Kapitel 132

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Ich schob die Tür vom Schrank zu und strich mit meiner Hand sanft über das Holz. Ja, der Schrank bewachte mein Hochzeitskleid, das ich klammheimlich hier hereingeschmuggelt hatte. Ich würde es auch niemandem vor der Trauung zeigen, ganz besonders nicht Lucy, denn ich hatte keine Lust auf eine unnötige Diskussion. Ja, unnötig, denn ich würde mich von meinem Kleid von nichts und niemandem abbringen lassen. Der Schrank bewachte auch ein Kleid für Espie, das mir in die Hände gefallen war. Es sah meinem recht ähnlich. Glücklicherweise war es aber nicht auch genauso teuer, sonst hätte ich doch langsam ein schlechtes Gewissen bekommen, dass ich das geerbte Geld viel zu schnell verprasste. Nein, beruhigte ich mich. Auch mein Kleid konnte ich noch durchaus von meinem Ersparten bezahlen. Ein schlechtes Gewissen war völlig überflüssig. „Das ist ja prima!" Luca kam mit seinem Handy am Ohr ins Zimmer. „Da freue ich mich echt, dass das klappt. Wie hätte ich denn sonst ohne Trauzeugen dagestanden? Also dann bis zum Wochenende."  Mein Freund beendete das Gespräch und warf sein Handy auf das Bett. „Linus kommt mit Ina und Natascha schon am Wochenende. Sie wollen gleich noch eine Woche Urlaub hier machen." Ich nickte. Also auf Linus freute ich mich ja, aber auf sein Essiggürkchen.....Ina würde unsere ganze Hochzeit über garantiert nur ihre grazile Nase rümpfen und schlechte Stimmung verbreiten. Sie war doch mehr der Typ für eine überladene und gut durchgetaktete vornehme Feier, als der für eine coole Strandparty. Trotzdem konnte ich verstehen, dass Luca Linus zu seinem Trauzeugen gemacht hatte. Irgendwie würde ich auch Ina ertragen. Ich musste mich ja nicht mit ihr abgeben. Vielleicht übernahm das ja Tessa. Bei dem Gedanken schlich sich ein fettes Grinsen in mein Gesicht. Das würde was geben. Wahrscheinlich einen Kulturschock auf beiden Seiten. „Was grinst du denn so?" Luca schlang seine Arme von hinten um meine Taille und legte seinen Kopf auf meine Schulter. „Ach, ich freue mich nur so auf unsere Hochzeit", schwindelte ich schnell.......obwohl, das war nicht geschwindelt. Ich freute mich ja wirklich. „Ich habe nur gerade gedacht, wie es wohl ist, wenn Tessa und Ina aufeinander stoßen", setzte ich schnell noch nach. Ehrlichkeit war schließlich die Basis von allem. Luca fing an zu lachen. „Ja, das könnte interessant werden. Dumpfbirne meets die heilige Jungfrau ohne Humor. Wenn es eine Sitzordnung geben würde, hätten wir sie echt nebeneinander setzen sollen. Und bist du fündig geworden?" Ich nickt und mein Blick fiel zu dem Schrank, der mein Kleid sicher verwahrte. „Darf ich es sehen?" „Auf keinen Fall! Das bringt Unglück." Nee, da konnte ich absolut kein Risiko eingehen, auch wenn ich normalerweise nicht abergläubisch war. „Aber das, was du in der Hochzeitsnacht trägst, darf ich schon vorher sehen." Luca grinste mich spitzbübisch an und seine Lippen begannen leicht an meinem Hals zu knabbern. „Vergiss die Hochzeitsnacht!" Lucy kam wie eine schnaufende Dampflock in unser Zimmer marschiert. „Ohne Hochzeit keine Hochzeitsnacht." Was sollte das denn schon wieder heißen? „Ich denke, das ist kein Problem, wenn wir beide noch in der Kirche sind." So hatte es die Verkäuferin doch behauptet. „Das ist auch nicht das Problem, sondern..." Lucys Handy knallte mit einem bayrischen Volkslied los. „Moment!", warf sie uns noch zu, ehe sie das Gespräch annahm. „Hallo Oma. Das ist gerade ein ganz schlechter Moment. Ich versuche Luca und Genia gerade zu verklickern, warum ihr Hochzeit ins Wasser fällt." Auch wenn ich nichts verstehen konnte, hörte ich doch Valentinas laute Stimme aus dem Telefon. „Warte, ich mache auf Lautsprecher, dann kannst du auch mithören und weißt den Grund." Lucy verdrehte kurz die Augen, ehe sie auf ihr Handy tippte. „Hobts ihr zwoa eich des do no amoi überlegt?", donnerte Valentinas Stimme uns sofort entgegen. „Oma, wenn sie es sich überlegt hätten, dann bräuchte ich ihnen ja nicht zu erklären, warum die Hochzeit nicht stattfinden kann." „Mhm" War die gebrummte Antwort. „Also Paula und ich waren bei dem Priester in der Kirche. Die Trauung und das alles wäre überhaupt kein Problem, aber wir brauchen erst einmal die ganzen Unterlagen, dass die beiden auch wirklich Angehörige der katholischen Kirche sind und...." „Des dürft ja nu koa Problem net sei. Dafür des die Geldgeier eim jeden Monat a Göld vom G'halt abzieha, kennen's ja wohl so a Fetza ausstella." Oha, Lucas Oma war wohl kein großer Anhänger der Kirche. Wenn ich ehrlich war, ärgerte ich mich aber auch bei jeder Gehaltsabrechnung über den Abzug der Kirchensteuer. Wer tat das nicht? Warum konnte man nicht einfach den Betrag geben, den man alleine für richtig hielt? Okay, mir war schon klar, dass das geschichtlich bedingt so im Recht festgeschrieben war, trotzdem würde es dem Verein guttun, wenn er auch einmal über den Tellerrand hinausschauen müsste, damit er das nötige Geld von seinen Gläubigen bekam. Dann wäre dort auch nicht mehr alles so antiquiert sondern dem Zeitgeist angepasst. Ja, überall wurde man sonst ja auch nach Leistung bezahlt. Warum also nicht auch dort. „Diese Bescheinigung ist auch nicht das Problem. Die bekommen wir recht schnell, aber..." „Wo hakert's denn?" Lucy verdrehte wieder ihre Augen. „Wenn du mich einmal ausreden lassen würdest, dann wüsstest du es schon." Wieder ertönte ein unzufriedenes Brummen aus dem Telefon. „Also die beiden müssen den Nachweis dafür bringen, dass sie an einem Ehevorbereitungsseminar teilgenommen haben." Wie bitte? Was sollte das denn? „Ja Herrgottsakranoamoi. Gibt es den G'schiss imma no!" Ich drehte meinen Kopf zu Luca, der genauso bedröppelt schaute, wie ich mich gerade fühlte. „Also, i werd a moi zum Alois genga. Mit dem bin i z'samm in die Schul g'wen. Der is in Mittenwald jetzert der Pfarrer. Der schreibt mia scho so a Fetza. Da macht's eich koa G'danka." Valentina hatte gut reden. Bei den ganzen Problemen würde ich mir wahrscheinlich erst keine Gedanken mehr machen, wenn ich verheiratet war. „Des is so a Schmarrn, des a Kerl, der koa Weib ned ham derf, beurteila soll, ob a Poar für die Ehe geeignet is", regte sich Lucas Oma lauthals auf und irgendwie musste ich ihr da recht geben. Wie sollte ein zölibatärer Pfarrer das beurteilen. Wo bitte legte er den Maßstab an? Wie wollte er den Brautleuten Tipps geben? Das war so als würde ich als Laie in der Autowerkstatt stehen und den Monteuren erklären wollen, wie sie am Auto zu schrauben hatten.  „So, dann sieht es doch ganz gut mit der Hochzeit aus." Lucy ließ ihr Handy in ihre Hosentasche gleiten. „Wenn Oma das in Angriff nimmt, dann bekommt ihr die Genehmigung wahrscheinlich vom Papst höchstpersönlich. Dann mache ich mich mal an die weitere Planung. Ab jetzt wird alles glatt gehen." Lucy zwinkerte uns zu als sie aus dem Zimmer lief. Würde wirklich alles glatt gehen? Ich war mir da nicht so sicher. Vielleicht waren die Probleme ja auch ein Wink des Schicksals, dass Luca und ich nicht heiraten sollten?

Schuss und Treffer - zum Comeback    ✔️    Teil 12Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt