Kapitel 85

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„Hallo, erinnerst du dich noch an mich? Ich bin Constantin, aber du kannst mich auch gerne Conny nennen." Ich schaute den gut aussehenden Studenten, der garantiert etliche Jahre älter als ich war, erstaunt an. Ja, er hatte mich bereits letzte Woche angesprochen. Und natürlich erinnerte ich mich an ihn. Schließlich raste mein Herz fast vor Aufregung und legte jetzt noch ein paar weiter garantiert ungesunde Schläge zu, weil er sich wirklich an mich erinnerte. Damit hätte ich überhaupt nicht gerechnet....

Constantin war ein ziemlich seltener Name. In mir ploppte ein Gedanke auf. Ina lebte doch in Düsseldorf. Also lebte ihr Vater mit Sicherheit auch dort. Genau wie meine Eltern und ich früher. Hatte sie nicht gerade vorhin erst erzählt, dass ihr Vater Bauingenieurwesen studiert hatte? Das hatte mein Conny auch. An der Universität in Düsseldorf. Mit seinem Ehrgeiz konnte ich mir auch gut vorstellen, dass er eine eigene Firma gegründet hatte. In meinem Kopf hallten die Worte, die er mir beim vorletzten Mal als wir uns gesehen hatten an den Kopf geknallt hatte.

Habe ich dir nicht erst gestern gesagt, dass das mit uns keine Zukunft mehr hat? Glaubst du wirklich, ich setze mir eine Laus in den Pelz, weil ich mit einem minderjährigen Professorentöchterchen herummache. Weißt du eigentlich, was mir blüht, wenn das herauskommt? Das ist strafbar, ganz zu schweigen von meiner Karriere, die ich dann gleich abhaken kann.

Ja, seine Zukunft war für ihn wichtiger als unsere Liebe. Mit Sicherheit hatte er seine eigene Firma gegründet. Egal, um welchen Preis!
Wenn ich dann noch Inas Alter berücksichtigte, sie war mit Sicherheit etwas jünger als meine Carmen, konnte das gut zu ihm als Vater passen. Mein Conny war ja schließlich auch ein paar Jahre älter als ich. Wenn Inas Vater mein Conny wäre, dann..... dann konnte ich über ihn vielleicht an eine Spur zu meiner Carmen kommen. Vielleicht wusste er, was meine Mutter mit ihr angestellt hatte. Schließlich wusste ich, dass sie in meinem Tagebuch geschnüffelt hatte und deshalb seinen Namen kannte. Ich spürte seit langen Jahren mal wieder etwas Hoffnung in mir aufkeimen. „Wie heißt Ina eigentlich mit Nachnamen?", schoss es mir aus dem Mund. Linus schaute mich erstaunt an. „Wieso fragst du?" Ich zuckte mit den Schultern. „Ach nur so. Weil irgendwie stelle ich mir da irgendwie so etwas ganz Altmodisches vor. So mit von oder so." Linus fing lauthals an zu lachen und verschluckte sich fast. „Nee, sie heißt Preetz", gigelte er.

Ich kuschelte mich auf der Bank an Conny, der seinen Arm um meine Schulter gelegt hatte. Mit seiner Hand machte er eine große umschreibende Handbewegung. „Wenn ich erst einmal eine Firma habe und ganz groß Lochow darüber steht."

Lochow, nicht Preetz. Meine gerade aufgekeimte Hoffnung zerbröselte sofort wieder wie eine verdorrte Pflanze. Es wäre ja auch zu schön gewesen, wenn ich endlich mal wieder einen neuen Ansatz gehabt hätte. Wie blöd war ich eigentlich, mir bei dem kleinsten Strohhalm gleich wieder Hoffnung zu machen. Natürlich gab es mehr als einen Constantin in Düsseldorf. Außerdem hatte meine Mutter meinem Conny garantiert nur Angst eingejagt, um ihn endgültig aus meinem Leben zu vertreiben. Sie hätte ihn doch sowieso niemals eingeweiht, wohin sie unsere Tochter hatte verschwinden lassen. Das wäre ja nur ein Mitwisser mehr gewesen und sie wollte ja nur, dass alles geräuschlos ablief und niemand etwas von dieser Schande mitbekam. So wie sie veranlagt war, hatte sie da mit Sicherheit erstklassige Arbeit geleistet. Ich sollte das einfach abhaken. Meine kleine Carmen würde ich sowieso nie mehr finden. Dafür hatte der Drache garantiert gesorgt. Ich sollte mich einfach auf mein Leben jetzt und hier konzentrieren....und darauf Luca endlich davon zu überzeugen, dass er auf Lehramt studierte. „Hast du denn einen Ansatz, wie wir unseren zukünftigen Lehrer davon überzeugen können?" Vielleicht hatte Linus da ja die bahnbrechende Idee. Er schien ja ein ziemlich pfiffiges Kerlchen zu sein. „Also, deinen Ansatz ihn auf Kinder loszulassen, damit er von alleine darauf kommt, finde ich gar nicht so schlecht." Überrascht schaute ich ihn an. „Na ja, du hast ihm Natascha rigoros auf's Auge gedrückt. Und ich denke mal, sie war nicht die erste Nachhilfeschülerin." Ja, er war definitiv ein pfiffiges Kerlchen, wenn er das gleich so durchschaute. Glücklicherweise war Luca da scheinbar etwas naiver. „Ja, aber irgendwie dauert das zu lange und zeigt auch noch keinen Erfolg." Ich schnaufte leicht genervt. „Diese blöde Bewerbungsfrist läuft in nicht einmal vier Wochen ab. Ich möchte nicht, dass er noch ein Semester verschwendet." Linus nickte verstehend. „Ja, das wäre zwar kein Beinbruch..." Er gluckste kurz und ich musste bei dem Wortspiel im Zusammenhang mit Lucas momentanen Zustand auch schmunzeln. „Aber ziemlich blöd. Wir müssen uns da eine bessere und vor allem schnellere Taktik einfallen lassen." Nachdenklich rieb er sich das Kinn. „Er will doch bestimmt dringend wieder Geld verdienen, aber ist erst einmal durch sein Bein eingeschränkt." Ich nickte nur. „Wenn er jetzt so richtig professionell Nachhilfe geben würde, bei irgendsoeiner Nachhilfeorganisation, würde er damit Geld verdienen, was garantiert bei ihm zieht, wenn er gerade so engstirnig ist. Und er würde zum einen Erfahrungen sammeln und gleichzeitig noch mehr mit der Nase darauf gestoßen werden, was das Richtige für ihn ist." Ja, das hörte sich wirklich sinnvoll an. Mit Sicherheit würde Luca da auch drauf anspringen, denn ich war mir auch sicher, dass der Verdienst für ihn das schlagende Argument war. „Lass mal kurz überlegen..." Wieder rieb sich Linus nachdenklich das Kinn. „Ja klar, letztens habe ich einen alten Bekannten getroffen, dessen Frau hat gerade so einen Nachhilfeladen eröffnet. Sogar hier in Dortmund. Die kann garantiert noch einen talentierten Kerl wie unseren Luca gebrauchen. Ich rufe sie gleich morgen früh mal an. Dann haben wir jetzt einen Plan!" Er grinste mich zufrieden an und hielt mir seine Hand hin. So überzeugend wie Linus war, hatte Luca ab morgen Mittag garantiert einen neuen Job. Das wäre perfekt. Wie gut, dass Linus jetzt auch zum Team Luca-wird-Lehrer gehörte. Ja, meine Hoffnung hatte wieder einen extremen Aufwind bekommen. Zusammen würden wir das schaffen.

Schuss und Treffer - zum Comeback    ✔️    Teil 12Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt