Kapitel 87

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Ich hatte den Geschirrspüler noch schnell angestellt, nachdem ich Espie ins Bett gebracht hatte. Der Nachmittag mit dem ganzen Besuch war ziemlich turbulent gewesen. Deshalb freute ich mich jetzt richtig auf noch ein oder zwei gemütliche kuschelige Stunden mit Luca vor dem Fernseher. Vielleicht konnten wir ja die ersten neuen Teile dieser Serie schauen, die wir beide so mochten und von der gerade diese Woche die neue Staffel herausgekommen war. Kurzentschlossen schnappte ich mir noch eine Tüte Knabberzeug aus unserem Vorratsschrank, ehe ich mich auf den Weg ins Wohnzimmer machte. Luca saß mit vor der Brust verschränkten Armen auf der Couch und starrte vor sich hin. „Wollen wir die Serie weiterschauen?" Ich legte das Knabberzeug neben den Gläsern und der Flasche Wasser ab und setzte mich neben Luca auf das Sofa. Mein Griff ging zu der Fernbedienung, die auf dem Tisch vor uns lag. „Nein, wollen wir nicht!", kam es bestimmt von meinem Freund und ich schaute ihn verwundert an. „Wir wollen jetzt mal reden." Okay, warum nicht. Dann konnte ich vielleicht auch gleich noch einmal in Lisa-Taktik nachsetzen. „Es ist ja voll lieb von Maja, dass sie dir extra die Bücher..." „Können wir dieses Schmierentheater jetzt vielleicht mal lassen!", unterbrach mich Luca aufgebracht. „Ich hätte echt gedacht, dass ihr subtiler vorgeht. Aber scheinbar haltet ihr mich für so naiv und dumm, dass ihr denkt das wäre gar nicht nötig und ihr könnt euch die Mühe sparen." Er schien richtig in Rage zu sein und warf die Bücher von Maja, die neben ihm gelegen hatten. mit einem lauten Knall auf den Tisch. Da er in seiner Ansprache auch nicht sehr subtil war, war mir klar, dass er unseren Plan durchschaut hatte. Und wie sollte ich jetzt weitermachen? Entweder mit der Taktik  Angriff-ist-die-beste-Verteidigung oder aber mit der Taktik mein-Name-ist-Hase-ich-weiß-von-nichts. „Du bist weder naiv noch dumm. Das denkt niemand von uns." Okay, das war weder die eine noch die andere Taktik, sondern die ich-schinde-noch-etwas-Zeit-damit-ich-überlegen-kann- Taktik, denn ehrlich gesagt war ich mir gerade alles andere als sicher, wie ich auf seinen Vorwurf eingehen sollte, damit ich dabei das eigentliche Ziel nicht aus den Augen verlor oder Luca dazu brachte einfach zu bocken. Ja, wenn man zu sehr bevormundet wurde, führte das oft dazu, dass man schon nur aus Prinzip gegen den Vorschlag war. Das war mir auch das ein oder andere Mal in meinem Leben passiert, besonders in Verbindung mit meinen Eltern. Lieber hatte ich mir ins eigene Fleisch geschnitten als ihren gutgemeinten Rat zu akzeptieren. Meine innere Stimme lachte höhnisch auf. Das waren bei denen keine gutgemeinten Ratschläge, sondern nur Anweisungen, damit sie gut dastanden. Nein, da ging es nicht wirklich um mich, sondern um sie. Das war bei meiner Idee mit Lucas Lehramtsstudium etwas ganz anderes. Ich war mir sicher, dass es gut für ihn war.  „Okay, und warum seid ihr dann alle zusammen der Meinung ihr müsstet mich davon überzeugen, dass ich Lehrer werden soll? Wer gehört denn außer dir alles zum Team wir bevormunden Luca? Also Linus, Lucy, meine Mutter und Maja. Das weiß ich ja schon.Dann dürften wohl mein Dad und Andi auch mit dabei sein." „Dein Vater und Andi haben damit überhaupt nichts zu tun", schoss es mir aus dem Mund. Nein, die beiden hatten wir nicht eingeweiht. Mist, erst jetzt fiel mir auf, dass ich mit meiner impulsiven Antwort uns verraten hatte. Egal, vielleicht war es Luca ja in seiner Rage nicht aufgefallen. Luca lachte auf. „Oh lass mich raten, Dumpfbirne Tessa schlägt morgen hier auf, um mir einen Vortrag zu halten wie anstrengend es ist eine Berufsausbildung zu machen. Oder erklärt sie mir eher in ihrer Abrißbirnen-Manier, dass man ohne Berufsausbildung einfach nur ein asozialer Hiwi ist?" Er klopfte mit seinem Zeigefinger an sein Kinn. „Vielleicht kommt ja auch noch Max zum Einsatz, damit ich sehen kann, wie ein hoffnungsvoller erfolgreicher Student aussieht." „Das ist doch alles Quatsch.", unterbrach ich ihn. „Ach ja? Dann habe ich mir wohl nur eingebildet, dass du und Lucy mich mit Nachhilfeschülern eingedeckt habt. Ach, der Sohn von meiner Arbeitskollegin hat ja solche Probleme in der Schule, kannst du ihm da nicht helfen? Ach Luca, in Carmens Klasse da gibt es ein Mädchen, da können die Eltern sich keine Nachhilfe leisten, kannst du nicht mal?", äffte er Lucy und mich nach. „Und dann Linus, der ganz zufällig den Job für mich auftut." Luca lachte wieder höhnisch auf. „Na wenigstens bringt der etwas Geld ein. Ihr müsst mich ja alle für total unterbelichtet halten. Aber nur mal zur Info. Ich habe mir nur das Bein gebrochen und keinen Hirnschaden erlitten. Ich bin durchaus dazu in der Lage meine Zukunft selbst zu planen und in die Hände zu nehmen. Ihr müsst mir nicht diktieren, was ich zu machen habe." So, jetzt reichte es aber. Ich spürte wie die Ader an meiner Schläfe zu pochen begann. „Okay, dann nur mal zu deiner Info, wir machen uns halt alle Sorgen um dich und deine Zukunft", platzte es aus mir heraus. „Wir wollen dir überhaupt nichts diktieren, aber mit dir kann man ja auch nicht vernünftig reden. Du musst ja mit deinem Goretzka Dickschädel alle Unterstützung ablehnen und stattdessen einfach nur aus Bockigkeit irgendeinen Hilfsjob annehmen, damit du von keinem abhängig bist." „Ach ist dir ein Hilfsarbeiter nicht gut genug?" „Diesen höhnischen Ton kannst du dir sparen. Du wärst mir sogar als Arbeitsloser gut genug. Von mir aus könntest du auch einfach den Hausmann geben und ich würde das Gel verdienen. Aber ich sehe auch dein Potential und das sollte man auf keinen Fall verschenken." „Du meinst so wie deinen Mathe Master?" „Das ist etwas ganz anderes. Und das weißt du auch. Aber du könntest das Studium auf Lehramt machen und etwas bei deinen Schülern bewegen. Oder bist du dazu zu feige? Hast du Angst zu versagen?" Manchmal half es ja den Ehrgeiz herauszufordern und den anderen bei der Ehre zu packen. „Das ist ja absoluter Blödsinn. Wenn ich wollte, würde ich das Studium locker packen." Okay, das mit dem Ehrgeiz schien funktioniert zu haben. „Und warum tust du es dann nicht?" Lucas Blick durchbohrte mich. „Das weißt du ganz genau. Ich habe meine Familie zu versorgen und will nicht abhängig sein." Ich schnaubte durch die Nase. „Deine Familie könntest du aber viel besser versorgen, wenn du ein abgeschlossenes Studium hättest. Außerdem wärst du dann auch ein Vorbild für Espie." „Bin ich das jetzt nicht, oder was?" Heute legte er aber auch jedes Wort auf die Goldwaage. „Doch bist du, aber dann wärst du noch ein viel größeres Vorbild. Und wenn du sagst, du musst deine Familie versorgen und damit Espie und mich meinst...." „Wen denn sonst?", unterbrach Luca mich aufgebracht. „Dann musst du auch akzeptieren, dass ich dich genauso versorgen kann und will bis du das Studium beendet hast. Dann kann ich dann nämlich, wenn du gut verdienst, vielleicht etwas kürzer im Job treten und mich mehr um die Kleine kümmern." Vielleicht half dieses Argument ja, damit er endlich über seinen Schatten sprang und das einzige Sinnvolle einsah. Darauf bekam ich keine Antwort mehr. Luca verschränkte nur seine Arme vor der Brust und starrte die Wand gegenüber an. Na super, dann sollte er sich doch wie ein trotziges Kleinkind benehmen. Dabei musste ich ihm aber nicht Gesellschaft leisten. Ich erhob mich und machte mich auf den Weg ins Schlafzimmer. Sollte er doch vor sich hindampfen. Männer waren doch alle gleich. Sture uneinsichtige Dickköpfe!

Schuss und Treffer - zum Comeback    ✔️    Teil 12Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt