Kapitel 50

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Ich sprang auf und lief zum Flur, auf dem Luca seelenruhig aus seiner Jacke und seinen Schuhen schlüpfte. „Wo warst du?" Erstaunt schaute er mich an, ehe er seine Augen zu Schlitzen zusammenkniff. „Ich wüsste zwar nicht, was dich das angeht, aber ich war bei Linus in Düsseldorf." Okay, er hatte sich mit seinem besten Freund getroffen.....wahrscheinlich um das Ganze aufzuarbeiten. Das hätte ich früher mit Paula genauso gemacht, als ich noch eine beste Freundin hatte....

„Das kann doch wohl nicht dein Ernst sein!" Paula schaute mich zornig an. So wütend hatte ich sie noch nie erlebt. „Ich gewähre dir hier in meinem Haus Unterschlupf und du bunkerst hier Drogen. Weißt du eigentlich, was das für Paul bedeutet hätte, wenn hier einer seiner Kollegen das Zeug gefunden hätte?" Okay, als Staatsanwalt wäre das wahrscheinlich nicht wirklich karrierefördernd gewesen. „Aber viel, viel schlimmer noch ist, dass du das Scheißzeug nicht einmal so versteckt hast, dass es die Kinder nicht finden." Paula schüttelte ihren Kopf. „Julia ist mit dem Beutel zu mir gekommen und hat gefragt, ob sie sich einen von den bunten Bonbons nehmen kann." Mir rutschte bei dem Gedanken, dass mein Patenkind eine der Tabletten genommen hätte, mein Herz in die Hosentasche. Dabei hatte ich doch extra meinen Restvorrat so gut in meinem Gästezimmer versteckt, damit ihn niemand fand. Ich hatte die Pillen aus meiner Wohnung gerettet als Paula mit mir nach dem Krankenhaus dort Sachen geholt hatte, damit ich für die nächste Zeit bei ihnen einzog und sie mich pflegen konnte bis ich nach meinem Unfall wieder richtig fit war. Dafür war ich ihr auch mega dankbar. Trotzdem stellte sich mir eine Frage...Wie... „Warum war Julia in meinem Zimmer?" „Ist das gerade dein einziges Problem?" Paula funkelte mich wütend an. Ja, gerade war das ein Problem für mich, denn ich hatte die Tüte sicher unter der Kommode versteckt. „Meine Tochter hätte fast diese Scheiße gefressen. Wegen dir!" Okay, ich konnte ihre Aufregung verstehen. Der Gedanke, dass Julia wegen mir etwas passierte, gefiel mir auch nicht, aber.... „Sie hatte in meinem Zimmer nichts zu suchen." Paula schnaubte sauer. „Sag mal wie abgefuckt kann man eigentlich sein?" Sie schüttelte ihren Kopf. „Du baust richtig.....also so richtig, richtig Scheiße und versuchst dann noch die Schuld dafür, dass du erwischt wirst, bei jemand anderem zu finden. Das ist echt unglaublich!" Paulas Gesicht war puterrot angelaufen. „Nicht nur, dass du meine Kinder in Lebensgefahr mit dem Dreck gebracht hast und Paul im blödesten Fall seinen Job verlieren hätte können. Nein, dir fehlt es scheinbar auch noch an jedem Schuldgefühl." Paula lief vor mir auf und ab und fuhr sich mit ihren Händen durch die Haare. „Kannst du mir vielleicht mal sagen, was in deinem Kopf da oben los ist?" Sie tippte sich mit ihrem Zeigefinger gegen ihre Stirn. „Hast du dir schon dein ganzes Hirn weggekokst?" Ich schüttelte den Kopf. „Ich nehme kein Koks!", empörte ich mich. „Und was ist das dann hier?" Paula wedelte mit der Tüte wild herum. „Das sind Aufputschtabletten", gab ich kleinlaut zu. „Ich nehme ab und zu mal eine, wenn ich sonst den ganzen Streß nicht durchstehen würde." Auf keinen Fall würde ich Paula erzählen, dass ich die Dinger in den Clubs auch vertickte. „Das ist doch kein Weg!" Ja, im Grunde war mir das auch klar, aber.... „Meinst du das weiß ich nicht! Aber ich muss noch so viele Aufträge wie möglich an Land ziehen, so lange ich noch nicht zu alt dafür bin."  Paula schnaubte abfällig. „Du bekommst doch jetzt schon kaum noch Aufträge. Genia, wann merkst du endlich, dass das mit dem Modeln vorbei ist und suchst dir einen richtigen Job? Mit deinem Mathe Master kannst du garantiert...."  „Du bist nicht meine Mutter, also hör auf mir hier einen Vortrag zu halten", unterbrach ich sie sauer. Als ob sie Ahnung hätte, wie es bei mir lief. „Du interessierst dich doch sowieso nur für deinen Mann und deine Kinder. Du hast doch überhaupt keine Ahnung, wie es bei mir läuft." Ich war mir sicher, dass ich bald wieder richtig große Aufträge bekam. Paula schloss kurz ihre Augen und atmete einmal tief durch. „Du willst es einfach nicht wahr haben, oder?" Natürlich wollte ich das nicht, denn wenn ich zugeben würde, dass es bei mir nicht mehr lief, dann war dass so als würde ich meinen Eltern im Nachhinein recht geben und vor ihnen in die Knie gehen. Nein, für mich gab es nur den Weg als Model. Alles andere wäre ein Versagen. Dann hätten meine Eltern ja am Ende doch noch recht behalten. Das würde ich nicht zulassen. „Genia, du musst dir Hilfe suchen und von dem Zeug wegkommen." Paula schaute mich besorgt an. Ich schüttelte entschieden den Kopf. „Ich erhole mich noch ein bisschen und dann wenn ich wieder richtig fit bin, werde ich wieder durchstarten. Du wirst schon sehen." Entschieden wedelte Paula mit der Tüte mit den Pillen herum. „Aber das Zeug entsorgen wir." Ich entriss ihr die Tüte. Auf keinen Fall würden wir die Pillen entsorgen. Wusste sie nicht, was die für einen Wert hatten? Paulas Blick, der mich traf hatte etwas Mitleidiges, ehe sich ihre Augen wieder zu Schlitzen formten. „Nein, ich werde es nicht sehen, ob du durchstartest oder nicht, denn es interessiert mich nicht mehr. Du hast dich gerade für die Pillen entschieden. Pack deine Sachen und verschwinde. Ich werde nicht zulassen, dass du meine Familie in Gefahr bringst." „Aber!" Ich schaute sie schockiert an. Sie war doch mein einziger Halt, meine Familie, mein Alles! „Kein Aber. Du hast deine Wahl getroffen und ich treffe jetzt meine." In ihrem Gesicht zeigte sich keine Regung. „Pack deine Sachen und verschwinde aus meinem Haus und aus meinem Leben!"  Das konnte sie nicht machen. Sie war doch alles, was ich hatte.....

Heute wusste ich, dass es nichts Wichtigeres gab, als gute Freunde auf die man sich verlassen konnte und die immer für einen da waren... aber damals war ich zu stolz gewesen. Ja, ich war zu stolz gewesen, um mich bei Paula zu entschuldigen und sie um Hilfe zu bitten. Als sie aus meinem Leben verschwunden war, war es mit mir nur noch weiter bergab gegangen. Wie oft hatte ich mich verflucht und wie oft hatte ich sie verflucht. Heute wusste ich aber, dass ihre Entscheidung die einzige richtige gewesen war. Ich würde genau die gleiche Entscheidung treffen, wenn jemand meinen kleinen Sonnenschein so in Gefahr bringen würde. Trotzdem vermisste ich Paula noch sehr oft. „Und war es schön bei Linus?", wandte ich mich an Luca, der kurz seine Augen schloss, ehe er mich wieder anschaute und seinen Kopf schüttelte „Das fragst du gerade nicht wirklich. Kannst du dir nicht denken, warum ich bei Linus war?"

Schuss und Treffer - zum Comeback    ✔️    Teil 12Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt