Kapitel 32

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„Wow, da hat sich aber jemand schick gemacht. Da werden den Kerlen ja reihenweise die Augen rausfallen." Luca musterte mich von oben bis unten, während ich mir gerade noch meine Creole ins Ohrläppchen fummelte. „Ja, Mama sick." Espies Gesicht strahlte mich an. „So ein Quatsch!" Ich schüttelte meinen Kopf und ließ meinen Blick in den gegenüberliegenden Spiegel gleiten. An meinem schwarzen Business Kostüm war nun wirklich nichts schick. Es war schlicht und vielleicht ein wenig elegant, aber mit Sicherheit nicht schick. Ganz zu schweigen von der weißen Hemdbluse, die ich bis zum letzten Knopf geschlossen hatte. Also wenn da jemand die Augen rausfielen, dann musste er schon ziemlich gestört sein und irgendwelche züchtigenden Sekretärinnen Phantasien haben. „Du als ehemaliger Wirtschaftsstudent solltest doch eigentlich wissen, dass es für die Wirtschaftshaie nur hohe Renditen gibt, die sie anturnen, also keine Angst, dass ich da einen schnellen Zuverdienst habe", zwinkerte ich Luca zu und er verzog sein Gesicht. Ja, es gab eine Zeit, da hatte ich es durchaus darauf angelegt mich bei solchen Veranstaltungen in den entsprechenden Hotels einzuschleusen, um ein paar Euro mehr zu verdienen. Das war als es mit der Modelkarriere nicht mehr wirklich lief und ich noch die Hoffnung hatte auf dem Weg vielleicht einen Kerl abzugreifen, der für meinen Lebensunterhalt sorgte.....

„Hallo, schöne Frau!" Boah, wie ich diese einfallslose Anmachtour hasste. Ich lehnte mich auf dem Barhocker in der Hotelbar zurück und schaute in das grinsende Gesicht eines Anzugträgers, „Kann ich mich zu Ihnen setzen?" Ich nickte nur wortlos und deutete mit meiner Hand auf den Hocker neben mir. „Darf ich Ihnen einen Drink spendieren?" Wieder nickte ich und deutete auf das fast leere Glas vor mir. „Ich nehme noch einmal das selbe. Einen Sex in the City." Keine Ahnung, wer auf die glorreiche Idee in diesem Hotel gekommen war, dass es hier in der Stadt einen Pendant zu Sex on the Beach geben musste, aber ich dankte ihm im Stillen für diese Kreativität, als die Augenbrauen meines Gegenüber in die Höhe schossen und ein breites Grinsen in seinem Gesicht auftauchte. „Na, den sollte ich unbedingt auch probieren." So wie er dabei zwinkerte war klar, dass er nicht nur den Drink damit meinte. Ich musste mich bremsen, um nicht laut loszulachen. Das war ja heute noch einfach als gedacht gelaufen. So wie es aussah, würde ich morgen früh ein paar Geldscheine mehr in der Tasche haben......es sein denn.....man konnte ja nie wissen, ob sich da nicht doch vielleicht mal mehr ergab. Einem guten Versorger wäre ich nicht abgeneigt......ich schaute auf seine Hände, an denen kein Ehering steckte. Na das war doch schon erst einmal vielversprechend. Sofort setzte ich mein gewinnendstes Lächeln auf und beugte mich leicht zu ihm. Ein kleiner Einblick in meinen Ausschnitt wurde ihm gewährt und ich stellte zufrieden fest, dass er den Ausblick sofort genoss. Ja, da hatte ich doch erst einmal einen kleinen Goldfisch an meiner Angel zappeln.....
Heute wäre das keine Option mehr für mich. Nein, ich brauchte weder ein paar Scheine mehr in der Tasche noch einen Versorger. Ich war durchaus in der Lage meine Tochter und mich alleine zu versorgen. Und das erfüllte mich mit einem gewissen Stolz. Luca schaute mich mit undurchdringlicher Miene an. „Das hatte ich auch nicht vermutet. Es sollte nur ein kleines Kompliment sein, weil du sonst immer nur in Jeans durch die Gegend läufst." Scheinbar war mein Ton wohl etwas schärfer als beabsichtigt gewesen, wenn er sich fast entschuldigte. In meinem Kopf kamen seine Worte an. „Hast du gerade gesagt, dass ich sonst immer abgerissen aussehe?"! fuhr ich hoch. Was hieß denn nur in Jeans? Jeans waren durchaus auch schick und ich hatte eigentlich nicht das Gefühl, dass ich in meinen Klamotten irgendwie abgerissen aussah.....also jedenfalls achtete ich eigentlich darauf, trotz meines beschränkten finanziellen Spielraums immer modern gekleidet zu sein, auch wenn ich mich nicht mehr über die Klamotten definierte. Luca riss seine Hände hoch. „Manno nein!" Er schüttelte seinen Kopf. „Ich halte jetzt lieber die Klappe. Egal, was ich sage, es kann nur noch schlimmer werden. Komm Espie, wir schauen uns noch Mister Sponge an." Klar, dass diese kleine Verräterin sofort mit ihm zusammen begeistert ins Wohnzimmer lief. Ich schnitt meinem Spiegelbild eine Grimasse und zog meinen Blazer noch einmal zurecht, ehe ich in meine Ballerinas schlüpfte. Brr, das wurde bestimmt kalt. Es war ja schließlich erst der 23. Januar.  Der 23..... das hieß, dass Luca vor einem Monat hier vor der Tür gesessen hatte. „Hast du denn deiner Familie jetzt schon Bescheid gegeben, dass du wieder hier bist?", rief ich Richtung Wohnzimmer, wo bereits die Titelmelodie der Kinderserie dudelte. „Wie kommst du jetzt darauf?" Luca war hinter mir aufgetaucht. Ich zuckte mit den Schultern und schlang mir den dicken Wollschal um den Hals, ehe ich in meinen Wollmantel schlüpfte. Dann würde ich vielleicht nicht ganz so frieren. „Lucy hat mich angerufen, weil wir uns mal wieder treffen wollen", schwindelte ich, denn ich fand es mehr als an der Zeit, dass er sich seiner Familie stellte. Das waren ja alles keine Unmenschen. Vielleicht konnten sie ihm ja sogar bei seiner Entscheidung für die Zukunft helfen, denn bis jetzt sah ich da noch keine Fortschritte. Auf mich wirkte es eher so, als ob er sich so viel mit Espie beschäftigte, um sich diesen Gedanken nicht stellen zu müssen. Mir war aber auch aus eigener Erfahrung klar, dass das Vorsichherschieben überhaupt nichts half, sondern alles meist nur noch schwerer machte. „Und warum fragst du dann? Wenn Lucy Bescheid wüsste, dann hätte sie es dir gegenüber mit Sicherheit angesprochen." So sauer, wie er reagierte, hatte ich wohl einen wunden Punkt getroffen. „Sag mir einfach Bescheid, wann ihr verabredet seid und dann mache ich mich durchsichtig." Ich schüttelte entschlossen meinen Kopf. „Nee, mein Lieber. Das kannst du vergessen. Deine Familie hat ein Recht zu wissen, dass du hier bist. Bist du ein Mann oder eine Maus?" Luca musste endlich nach vorne schauen und wenn ich es damit versuchte ihn bei der Ehre zu packen. „Was soll das heißen?", reagierte er natürlich erwartungsgemäß sauer. Manchmal waren Männer doch echt vorhersehbar. „Das du eine Maus bist, die sich versteckt, wenn du dich nicht endlich deiner Familie stellst......oder wenigstens Lucy." Er verzog angesäuert das Gesicht. „Und was geht dich das Ganze an? Wer oder was gibt dir das Recht dich da einzumischen?" Das war im Grunde genommen eine gute Frage. „Meine Lebenserfahrung", platzte es heraus. Luca schnaubte abfällig. „Genau. Ich vergaß ja, dass du steinalt bist und die Weisheit mit Löffeln gefressen hast." Hatte er mich gerade steinalt genannt? „Ich bin nicht steinalt, aber ich bin schon einige Jahre älter als du Jungspund......und mit Sicherheit habe ich auch schon viele Sachen erlebt, von denen du nicht einmal gehört hast." „Das glaube ich locker", grinste er mich frech an. Boah, ich ballte meine Hände vor Frust zu Fäusten. „Mama, Luda nis steiten." Meine kleine Espie war auch im Flur aufgetaucht und schaute traurig zwischen uns hin und her. Ich beugte mich schnell zu ihr hinunter und zog sie in meine Arme. Sie hatte recht. Ein Streit war völlig überflüssig. „So, ihr geht jetzt Mister Sponge gucken und ich gehe zur Arbeit. Schlaf schön und träum etwas Süßes." Ich drückte meiner Tochter einen Kuss auf ihre Nasenspitze und erntete einen zufriedenen Quietscher. Als ich mich wieder aufgerichtet hatte, schaute ich zu Luca. „Und du passt mir gut auf meinen Schatz auf." Er nickte leicht mit dem Kopf. „Und morgen reden wir noch einmal, wenn Espie in der Kita ist." So wie er das Gesicht verzog, war er wohl alles andere als begeistert von der Idee. Das war mir aber egal. Irgendwer musste ihm ja mal auf die Sprünge helfen......ich hätte auch ab und zu in meinem Leben so jemanden gebraucht.

Schuss und Treffer - zum Comeback    ✔️    Teil 12Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt