Kapitel 74

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Es klingelte. Das musste dann wohl der Kurier sein, den mir Jasmin angekündigt hatte. Sie hatte mich auf dem Rückweg von Espies Kita angerufen und gefragt, ob ich mal wieder etwas für die Agentur übersetzen konnte. Etwas Zusatzgeld konnte garantiert nie schaden und momentan sowieso nicht, denn ich hatte ja immer noch meinen Plan im Hinterkopf Luca wieder dazu zu bringen, dass er zurück an die Uni ging und studierte. Dann war ich für das Haushaltsgeld verantwortlich und da machten sich ein paar Euros zusätzlich als Reserve nicht schlecht. Dummerweise hatte ich es bisher noch nicht geschafft Luca so weit zu bekommen. Okay, bisher hatte ich es auch auf die sanfte Tour versucht. Er sollte ja von alleine auf die Idee kommen. Ich verzog mein Gesicht. Lange konnte ich die Taktik nicht mehr fahren, denn bald liefen die Bewerbungsfristen ab .... Und noch ein verschenktes Semester musste ja nun nicht sein. Vielleicht sollte ich das Thema heute Abend einfach einmal direkt ansprechen.... Immer noch in Gedanken öffnete ich die Wohnungstür und schaute direkt in das Gesicht von Lisa. Was machte Lucas Mutter hier? „Jasi hat mich ja schon angekündigt." Sie wedelte mit einem Umschlag in ihrer Hand herum. Okay, mit dem Kurier hatte ich jetzt nicht gerechnet und das brachte mich gerade etwas in die Bredouille, denn wie sollte ich mich Lucas Mutter gegenüber verhalten? An Ostern war sie auch nicht wirklich auf unserer Seite gewesen.....und seitdem hatten wir auch nichts von ihr gehört. Egal! „Willst du kurz reinkommen und etwas trinken?" Es schadete mit Sicherheit nichts, wenn wir irgendwie wieder in einen Dialog kamen. Eigentlich waren wir doch befreundet und Lisa hatte mir damals auch geholfen aus dem ganzen Schlamassel heraus zu kommen. Stand ich da nicht auch irgendwie in ihrer Schuld - auch wenn ich von ihrer ersten Reaktion enttäuscht war? „Ja, gerne." Lisa folgte mir in die Küche. Wie oft hatten wir hier schon gemeinsam gesessen. Ich bemerkte ihren suchenden Blick. „Ist Luca gar nicht da?" Ich schüttelte den Kopf. „Er ist schon arbeiten." Sofort machte sich Enttäuschung in ihrem Gesicht breit. Wieso hatte ich gerade das Gefühl, dass der Übersetzungsauftrag von der Agentur nur ein Vorwand war? „Arbeiten? Als was arbeitet er denn? Und warum? Er bekommt doch Unterhalt von uns." Oha, da hatte wohl der liebe Leon seiner Frau nicht alles erzählt. „Hat dir Lucy nicht erzählt, dass Luca als Fahrradlieferant arbeitet, seit dein Mann ihm den Unterhalt gestrichen hat?" Lisa riss ihre Augen auf. „Was hat Leon? Das kann doch gar nicht sein. Das würde er nie machen."  „Er..." Sie unterbrach mich mit einem Abwinken. „Lass gut sein. Dieser damische Schafskopf würde natürlich so etwas machen, wenn ihm mal wieder eine Feder wächst. Und Lucy hat mir nichts erzählt, sie meinte, wenn ich wissen will, wie es Luca geht, dann sollte ich ihn selbst fragen." Lisa biss sich kurz auf die Lippe und schloss die Augen, ehe sie mit dem Kopf schüttelte. „Des ko doch alls ned woar sang." Sie hieb mit ihrer Hand auf den Küchentisch, das die Kaffeetassen wackelten, die ich dort gerade platziert hatte. „Des ist doch ein verflucht stressiger Job und nicht ungefährlich, wenn er da überall unter Zeitdruck mit dem Fahrrad herum radelt. Und ausgebeutet werden die Leute auch, das habe ich gerade erst in einer Reportage gesehen. Der Junge sollte eigentlich wieder an die Uni gehen. Des is doch alls narrisch!" Wieder schlug sie mit ihrer flachen Hand auf die Tischplatte und ich war zufrieden, dass ich den Kaffee noch nicht eingegossen hatte. „Okay!" Sie schaute mich entschlossen an und fuhr sich mit ihrer Hand durch die Haare. „Es ist wohl an der Zeit, dass wir Frauen das jetzt klären." In gewisser Weise stimmte ich ihr zu, aber andererseits war ich mir nicht sicher, dass das auch richtig war, denn beim letzten Mal, als ich alleine mit einem Elternteil von Luca gesprochen hatte, war das Chaos nur noch größer geworden. „Ich habe nämlich jetzt lange genug gewartet, dass Luca noch einmal bei uns antanzt, damit wir die ganze Situation in Ruhe klären können." Lisa schien wirklich wild entschlossen. „Wieso hätte er das tun sollen, nach eurer Reaktion an Ostern?" Da war dann meine angedachte Zurückhaltung auch schon Geschichte.Diese Erwartungshaltung konnte ich nicht nachvollziehen. Sie verzog ihr Gesicht. „Um für die Anerkennung seiner Partnerschaft zu kämpfen. Ich hätte schon erwartet, dass er uns erklärt, warum gerade du seiner Meinung nach die richtige Frau für ihn bist. Das Ganze kam ja etwas überraschend. Da kannst du ja wohl meine Reaktion nicht verübeln." Wie bitte! „Ich war ganz schön enttäuscht, dass das Ganze nur heraus gekommen ist, weil ihr von deiner Tochter verraten wurdet. Hätten wir es sonst jemals erfahren?" Wollte sie uns jetzt die Schuld zuschieben und sich damit verteidigen? „Du hast dich einfach nicht einmal bei Luca gemeldet, um ein klärendes Gespräch zu führen", schob ich die Schuld gleich einmal in ihr Spielfeld zurück. „Ich kenne meinen Sohn etwas länger als du. Es hätte keinen Sinn gemacht, mich zu melden. Er ist genauso ein Sturschädel wie Leon. Der erste Schritt muss schon von ihm kommen, sonst hast du keine Chance." Okay, das konnte sein, obwohl.....nein, das war so. Ich musste an unseren Zoff denken als ich wegen unseres Altersunterschieds Bedenken hatte und auch als ich angeboten hatte für unseren Unterhalt aufzukommen. So lieb und nett Luca auch war, genauso stur und stolz war er auch. „Also hast du kein Problem mit unserer Beziehung", fragte ich vorsichtig nach. Lisa senkte kurz ihren Blick, ehe sie mich wieder anschaute und mit den Schultern zuckte. „Also wenn ich ganz ehrlich bin, habe ich mir die Freundin meines Sohnes immer etwas anders vorgestellt. Und so war es ja auch in der Vergangenheit immer. Du bist halt eine ganze Ecke älter als er und wenn ich ehrlich bin, macht mir das schon Sorgen. Das würde dir aber bei Espie bestimmt auch nicht anders gehen." Okay, das könnte sein. „Weißt du, Luca ist gerade einmal zweiundzwanzig und er hat noch nicht einmal eine abgeschlossene Berufsausbildung oder überhaupt einen Lebensplan. Und du, du hast schon so einiges in deinem Leben hinter dir." Sie hob sofort stoppend die Hand. „Und ehe du das in den falschen Hals bekommst, deine Vergangenheit sehe ich da nicht als Problem. Aber natürlich hat sie für eine gewisse Lebenserfahrung gesorgt, die Luca noch völlig abgeht. Ich habe einfach Angst, dass er dir gnadenlos unterlegen ist und sich nicht so entwickeln kann, wie man es einfach in dem Alter tut." Vor mir sah ich einfach eine um ihr Kind besorgte Mutter und nicht eine Frau, der ich nicht gut genug war.

Schuss und Treffer - zum Comeback    ✔️    Teil 12Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt