Kapitel 126

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„Na, noch einen Nachschlag?" Luca deutete zu der großen Paellapfanne, die neben dem Tisch stand und immer noch einen unglaublich leckeren Anblick bot. Ich liebte diesen gelben Reis mit dem Gemüse und den Meeresfrüchten darin. Und auch die dekorativ angeordneten Riesengarnelen ließen sofort wieder das Wasser in meinem Mund zusammen laufen. Also nickte ich begeistert und er griff nach meinem Teller, um mir noch etwas aufzutun. „Also was deine Essgewohnheiten angeht, gehörst du schon ganz zu uns", grinste mich Lisa an und reichte Leon auch ihren Teller mit einem deutlichen Kopfnicken in Richtung Paellapfanne. Er sprang genauso auf wie Andi, der Lucys Teller auch in die Hand gedrückt bekommen hatte. Ich musste schmunzeln. Ja, was das Essen anging, konnte ich wohl mit den Goretzka-Frauen mithalten. Und meine Tochter auch, denn Espie verlangte auch nach einem Nachschlag. Aber auch jeder Nachschlag ist irgendwann aufgegessen. Ich legte meine Serviette auf den Teller und lehnte mich gesättigt zurück. „Mama!" Ich schaute zu meinem kleinen Sonnenschein, der mich mit einer leicht gelblich verschmierten Mundpartie angrinste und mir die schmuddeligen Finger entgegen streckte. Ja, das Pulen der Garnelen hatte ihr besonderen Spaß gemacht. „Da müssen wir aber ganz schnell auf die Toilette und dich wieder sauber machen." Ich schob meinen Stuhl zurück. „Lass, ich mache das schon", kam mir Luca zuvor und war schon aufgesprungen. „Den Erbsenzähler hast du ja schon richtig gut erzogen", kicherte Tessa und zwinkerte mir zu, während ihr Mann sich auch ihre beiden Töchter schnappte und Luca folgte. „Die Mädels sind kein Fall für die Toilette sondern für einen Dampfstrahler", kam es von Leon kopfschüttelnd. Ja, da könnte er recht haben, denn so wie Espie aussah und so wie Safran färbte, würde einfaches Händewaschen wohl nicht ausreichen. „Seid ihr eigentlich das erste Mal hier auf Ibiza?" Lisa wandte sich an Paula. Ich fand es schön, dass meine alten Freunde in der Runde meiner neuen Freunde sofort integriert worden waren. „Nein, wir fahren jetzt schon seit drei Jahren im Sommer hierher." Das erstaunte mich, schließlich hatte ich die beiden immer für Nordseefans gehalten. „Hier ist das Wetter einfach zuverlässiger." Ja, das klang typisch nach Paul. „Und hier ist immer Wasser", mischte sich Julia ein. „An der Nordsee ist das voll blöd. Immer wenn das Wetter schön war und ich schwimmen wollte, war das Wasser weg. Ich hasse Ebbe und Watt." „Ich auch. Ich war zwar nur einmal mit Opa Chris und Oma Dani an der Nordsee, aber das ist voll blöd", sprang Carmen ihrer neuen Freundin zur Seite. Lucas kleine Nichte verdrehte genervt die Augen, ehe sie zu grinsen anfing. „In Bayern bei Oma Valentina ist es viel cooler, besonders im Winter, wenn man Skifahren kann." „Bei den Bazis! Igitt!", stöhnte Tessa. Damit entbrannte eine Diskussion über bestimmte Landsleute und die Vor- und Nachteile bestimmter Urlaubsorte. Während ich einfach nur zuhörte, reckte ich meinen Hals. Wo blieb denn nur Luca mit meiner Kleinen? So schlimm sah sie ja nun auch wieder nicht aus, dass es so lange dauerte. Ich entdeckte meinen Freund in der Nähe der Theke im Innenraum. Scheinbar hatte er eine Diskussion mit Espie und Leonard und seinen beiden Mädels. Jedenfalls sahen sie sehr angeregt aus. Ich musste schmunzeln. Bestimmt gab es dort eine Eistafel und sie versuchten ihre Väter von einem Nachtisch in kalter Form zu überzeugen. Hatte ich eben Väter gedacht! Das war irgendwie komisch....nein, war es nicht, denn Luca verhielt sich bei Espie als wäre er wirklich ihr Vater. Das machte mich total glücklich, denn mir war schon klar, dass es wichtig war, dass meine Tochter auch eine männliche Bezugsperson hatte. Für Luca schien das auch nie in Frage gestanden zu haben. Er hatte von Anfang an wie selbstverständlich diese Aufgabe übernommen. „Nee, München ist doch voll abgehoben. Da gefällt mir Berlin viel besser. Da ist es fast genauso geil wie im Pott", vertrat Tessa lautstark ihre Meinung. Okay, es wurde immer noch über alle möglichen Orte diskutiert. „Also ich finde ja Dresden gruselig. Alleine schon die Sprache", warf ich ein. „Au ja, das war so schlimm damals da auf Klassenfahrt." Paula schüttelte sich und verzog auch angewidert ihr Gesicht. „Ihr wart da auf Klassenfahrt?" Lisas Blick wanderte von Paula zu mir. „Ja, wir wurden mit dem kompletten Kulturprogramm überschüttet. Semper Oper, Frauenkirche, Wandern im Elbsandsteingebirge." Ich konnte mich noch gut daran erinnern, wie wenig Spaß wir beide daran gehabt hatten. „Mir schlagen immer noch die Zehennägel durch die Schuhe, wenn ich einen Sachsen höre", brummte Paula. „Ich hasse das auch immer, wenn wir gegen die Limodosen spielen." War ja klar, dass Tessa da auch mitreden konnte. Wo konnte sie das mal nicht? „Opa, tommen. Luda baucht Teld." Mein kleiner Sonnenschein zuppelte bei Leon am Arm und schaute ihn bettelnd an. Also ging es wirklich um ein Eis. „Opa mitkommen! Wir brauchen Geld." Auch Tessas Zwillinge waren neben ihrem Opa aufgetaucht, der ihrer Aufforderung sofort Folge leistete. „Bringt mir auch wat mit", rief Tessa lautstark hinterher, während sie auf den Stuhl ihres Vaters wechselte, um ihrer Mutter mit ihren jüngsten Geschwistern zu helfen. Die Drillinge waren ja erst ein halbes Jahr alt. „Die drei sind schon ganz schön gewachsen." Das letzte Mal hatte ich sie ja zu Tessas Geburtstag gesehen. Franzi nickte. „Ja, und sie sind doppelt so anstrengend wie alle anderen vor ihnen." Sie verzog ihr Gesicht. „Oder ich bin einfach zu alt dafür." Naja, sie war ja schon ein paar Jahre älter als ich und ich hielt mich ja schon für zu alt für noch ein Baby. Es gab ja nicht umsonst eine natürliche Grenze namens Menopause dafür. Scheinbar hatte die aber bei Franzi noch einen kurzen Passierraum gehabt. Trotzdem waren die drei Kleinen süß und in mir kam so ein leises Sehnsuchtsgefühl auf. Vielleicht wäre so ein Baby mit Luca.... Wo blieb er überhaupt mit Espie? Ich schaute wieder in die Richtung, in der meine Tochter zusammen mit Leon verschwunden war. Mittlerweile standen dort eine ganze Menge Kinder und Männer. „Dat glaub ich jetzt nicht." Tessa war meinem Blick gefolgt und schüttelte den Kopf. „Die gucken da Fußball anstatt uns ein Eis zu holen." Erst jetzt viel mir der alte Fernseher auf, der dort im Gastraum stand. So wie die Männer gerade begeistert applaudierten und die Mädels alle jubelnd ihre Hände in die Höhe rissen, hatte wohl gerade eine Mannschaft ein Tor geschossen. Da meine Tochter am lautesten jubelte, musste ich sie wohl wirklich langsam in Tessas Zwergengruppe anmelden. Ich als Fußballmutter! Das war ja wie Einstein mit Diskalkulie.

Schuss und Treffer - zum Comeback    ✔️    Teil 12Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt