Gesicht. „Ina und ich waren auch mal kurz zusammen." „Und das ist ein Problem für dich?" Luca schüttelte sofort den Kopf. „Nein, es war nie wirklich ernst mit uns.....eher so eine unglückliche Verirrung." „Na dann ist doch alles gut. Also ruf ihn an!" Luca griff zu seinem Handy und ich lehnte mich zurück. Jawohl, mit Ehrlichkeit und ohne Vertrauensbruch kam man viel weiter.....und es fühlte sich auch viel besser an.

Schuss und Treffer - zum Comeback    ✔️    Teil 12Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt