128. Betrogen

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Als ich am nächsten Morgen wach wurde, saß eine Person neben meinem Bett. Diego schlief immer noch neben mir. Verschlafen betrachtete ich die Person und als ich sie erkannte schrie ich panisch auf. Mein Freund schreckte augenblicklich hoch, wenn auch total verschlafen. Als er die Person erkannte, war er hellwach.

„Was willst du hier, Brutus? Du hast hier nichts verloren!", knurrte er und zog mich an seine Brust. Ich zitterte nervös und kuschelte mich hilfesuchend an ihn. „Sei du mal ganz leise! Ich habe ein Recht dazu hier zu sein. Genauso wie du, Würstchen!", brummte Brutus zurück. Verwirrt sah ich ihn an. „Warum bist du hier?", fragte ich ihn mit zitternder Stimme.

Ich wollte ihm eigentlich nicht zeigen, wie viel Angst ich vor ihm hatte, aber dies war gerade unmöglich. Wie lange saß er schon neben meinem Bett? Was hatte er mit mir vor? Was wollte er von mir? „Weil ich nach dir sehen wollte, Clara! Ich wollte sicher sein, dass es dir gut geht", zischte er und in seinem kalten Blick lag wieder Schmerz. Diego lachte einfach nur frostig. „Du scherst dich einen feuchten Kehricht um sie! Ist dir eigentlich klar, dass das was du mit ihr gemacht hast, kein Spiel war?", schrie er ihn wütend an.

Man konnte den Hass Diego gegenüber schon in seinen Augen sehen, aber da war auch noch etwas anderes. Etwas, das mich irritierte. Liebe. Wenn auch nur ein minimales bisschen, aber in seinem Blick lag auch eine Spur Liebe. „Lass mich bitte mit ihr alleine... Ich habe etwas mit ihr zu bereden und da brauche ich keinen aggressiven Wachhund beisitzen haben!", zischte Brutus gefasst. Er hatte den gleichen Unterton wie ich, wenn ich etwas ernst meinte.

„Meinst du wirklich, ich sei so naiv um dich mit ihr alleine zu lassen?! Das kannst du mal ganz geschmeidig vergessen!", fuhr Diego ihn an. Seine kompletten Muskeln waren angespannt und Wut loderte in seinen Augen. „Diego, geh bitte... Kannst ja Tristan noch einmal zusammenschlagen. Aber lass mich jetzt mit ihm alleine!", keifte ich leise und stieß meinen Freund von mir weg. „Du... du willst...", stammelte er und sah mich überrascht an.

„Gehe jetzt! Ich erkläre dir nachher alles!" Er nickte zögerlich und ging tatsächlich. Aber mir war bewusst, dass er an der Tür stehen würde und lauschen tut. „Gibst du mir eine Möglichkeit dir alles zu erklären?", fragte er mich ungewöhnlicherweise vorsichtig, geradezu schüchtern. „Nein. Ich will wissen warum du hier bist!", zischte ich etwas zickig. „Weil ich dich sehen wollte! Ich wollte wissen, ob es dir gut geht!", verteidigte er sich zögerlich. Ich lachte kalt. „Wer soll dir denn das glauben? Als du mich vergewaltigt hast, da war dir alles scheißegal!", zickte ich ihn an.

Hass blitzte in seinen Augen auf und ich wich sofort zurück. „Ich wusste da noch nicht, wer du bist. Als ich es dann wusste, hatte ich es ehrlich gesagt in der ersten Zeit auch nicht bereut, aber ich musste in letzter Zeit viel nachdenken und naja... Ich habe mich dir gegenüber echt scheiße verhalten. Tut mir leid!", murmelte er leise. Wütend und verletzt sah ich ihm tief in die dunklen Augen. Sie hatten etwas magisches an sich. Etwas, dass mir sehr bekannt vorkam.

„Dein „Tut mir leid" kommt knapp drei Jahre zu spät! Wenn du mir jetzt nicht sofort sagst, was du hier willst, dann werfe ich dich einfach raus!", schrie ich ihn an und plötzlich stürmte mein Freund ins Zimmer. „Clari...", fing er an, doch Brutus sah blitzschnell zu ihm. „Was verstehst du daran nicht, dass du dich nach draußen verpissen sollst?! Lass mich mit meiner Schwester allein!", fuhr Brutus ihn an und seine Augen blitzten vor Hass. „Was?", fragten Diego und ich wie aus einem Mund.

Überrascht sah ich den Mann an, der angeblich mein Bruder sein sollte, aber auch gleichzeitig mein Vergewaltiger war. Er seufzte und sank etwas in sich zusammen. „Ja, Clara, du bist meine kleine Schwester... Mein Halbschwester um ganz ehrlich zu sein. Ich habe dich ehrlich gesagt immer gehasst. Unsere Mutter ist meinem Vater damals fremdgegangen, da war ich ungefähr zehn Jahre alt. Als Mama dann mit dir schwanger war, hatte sie Papa verlassen und ist zu ihrer Affäre, also deinem Vater gezogen... Ich habe dich gehasst, weil du meine Familie zerstört hast, dabei trifft dich gar keine Schuld", murmelte er zögerlich. Ich zitterte am ganzen Körper. Er war mein Bruder!

Ich dachte, ich wäre im falschen Film. „Clara, sag doch bitte etwas!", bat er mich etwas verzweifelt. „Warum? Warum bist du dann so mit mir umgegangen?", fragte ich ihn leise, damit er nicht die Tränen in meiner Stimme hörte. „Ich war ein Idiot, dass weiß ich ja selbst und das tut mir alles unendlich leid... Ach, Clara, ich will doch nur, dass du mir verzeihst und mir eine Chance gibst, der perfekte Bruder zu sein!", sagte er und nahm meine Hand in seine. Nun musste er spüren wie nervös ich war, denn ich zitterte wie wild.

Diego sah mich warnend an. „Ich brauche keine Menschen um mich herum, die perfekt sind, denn niemand ist perfekt!", murmelte ich und sah wieder zu Diego, der nun drohend den Kopf schüttelte. „Aber bevor ich mich entscheide, möchte ich gerne wissen, warum du jetzt meinst mich um Entschuldigung zu beten und zu glauben, dass ich dir eine Chance als Bruder gebe!", fügte ich hinzu. „Weil ich weiß, dass ich Mist gebaut habe und nun weiß, was für eine wundervolle Person du doch eigentlich bist. Ich habe mit ein paar Freunden von dir gesprochen. Sie haben mir Bilder und Videos gezeigt. Ebenso haben sie mir lustige Anekdoten von dir erzählt. Ich habe einiges über dich erfahren. Einige Sachen, die ich liebend gerne verhindert hätte. Ich verstehe, warum dich alle lieben. Ich möchte jemand sein, den du liebst, zwar nicht so wie Diego, sondern einfach nur wie deinen Bruder und ich will dich so lieben wie meine kleine Schwester. Ich will dich ab jetzt beschützen!", meinte er ernst, während er sanft meine Hand drückte.

Ich glaubte ihm. „Okay...", murmelte ich und fing an zu husten. Diego eilte sofort zu mir und setzte sich auf mein Bett. Vorsichtig nahm er meinen Arm und strich sanft darüber. „Es ist alles in Ordnung, meine Prinzessin. Ich bin da!", hauchte er liebevoll und legte sich neben mich. „Ich weiß nicht, ob ich dir vertrauen kann...", krächzte ich, bevor ich wieder an fing zu husten.

„Es ist einfach zu viel passiert. Vieles, was wirklich schlimm war und die Entschuldigung kommt auch reichlich spät. Aber ich würde dir gerne vertrauen, doch dieses Vertrauen musst du dir erarbeiten! Beweise mir einfach, dass ich dir vertrauen kann ohne Angst zu haben!", brachte ich kratzig hervor. Verständnislos sah Diego mich an. „Clara, ist das dein Ernst?! Du weißt ganz genau was er dir angetan hat! Er hat hier nichts zu suchen! Du kannst doch nicht wirklich so blöd und naiv sein!", fuhr mein Freund mich an.

Ich zuckte erschrocken zusammen. „Diego... Was ist denn in dich gefahren?", murmelte ich unsicher. Er starrte mich wütend an. „Entscheide dich, Clara! Entweder er oder deine Familie!", zischte er sauer. Ich schluckte schwer. „Wie meinst du das, meine Familie?", fragte ich kaum hörbar. „Solltest du dich für ihn entscheiden, werde ich mit Violetta gehen! Ich werde sie nicht in seine Nähe lassen!", fauchte er leise. „Also, ich erwarte eine Antwort! Brutus oder wir?"

Claras Vergangenheit ✔Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt