97. Endlose Entschuldigung

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Er warf sich neben mich und strich mir durch die Haare. „Es tut mir so leid, Clara! Das habe ich nie gewollt!", schluchzte er und nahm sein Handy zur Hand. Ich versuchte es ihm aus der Hand zu schlagen. Noch wirkten die Tabletten nicht. „Lass mich in Ruhe, Diego! Verschwinde einfach!", fauchte ich ihn an und versuchte ihn weg zu schieben, doch meine Kraft reichte dafür nicht aus. Er schlang fest die Arme um mich, so als würde er sein ganzes Leben verlieren, wenn er mich loslassen würde. Er rief einen Rettungswagen. 

Ich versuchte ihn die ganze Zeit davon abzubringen, aber er hörte mir nicht zu. Warum sollte er auch? Schließlich schien meine Schwester ja besser für ihn zu sein. Ich fing an zu schluchzen als er auflegte. „Warum hast du das getan?", fragte ich ihn weinend. Er drückte mich fest an sich und küsste mein Haar. „Ein Rettungswagen wird kommen! Ich bringe dich jetzt nach Hause!", erwiderte er leise. Er wich mir aus. „Ich habe dir eine Frage gestellt, Diego!", schrie ich ihn weinend an. „Es tut mir leid!", hauchte er scheu. 

„Meinst du, mit einem einfachen „Tut mir leid!" wäre alles geklärt? Diese Worte habe ich schon so oft von dir gehört! Ich glaube dir nicht mehr, Diego! Ich will einfach nur eine verdammte Antwort haben! Warum? Warum ausgerechnet Lara? Warum überhaupt? War ich dir etwa nicht gut genug?", fragte ich ihn verletzt und merkte wie ich immer müder wurde. Er hob mich schweigend hoch und verließ mit mir die Lichtung. „Ehrlich gesagt, ich habe keine Ahnung was damals passiert war... Lara wollte unbedingt auf diese eine Party gehen, doch ich hatte dir versprochen auf sie aufzupassen. Also bin ich mitgegangen. 

An diesem Abend habe ich herausgefunden, dass Lara genauso wenig Alkohol ab kann wie du. Sie war sofort dicht. Aber mal so unter uns. Da war auch noch was anderes in dem Alkohol gewesen, denn von einem Glas Sekt werde ich nicht so schnell betrunken und habe anschließend auch nie einen Filmriss. Woran ich mich erinnern kann ist auf jedenfall, dass Lara mich den ganzen Abend lang angemacht hatte und dass ich mir doch eine andere Freundin suchen sollte, solange du nicht da bist. Das nächste was ich weiß, ist, dass ich nackt neben ihr in ihrem Zimmer wach geworden bin. Sie hatte sich an mich gekuschelt.

 Was dazwischen passiert ist, dass weiß ich nicht, dass musst du mir glauben, Clara!", sprach er schnell und verzweifelt. Als er den Garten erreicht hatte, war ich kaum noch bei Bewusstsein. „Ich habe dich geliebt, Diego! Angelo habe ich zwar auch geliebt, weil ich ihn auch noch anders kannte. Aber richtig geliebt habe ich dich! Sonst keinen... Aber du hast mein Vertrauen missbraucht! Nimm Lara und verschwinde! Ich will euch beide nie wieder sehen!", hauchte ich kraftlos. Ich hörte wie die Sanitäter kamen und mich untersuchten. Aus weiter Ferne nahm ich die Stimmen war, doch ich verstand nicht. 

Da war schluchzen zu hören. Ich hörte Violettas Schreie, die allmählich in meinen Ohren verklangen. Ich spürte einen Pik in der Schulter. Danach ging alles sehr schnell. Bevor ich irgendwas anderes wahrnahm, wurde alles um mich herum lauter. Lara und Diego schrien sich gegenseitig an, Madeleine war am weinen, Violetta schrie laut nach mir, die Sanitäter riefen sich gegenseitig Sachen zu. Mir wurde verdammt schlecht. Ich verkrampfte etwas und übergab mich. Einmal, zweimal, dreimal, viermal. Solange bis wirklich jedes bisschen aus meinem Körper raus war. Ich war stark am zittern. „Mama!", schrie Vilu. 

Schwerfällig öffnete ich die Augen. Madeleine hielt sie ganz fest an sich gedrückt. Entsetzt starrte sie auf mich. Tränen liefen mir heiß über die Wangen. „Clara! Hey, Prinzessin!", sagte Diego und setzte sich neben mich. Meinte er im Ernst, ich hätte vergessen was er getan hatte? Bestimmt nicht! „Nenn mich nicht Prinzessin! Verschwinde aus meinem Leben und lass dich hier nie wieder blicken!", fauchte ich kraftlos. Die Sanitäter hoben mich hoch. „Wir werden Sie für weitere Untersuchungen ins Krankenhaus bringen!", meinte einer der Notärzte. Ich nickte leicht. 

Sie verluden mich in den Rettungswagen. Die ganze Fahrt über wurde mit mir gesprochen, damit ich ja nicht wieder das Bewusstsein verlor. Ich wollte nicht reden. Ich wollte meine Ruhe haben, mich in mein Bett legen, meine Töchter im Arm halten und diesen verdammten Scheißtag einfach vergessen. Doch so einfach ging das nicht. Als erstes wurden meine Organe auf innere Schäden geprüft, da das Schlafmittel nicht ganz in mein Blut gelangen konnte, hatte ich nochmal verdammt viel Glück gehabt. Ich hätte tatsächlich sterben können! 

Nachdem es mir wieder besser ging, wurde ich dem Psychologen vorgestellt. Dieser Frage mich nach meiner familiären Situation und nach Freunden. Ich erzählte ihm etwas widerwillig von Lara und Diego, dass sie miteinander fremdgegangen waren, von Angelo und seine Art mit mir um zu gehen, von dem Absturz, der Vergewaltigung durch Brutus und die anderen in Italien, die Sache mit Mini-Clara, Madeleine, dem vorgetäuschten Tod, die Entführung und Violettas Geburt. All das erzählte ich ihm und zugegeben, ich fühlte mich anschließend besser. Endlich jemand, der mir interessiert zuhörte. Blöderweise wollte er, dass ich regelmäßig zur Gruppentherapie komme, wogegen ich mich strikt weigerte. Niemand würde mich je da hin bekommen! 

Am späten Nachmittag durfte ich dann nach Hause. Doch dort erwartete mich die nächste Überraschung. Meine Schwester saß vor der Haustür und wartete auf mich. „Clara... Das was du gehört hast, dass ist nie passiert!", begrüßte sie mich. „Verschwinde! Ich will dich nicht mehr sehen!", fuhr ich sie an und ging an ihr vorbei. „Gib mir doch wenigstens die Möglichkeit, alles zu erklären!", rief Lara mir hinterher. Ich drehte mich um. „Du bist mit meinem Freund fremdgegangen, Lara! Was willst du da noch großartig erklären? 

Willst du mir sagen wie wunderbar ihr euch amüsiert habt? Darauf kann ich gut verzichten!", schrie ich sie an. Lara sah plötzlich ziemlich geknickt aus. Sie hatte etwas anderes. Sie war doch jetzt nicht schwanger von ihm! Obwohl, was interessieren mich die beiden noch? Noch nie wurde ich in meinem Leben so hintergangen! „Nein, das wollte ich dir nicht erklären... Es ist etwas anderes!", fing sie kleinlaut an und meine Angst, Lara könnte von Diego schwanger sein, wurde immer größer.

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