Kapitel 71

236 40 16
                                    


Ich steckte das Nachtlicht ein und lief aus Espies Zimmer. Anstatt einer Gute-Nacht-Geschichte hatte ich ihr heute sogar zwei vorgelesen, nur um Zeit zu schinden. Jetzt gab es aber nichts, was ich noch machen konnte, um dem unangenehmen Gespräch mit Luca aus dem Weg zugehen beziehungsweise es noch etwas aufzuschieben. Vielleicht hatte ich aber auch Glück und er war gerade unter der Dusche. Nein, hatte ich nicht, denn er saß im Wohnzimmer auf dem Sofa. Wie auf Kommando klopfte er auf die Sitzfläche neben sich. „Los, jetzt komm her und erzähl mir wo du vorhin mit dem Auto warst. Da du dir fast den Finger abgetrennt und unser Geschirr dezimiert hast, muss es ja etwas ziemlich Aufregendes gewesen sein." Er fing an zu grinsen. „Hast du eine Bank überfallen und ich muss damit rechnen, dass gleich die Kriminalpolizei klingelt, weil ich der Halter des Fluchtfahrzeugs bin?" Okay, das Lachen würde ihm wahrscheinlich gleich vergehen, aber der Banküberfall war vielleicht nicht der schlechteste Aufhänger. „Ja, ich habe schon einmal eine Bank ausgekundschaftet, weil.....weil bald wirst du vielleicht eine überfallen müssen, denn dein Vater streicht dir den Unterhalt." Die letzten Worte hatte ich ziemlich schnell gesprochen. Luca schaute mich mit großen Augen an. „Was hast du gerade gesagt?" „Ich habe eine Bank ausgekundschaftet", versuchte ich es erst einmal locker. Klar war das blöd, denn ich wusste genau, was er meinte....aber....aber ich hatte halt Schiss. „Das nicht, das andere mit meinem Dad. Woher willst du das denn wissen? Hast du auch eine Glaskugel geklaut auf deinem Ausflug oder was? So etwas würde er nie machen. Er macht zwar manchmal viel Mist und ist ein bisschen hitzköpfig, aber das....nee!" Luca schüttelte immer noch grinsend den Kopf. „Ich brauche dafür keine Glaskugel. Ich war in Bochum und er hat es mir ins Gesicht gesagt." „Du warst wo!" Lucas Grinsen war verschwunden. „In Bochum", wiederholte ich. „Bei Lucy", fügte ich noch ergänzend hinzu. „Was wolltest du da?" Lucas Tonfall war zwar ganz ruhig, aber ich spürte seine Anspannung. „Ich wollte mich mit ihr aussprechen. Und das hat ja auch geklappt. Wir haben das Missverständnis aus dem Weg geräumt. Sie war nämlich gar nicht mit unserer Beziehung und dem Altersunterschied nicht einverstanden, sondern nur sauer, dass wir sie nicht vorher eingeweiht haben, obwohl sie uns gerade davor darauf angesprochen hatte", plapperte ich los. Ja, wenn mir etwas unangenehm war, neigte ich manchmal zum Plappern. Mein Freund neben mir nickte nur. „Das andere konnte ich mir auch nicht vorstellen. Aber wie kommst du jetzt auf den Blödsinn mit meinem Dad?" Wieder begann ich zu plappern. „Das hat er nicht wirklich gesagt!" Luca schaute mich fassungslos an und ich spürte wie alles in mir vor Nervosität zu vibrieren begann. Gleich würde eine Reaktion kommen, die ich noch nicht wirklich abschätzen konnte. Klar wusste ich, was ich mir wünschte....aber war mein Wunschgedanke wirklich adäquat für einen Anfang Zwanzigjährigen? War man da nicht doch mehr selbstorientiert? Also ich war es in dem Alter gewesen. Oder traute ich Luca da vielleicht zu wenig zu? „Und wovon soll ich leben? Er weiß doch genau, dass ich noch nicht weiß, wo mein Weg weitergehen soll. Er hat doch die ganze Zeit gesagt, ich soll mir erst einmal in Ruhe Gedanken machen und dann eine Entscheidung treffen." Ungläubig schüttelte er den Kopf. „Und jetzt macht er auf einmal diesen Druck, weil ihm unsere Beziehung nicht passt." Luca war aufgesprungen und lief vor dem Sofa auf und ab, während er sich mit seinen Händen durch die Haare fuhr. „Okay!" Plötzlich blieb er stehen und schaute mich an. Mein Herz rutschte mir in die Kniekehlen. Gleich würde er mir verkünden, dass er seine Entscheidung getroffen hatte und dass es kein uns mehr gab. Ich schluckte einmal gegen den Kloß in meinem Hals an und bereitete mich auf diese niederschmetternde Mitteilung vor. Nein, ich würde mir auf keinen Fall etwas anmerken lassen und damit auch noch emotionalen Druck auf ihn ausüben. Wenn er diese Entscheidung getroffen hatte, dann musste ich das akzeptieren. Schließlich war ich alt genug, um damit umzugehen. Obwohl, war man jemals alt genug für Liebeskummer? „Wenn er das so will, dann soll er das so haben. Wir schaffen das auch ohne seine Unterstützung." Überrascht schaute ich ihn an. „Soll er doch an seinem Geld ersticken. Ich suche mir einfach irgendein Job. Ehrlich gesagt hatte ich das seit Ostern sowieso vor. Diese Abhängigkeit geht mir nämlich auf den Zünder. Besonders, wenn man dann auch noch nach dem Motto verfährt, wer zahlt, der bestimmt. Ich bin nicht bereit mir von ihm sagen zu lassen, wie ich mein Leben zu führen habe." Luca hatte sich richtig in Rage geredet. „Willst du nicht vielleicht doch lieber noch einmal mit ihm reden?" Luca schüttelte entschlossen seinen Kopf. „Auf keinen Fall! Entweder er akzeptiert uns als Paar oder er tut es nicht. Dann hat er auch nichts mehr in meinem Leben zu suchen. Jedenfalls lasse ich mich nicht erpressen. Ich bin alt genug, um meine eigenen Entscheidungen zu treffen." Ja, das war er definitiv, aber Leon war sein Vater und..... „Ich habe damals genauso gedacht, als meine Eltern mich rausgeschmissen haben. Und....." Ich stockte. „Und weißt du, wie oft ich mich seitdem gefragt habe, ob ich da nicht vielleicht doch falsch reagiert habe." Luca war zu mir gekommen und hatte sich wieder neben mich gesetzt und seinen Arm um meine Schulter gelegt. „Du vermisst deine Eltern?" Ich schüttelte meinen Kopf. „Nicht meine Eltern" Auf meine Mutter konnte ich gut verzichten, schließlich war sie diejenige, die mir meine kleine Carmen weggenommen hatte. „Meinen Vater manchmal vielleicht. Ich denke heute, dass er sich zwar auf meine Seite hätte stellen müssen, aber dazu zu schwach war." Luca nickte mitfühlend. „Trotzdem lasse ich mich nicht von meinem Dad erpressen. Ich werde ihm zeigen, dass ich es auch ohne ihn schaffe." Er beugte sich zu mir und drückte mir einen kurzen Kuss auf meine Lippen. „Und wir werden ihm zeigen, dass wir zusammengehören und uns so ein bisschen Mist nicht auseinander bringen kann." Diesmal war ich es die nickte und mich an ihn schmiegte. Mein Herz platzte fast vor Glück, denn Luca war der erste Mensch, der ohne wenn und aber zu mir stand. „Ja, wir schaffen das zusammen!" Da hatte ich überhaupt keinen Zweifel mehr.

Ich wünsche euch allen einen guten Rutsch🐷🍀🐖🎊🍾🎉

Schuss und Treffer - zum Comeback    ✔️    Teil 12Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt