Kapitel 46

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„Frau Schulz, Sie können dann schon Feierabend machen." Mein Vorgesetzter lächelte mich freundlich an. „Ihre Kleine wird sich bestimmt freuen, wenn Sie etwas früher nach Hause kommen, schließlich war die Woche ziemlich anspruchsvoll." Oh ja, das war sie wirklich, denn die ausländische Delegation hatte scheinbar das Wort Feierabend nicht in ihrem Sprachgebrauch. Deshalb war ich auch an keinem Abend der Woche pünktlich genug zu Hause gewesen, um meinen kleinen Sonnenschein selbst ins Bett zu bringen. Ich konnte gar nicht sagen, wie glücklich ich war, dass es Luca gab, der diese Aufgabe und auch alle anderen Aufgaben, die Espie betrafen, ohne mit der Wimper zu zucken, übernommen hatte. Ich konnte wirklich dankbar sein, dass Linus uns auf die Idee mit der WG gebracht hatte, denn ohne Lucas Unterstützung hätte ich in dieser Woche echt Probleme damit bekommen, meine Tochter und den Job unter einen Hut zu bekommen. Natürlich hatte mich jeden einzelnen Tag mein schlechtes Gewissen geplagt, denn meine Tochter war das wichtigste für mich und ich wurde einfach das Gefühl nicht los, sie zu vernachlässigen - auch wenn ich wusste, dass sie gut versorgt war. Deshalb keimte in mir auch sofort eine Idee auf. Es war ja noch nicht einmal 12 Uhr und heute war der Ausflug mit dem Kindergarten. Wenn ich mich beeilte, dann schaffte ich es in nicht einmal zwanzig Minuten in den Zoo und konnte dort meine Kleine überraschen. Blitzschnell griff ich meine Sachen zusammen und stürmte aus dem Konferenzzimmer......
Nachdem ich mir eine Eintrittskarte gekauft hatte, schaute ich auf den Lageplan, den ich dazu erhalten hatte. Wo steckte die Kitagruppe wohl gerade? Demnächst war die Fütterung der Lamas. Bestimmt waren sie dort. Ich setzte mich in die Richtung des Lama-Geheges in Bewegung als mein Handy einen Signalton von sich gab. Eine Nachricht von Luca. Sofort polterte mein Herz in meiner Brust los. Hoffentlich war nichts mit Espie. Panisch öffnete ich die Nachricht und schaute auf ein Bild von meiner Tochter, die glücklich strahlend in die Kamera lächelte. Im Hintergrund entdeckte ich ein Lama. Okay, dann hatte ich wohl richtig kombiniert. Schnellen Schrittes setzte ich meinen Weg fort. Meine Tochter hatte mich als erstes entdeckt und kam auf mich zu gerannt. „Stop Espie, wo willst du hin?" Luca folgte ihr auf dem Fuße und begann genauso wie meine Kleine zu lächeln, als er mich entdeckte. „Was machst du denn hier?" Ich zuckte mit den Schultern. „Lamas beim Futtern zu schauen." Luca schüttelte grinsend den Kopf. „Ich dachte, du musst heute wieder lange arbeiten." „Manchmal muss man halt auch Glück haben." „Definitiv!" In mir breitete sich ein warmes Gefühl aus, denn scheinbar freute sich nicht nur meine Tochter über meine Anwesenheit. „Ach, das ist ja schön, dass Sie doch noch zu uns stoßen konnten", wurde ich von einer der jüngeren Erzieherinnen überschwänglich begrüßt. Während ich mich noch fragte, wie ich zu dieser Ehre kam, griff sie bereits nach Lucas Arm. „Dann musst du dich ja nicht mehr um Esperanza kümmern, sondern kannst mir bei den Vorbereitungen für die Mittagsjausen helfen." Lucas fragender Blick ging zu mir und ich nickte ihm zu.„ Alles klar. Wo soll ich anfassen, Maria?" Das war ja interessant, die beiden duzten sich. Okay, natürlich wusste ich auch, dass sie Maria hieß, aber......nichts aber. Die beiden waren in etwa gleich alt, da war es doch ganz normal, dass sie sich nicht siezten. Ja, es war normal. Trotzdem wurmte es mich irgendwie. Genau wie diese besitzergreifende Geste, in der sie sich Lucas Hand geschnappt hatte und ihn mit sich zog. Wahrscheinlich wäre ihre ehrliche Antwort auf seine Frage, wo er anfassen sollte, ‚an meinem Hintern, aber wo anders ist auch okay, Hauptsache es ist mein Körper', gewesen. Ich spürte, wie ich mit den Zähnen knirschte. Das war doch absolut dämlich. Was bildete ich mir eigentlich gerade ein? Es ging mich doch überhaupt nichts an, dass die dämliche Erzieherin fast bei Lucas Anblick sabberte. Nee, es ging mich wirklich nichts an, aber die gute Frau sollte hier arbeiten und sich um die Kinder kümmern. Flirten gehörte da absolut nicht zu ihrer Jobbeschreibung. „Hallo, Sie sind doch die Mutter von Esperanza?" Ich nickte der Frau, die mich gerade aus meinen tiefsinnigen Gedanken gerissen hatte, zu. „Ich bin die Mutter von Michelle." Sie reichte mir ihre Hand. „Schön, dass wir uns heute hier treffen. Dann kann ich gleich mit Ihnen persönlich sprechen." Okay, das hörte sich irgendwie....keine Ahnung....nach Ärger an. Jedenfalls hatte mich mein Leben gelehrt, dass die meisten Sätze, die so anfingen nicht positiv endeten, also widmete ich ihr meine komplette Aufmerksamkeit. „Meine Michelle hat am 15.März Geburtstag und wir wollen eine große Party mit ihren ganzen Kindergartenfreunden machen. Es wäre schön, wenn Esperanza auch kommen könnte." Okay, das hörte sich erst einmal nicht nach Ärger an und ich entspannte mich wieder etwas. „Da die Mäuse aber noch so klein sind, wäre es sehr schön, wenn Sie oder ihr Sohn die Kleine begleiten könnten. Es ist mir einfach lieber, wenn eine Bezugsperson dabei ist." Okay, das konnte ich verstehen. Mir wäre das auch lieber. Aber..... „Also Sie können wirklich stolz auf ihren Sohn sein, wie er mit seiner kleinen Schwester umgeht." Ihr Blick fiel in Lucas Richtung. „Meine Michelle ist ja auch unser Nesthäkchen, aber mein Sohn würde niemals auf die Idee kommen sie auf den Kitaausflug zu begleiten. Das wäre nichts für ihn." Ach du lieber August. Michelles Mutter hielt Luca für meinen Sohn. Das war......das war irgendwie.....fast verständlich, schließlich war ich ja nun einmal fünfzehn Jahre älter als er. Das war auch der Grund, warum ich ihr ihre Vorstellung nicht zerstörte und erklärte, dass er eigentlich nur mein Mitbewohner war. Nachher hielt sie das noch für abartig und lud meinen kleinen Sonnenschein wieder von dem Geburtstag aus. Nein, das wollte ich auf keinen Fall. Sie stupste mich mit ihrem Ellenbogen an und zwinkerte mir zu. „Maria und Luise duellieren sich gleich um ihren Sohn." Mein Blick wanderte wieder zu Luca, der  gerade  einem kleinen Jungen zuhörte, der ihm ganz aufgeregt etwas erzählte. Hinter den beiden standen die Erzieherinnen, die sich sauer anschauten. Ihr Blickduell wurde durch ein kleines Mädchen beendet, dass Maria ansprach. Sofort nutze Luise ihre Chance und lief zu Luca. Was machte die denn da? Nee, oder? Ich traute meinen Augen nicht. Sie schob allen ernstes einen Zettel in Lucas hintere Hosentasche. Das war ja......das war ja eine absolute Frechheit. Und was machte Luca? Er tat echt so, als hätte er es nicht einmal bemerkt. Pfff!

Schuss und Treffer - zum Comeback    ✔️    Teil 12Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt