22. Panikattacken

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„Was bereust du?", fragte ich und zwang mich dazu, es gleichgültig klingen zu lassen. Was es mir auf jedenfall nicht ist!!! Endlich habe ich eingesehen, dass Tini recht hatte und ich wirklich in Diego verliebt bin... Würde er mir jetzt sagen, dass er nichts für mich empfindet und er alles nur gespielt hat... Das würde mich dann endgültig zerstören... „Ich bereue es, dass ich dich nicht schon früher kennengelernt habe... Du kannst jetzt weiter atmen... Ich habe nicht vor dich zu verletzen!", sagte er mit einer gewissen Belustigung in der Stimme. Ich bemerkte jetzt auch, dass ich vor Spannung aufgehört hatte zu atmen und schnappte erleichtert nach Luft. „Es fiel mir echt schwer es ein zu sehen... Und Tini hat es mir immer und immer wieder vorgehalten und mich damit aufgezogen... Doch ich bin ihren Worten immer ausgewichen und habe alles abgestritten...", redete ich einfach drauflos und löste mich leicht von Diego.

Noch immer saß ich auf seinem Schoß und es war ein wirklich tolles Gefühl. Doch Diego schien ein wenig irritiert. „Was meinst du?", fragte er verwirrt. Ich dachte nach wie ich es am besten sagte. Doch es schien schwerer als erwartet. „Ich weiß nicht wie ich es sagen soll...", murmelte ich leise und senkte den Blick. Diego legte sanft und vorsichtig zwei Finger unter mein Kinn und zwang mich auf eine angenehme Art und Weise ihn an zu sehen. „Wie wäre es mit Worten?", fragte er mich grinsend, sodass ich wohl oder übel auch grinsen musste. „Ach, darauf wäre ich ja nie gekommen!", antwortete ich. „Es ist aber echt schwer, da hattest du recht..." Diego sah mich überrascht an. Ich wusste nicht, was ich jetzt machen sollte. Zu allem Überfluss klingelte es auch noch an der Tür. Panisch sprang ich von Diego weg und versuchte so schnell wie möglich den Raum zu verlassen. Es war einfach mein Instinkt, der mir sagte, ich solle flüchten. Doch Diego war echt schnell und versperrt mir dem Weg nach draußen in dem er sich einfach vor die Tür stellte. Verängstigt zog ich mich langsam zurück. Auf einmal sah ich nicht mehr Diego vor mir sondern Angelo, der mich hasserfüllt anstarrte. Langsam kam er auf mich zu. Ich erstarrte vor Angst und versuchte nach ihm zu schlagen, doch Angelo fing beide Schläge ab und hielt meine Handgelenke fest. Ich fing an panisch los zu kreischen und versuchte mich aus seinem Griff zu befreien, doch ich schaffte es nicht. Irgendwann vernahm ich aus weiter Ferne Diegos Stimme. Er redete mit jemanden...

Bald verstand ich auch, was er sagte. „Clari, bleib ganz ruhig... Ich bin es nur! Ich tue dir nichts... Ganz ruhig bleiben, Clara... Ich bin bei dir, ich passe auf dich auf... Versprochen! Aber beruhige dich doch...", redete er sanft auf mich ein. Ich verspürte auf einmal einen sanften Ruck an meinen Armen und spürte wie ich leicht gegen einen anderen menschlichen Körper prallte. Dann legten sich vorsichtig und sanft zwei Arme um mich. Ich begriff, dass es Diego war und hörte auf mich zu wehren. Mein Kreischen verwandelte sich in ein verängstigtes Schluchzen und ich war am zittern. „Ganz ruhig, Clara... Ich bin doch da...", sagte Diego wieder und ich spürte, wie er mir sanft einen Kuss auf mein Haar drückte. „Diego?", flüsterte ich unter Tränen. „Ja, meine Kleine?", fragte er leise. „Ich liebe dich!", sagte ich und drückte mich fest an ihn. Ich spürte, wie sein Herz urplötzlich schneller schlug und ich hatte das Gefühl, dass er mich jetzt noch mehr beschützen würde. „Ich liebe dich auch, Clara!", antwortete er und ich hörte den Stolz, der in seiner Stimme mit schwang. Trotzdem ließ er mich nicht los. Wieder klingelte es und es brach eine erneute, durchaus stärkere Panikattacke über mich herein. Ich befreite mich von Diego Umarmung und rannte aus dem Schlafzimmer zur Treppe.

Durch die Panik übersprang ich zwei Stufen und fiel die Treppe nach unten. Zitternd und schluchzend blieb ich auf dem Boden liegen, doch als ich Diego hörte sprang ich sofort auf und rannte durch die Terrassentür nach draußen in den Garten. Diego öffnete die Haustür und schimpfte mit der Person, die gerade den Flur betrat. Verschreckt saß ich hinter der Mauer, die mein Grundstück abgrenzte. Hinter meinem Haus ist ein schmaler Feldweg und dann kommt ein Wald. Mein Haus liegt ein wenig außerhalb, deswegen ist nie jemanden aufgefallen, wie ich behandelt wurde. Schließlich habe ich keine Nachbarn... Ich beruhigte mich langsam, traute mich aber nicht zurück ins Haus. Langsam kroch ich über den Boden und verschwand im Wald. Hier hatte ich einen wunderbaren Rückzugsort, den ich, seit ich Angelo kennengelernt hatte, nicht mehr besucht habe. Es ist nicht leicht zu finden, weil man dafür durch ein großes Brombeergestrüpp muss, aber es lohnte sich bisher immer. Nachdem Gestrüpp kam ein kleiner, etwas zugewachsener Trampelpfad und dieser führte zu einem etwas zugewachsenem Gartentor. Durch dieses Tor kam man anschließend auf eine wunderschöne und relativ riesige Lichtung mit einem kleinen See mit einem Steg in dem man schwimmen konnte. Neben mir wussten nur noch meine Mutter und mein Vater von der Lichtung.

Denn es ist ein Familiengeheimnis. Hier stand vor Jahren mal eine kleine Villa die meinen Eltern gehörte... Doch bei einem großen Feuer, als ich 5 Jahre alt war, starb meine kleine Schwester Leyla und das Haus wurde größtenteils zerstört. Anschließend wurde es abgerissen. An dem Ort wo das Haus stand, steht ein Kreuz mit der Aufschrift „Leyla Nikita Alonso" und dann das Datum „2.2.1995" mein 5. Geburtstag. Es war in der Nacht auf meinen 5. Geburtstag und mir wurde meine kleine Schwester genommen, die ich über alles auf der Welt liebte... Seufzend lief ich über die Lichtung. Ich vermisse sie heute, knapp 18 Jahre nach dem Unglück, immer noch so sehr wie damals. Inzwischen sogar noch mehr. Meine süße kleine Schwester wäre jetzt eigentlich schon 20 Jahre alt. Traurig setzte ich mich vor das Kreuz und starrte von dort aus auf den kleinen See, der im roten Abendlicht glitzerte. Es war toll wieder hier zu sein. Es gab mir ein Gefühl der Hoffnung und der Stärke. Ich liebte diesen Ort einfach...

Claras Vergangenheit ✔Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt