Kapitel 125

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„Ja, Heiratsanträge sind schon so etwas ganz Spezielles", lachte Franzi. „Ich habe meinen nackt im Bett bekommen." Tessa stieß eine Pfiff aus. „Na da war Paps ja total romantisch." Es war wohl das erste Mal, dass ich Marco mit leichtgerötetem Kopf sah. „Ich habe meinen im geilsten Stadion der Welt bekommen und gleich noch die Hochzeit. Dat war wat geil. Ne, Erpel?" So wie Tessas Augen strahlten, hatte sie wohl wirklich ihren Traumantrag und ihre Traumhochzeit. „Ich habe immer davon geträumt, dass Paul auf einem weißen Pferd angeritten kommt und vor mir auf die Knie fällt." Paula zuckte mit den Schultern. „Stattdessen haben wir auf dem Sofa Fernsehen geschaut und da lief gerade eine Sendung über Steuerklassen. War für mich als Steuerberaterin natürlich total interessant. Na ja, und dann hat Paul mich gefragt, ob ich nicht Lust auf einen Steuerklassenwechsel hätte. Wie sollte ich da schon nein sagen." Paulas Blick fiel zu mir. „Weißt du, wie wir uns das immer früher zusammen ausgemalt haben?" Oh ja, daran konnte ich mich sehr gut erinnern. Oft genug hatten wir in meinem Zimmer gesessen und Pläne geschmiedet anstatt zu lernen. Obwohl, eigentlich war es mehr Paula, die da ihrer Fantasie freien Lauf gelassen hatte....

„Er muss auf alle Fälle einen dicken Rosenstrauß in seiner Hand halten. Nicht nur eine pieselige." Paula lag auf dem Bauch auf meinem Bett und wackelte mit den Beinen. „Und dunkelrot müssen sie sein." Ein breites Grinsen tauchte in ihrem Gesicht auf. „Und der Ring muss einen fetten glitzernden Stein haben." Sie nickte mit ihrem Kopf.  „Ja, der muss richtig wertvoll sein, damit ich auch weiß, dass er es wirklich ernst meint." „Das weißt du doch aber nicht, nur weil der Ring teuer war." „Klar, weißt du es dann. Schließlich kannst du den Ring behalten, wenn es schief geht. Glaub mir, die Kerle wollen nicht so viel Knete zum Fenster rausschmeißen, wenn sie sich nicht wirklich sicher sind. Und man sollte sich nie unter Preis verkaufen." Dieser Spruch hätte glatt von meiner Mutter kommen können. Ich hatte da eine ganz andere Vorstellung von Romantik.....

„Ich kann mich noch gut an deine Vision erinnern." Meine Freundin schmunzelte. „Genia hat da das absolute Klischee erfüllt. Sie hat sich immer einen Ring aus einem Kaugummiautomaten gewünscht." „Damals war ich auch noch in Ash Ketchum verliebt und wollte Pokemon Trainer werden", stöhnte ich.  „Echt?" Leokardia schaute mich mit aufgerissenen Augen an und ich war mir nicht ganz sicher, ob wegen des Rings oder meines damaligen Berufswunsch. „Ich habe damals auch geheult, als mein erster Ring von Max kaputt war. Glücklicherweise konnte er repariert werden und ich trage ihn immer noch als Ehering. Ich kann das gut verstehen. Es zählt doch nicht der Wert des Rings, sondern das, was an Gefühlen dahinter steht." Sie schaute ihren Mann liebevoll an und er beugte sich zu ihr, um ihr einen sanften Kuss auf die Lippen zu drücken. „Tja, trotzdem hast du dann jetzt die Arschkarte, denn diese Automaten gibt et ja nich mehr. Oder weißt du, wo so einer is?", kam es von Tessa. Ich schüttelte den Kopf. Ich hatte Tatsache schon seit ewigen Zeiten keinen dieser Kaugummiautomaten mehr gesehen. Aber das spielte ja auch keine Rolle. Schließlich hatte ich in meinem Alter das Thema Hochzeit sowieso schon lange abgehakt. Klar war ich mit Luca mehr als nur ein bisschen glücklich......nee, ehrlich gesagt war ich mit ihm sogar so glücklich wie noch nie in meinem Leben.....aber trotzdem brauchte ich dafür nicht irgendeine Urkunde vom Staat. Nein, diese Verbundenheit begründete sich auch nicht durch einen Ring an meinem Finger -ob vom Juwelier oder aus dem Automaten. Diese Verbundenheit kam tief aus unserem Inneren. Und ich konnte nur hoffen, dass das auch noch lange so blieb. Ja, momentan würde ich in Luca meinen Seelenverwandten sehen. Aber das Leben hatte mir schon oft genug gezeigt, dass sich Seelen auch wandeln konnten, besonders wenn sie so einen Altersunterschied hatten. Deshalb sollte ich es auch so lange genießen, wie ich es konnte. Ich beugte mich über den Kopf meiner Tochter zu Luca und gab ihm einen kurzen zärtlichen Kuss. „Wir sind auch ohne Ring glücklich." „Der wichtigste Ring ist sowieso der durch die Nase vom Ochsen, mit dem man ihn durch's Leben führt", lachte Lisa und sorgte für ein empörtes Schnauben bei Leon und Marco, das eher an einen wütenden Stier als an einen Ochsen erinnerte. „Ach Genia. Apropos Ochs! Wegen der Minderjährigen, die von ihrem Ochsen sitzen gelassen wurden, hätte ich da eine ganz gute Idee, wie wir deine Stiftung etwas pushen können." Ich schaute interessiert zu Lisa. Mit Sicherheit konnte etwas Werbung nicht schaden. Denn ersten mussten die Hilfesuchenden ja erst einmal auf uns aufmerksam werden. Und zweitens hatte ich zwar ziemlich viel Geld geerbt, aber für so eine Stiftung konnte man nie genug haben. Das war mir schon klar. Und das hieß auch Akquise zu betreiben. „Hast du die Stiftung denn schon gegründet?" Paula nahm einen Schluck aus ihrem Wasserglas, während sie auf meine Antwort wartete. „Nein, ich muss das erst noch alles ins Laufen bringen." Ja, bis jetzt hatte ich ja nur die Idee und den Namen. „Dann brauchst du doch bestimmt noch jemanden für die ganze Buchführung und was da so anliegt? Ich kenne mich mit Stiftungen und Stiftungsrecht ganz gut aus." „Würdest du das machen?" Ich blickte überrascht zu meiner Freundin. Schließlich hatte sie eine eigene Kanzlei und zwei Kinder, um die sie sich kümmern musste. „Na klar!" Mit unsicherem Blick schaute sie mich an. „Außer du möchtest es nicht." Ich sprang von meinem Stuhl auf und lief einmal um den Tisch, ehe sich meine Arme wie früher um ihre Schulter schlangen.  „Natürlich möchte ich, dass du dabei bist. Ich hätte mich nur nie zu fragen getraut." Paula hielt mir wie früher ihre Hand hin und wir machten unseren alten geheimen Handschlag. Ja, wir hatten ihn immer noch drauf und ich fühlte mich gerade um viele Jahr jünger und in meine Jugend zurückversetzt. Ich schaute zu Luca, der seinen Arm auf die Rückenlehne des Stuhls  meiner kleinen Tochter gelegt hatte und ganz leicht seinen Kopf schüttelte, während er dabei schmunzelte. Ein heißes Glücksgefühl durchlief mich. Vielleicht gab es ja doch diesen Fingerzeig Gottes, der dafür gesorgt hatte, dass Paula in mein Leben zurückgekehrt war und auch bleiben wollte.

Schuss und Treffer - zum Comeback    ✔️    Teil 12Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt