1. Mein Freund

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Er nahm die Flasche und zerschlug sie auf meinem Kopf. Mit starken Schmerzen sank ich zusammen und fiel auf die Scherben. Ich spürte wie sie sich tief in mein Fleisch bohrten. Ich schrie laut auf vor Schmerz. Es war ein großer Fehler, denn er zog mich gleich wieder auf die Beine und schlug mich.  Langsam lief dunkelrotes Blut an meinem Arm und meiner Stirn runter. Doch er hatte nichts besseres zu tun, als mich fest an den Schultern zu fassen und mich mit viel Kraft gegen die Wand zu schlagen. Es ist nicht das erste Mal, das ich solche Blessuren von ihm davon trug.
Ihm machte es Spaß mich leiden zusehen. Ich spürte es einfach. Abgesehen davon, dass er nur am lachen war. Mein Schädel brummte vor Schmerz, als es an der Tür klingelte. Er packte mich und stieß mich die Kellertreppe runter und er schloss hinter mir die Tür ab. Ich war zu schwach um mich zu wehren. Weinend saß ich auf dem Boden und versuchte mich zitternd auf die Beine zu kämpfen. Mit meiner Hand fuhr ich die raue Wand entlang und versuchte den Lichtschalter zu ertasten, wie immer wenn er mich wieder misshandelt hat. Endlich streiften meine Fingerspitzen die Plastikkanten des Lichtschalters. 

Vorsichtig drückte ich drauf. Schmerz durchfuhr meinen Finger und er breitete sich rasend schnell im ganzen Körper aus. Er hatte irgendwas mit dem Lichtschalter gemacht. Ich konnte ihn jedenfalls nicht mehr anfassen ohne einen Stromschlag zu bekommen. Zitternd kroch ich zu den Kerzen und zündete eine an. Mit einem Blick auf meinem Schlafplatz fing ich an mir die Scherbenreste aus meinem Arm zu fischen. Es brannte fürchterlich und es tat sehr weh. So sehr das mir Tränen in die Augen traten. Ich riss mir ein Stück von meinem Bettlaken ab und band es mir um meinen Arm. Ich versuchte damit die Blutung zu stillen, doch ich wusste, dass es nichts bringen würde. Weinend warf ich mich auf meine Matratze, die auf dem Boden neben der kalten Hauswand lag. Mein Kissen bestand aus einem Halstuch und eine menge alter Zeitungen und meine Decke ist eine, schon halb vergammelte, Wolldecke. Essen bekam ich von ihm selten, meistens aß ich, wenn ich am Set war. Mein bester Freund Ezequiel brachte mir immer etwas mit, weil er denkt, das ich morgens keine Zeit habe, mir selbst etwas zu machen... Wenn er wüsste...  

Nein, das wollte ich mir nicht vorstellen. Er würde irgendwas unüberlegtes machen und sich dadurch in Gefahr bringen. Eze ist ihm nicht gewachsen... Er muss nur ausrasten und dann liegt Eze im Krankenhaus und dann würde er sich nur an mir abreagieren... Wer weiß ob ich das überleben würde... Raus kommen ich nur einmal am Tag und das ist meistens morgens.  Er will das ich arbeiten gehe, denn er selbst macht es nicht und er will es auch nicht machen. Die einzige Arbeit, die er gerne nach geht, ist mich zu misshandeln, mich fast tot zu schlagen... Jeden Morgen flüchte ich ans Set und versuchte die paar freien Stunden zu genießen, aber ich habe Angst... Mein Leben wird nur noch von Angst bestimmt. Ich weiß nicht was passiert ist. Ich habe ihn vor zwei Jahren kennengelernt un da war er so sanft und freundlich gewesen und als ich ihn anbot bei mir ein zu ziehen, war er hellauf begeistert. Aber nachdem er in meine Wohnung gezogen ist, hat er sich schlagartig verändert. Als aller erstes hat er mich nur beleidigt und mich herumkommandiert. Doch das wurde ihm schnell zu langweilig und er fing an mich erst selten, dann immer häufiger, die Kellertreppe runter zu stoßen. 

Er war immer am lachen gewesen. Verängstigt zog ich meine Beine eng an den Körper und versuchte mein zittern zu kontrollieren. Das Blut drang inzwischen durch den provisorischen Verband. Ich  verzweifelte langsam aber sicher. Seit einem verdammten Jahr machte ich das durch. Niemanden ist je aufgefallen was mit mir passiert. Nicht mal Eze oder meiner Mutter. Sie wundert sich schon, dass ich letztes Jahr nicht zu Weihnachtsessen kam.... Aber ich konnte nicht! Ich saß frierend hier unten im Keller, gefesselt an eine defekte Heizung und wurde von ihm halb aufgeschnitten. Immer und immer wieder fuhr er mit dem Taschenmesser über meinen Rücken...Er ließ mich die halbe Nacht lang weinend dort sitzend. Ich habe noch nie so viel Blut verloren als in diesem einen Jahr mit ihm. Ich legte meine Hand an meinen Kopf. Die Kopfwunde war auch noch am bluten. Langsam ließ ich mich mit dem Kopf auf mein Kissen fallen und deckte mich leicht zu. Ich weinte mich dann endgültig in den Schlaf. Immer mit der Hoffnung, das ich nicht mehr aufwache, dass ich einfach verbluten würde oder das ich verhungere oder gar verdurste...

Claras Vergangenheit ✔Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt