118. Nur ein Traum?

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 Lara führte mich auf die Terrasse, doch ich wusste nicht was sie mir hier zeigen wollte. „Was wolltest du mir zeigen? Ich bin müde und würde mich wirklich gerne hinlegen!", meinte ich und gähnte leise. Ich hatte wirklich keine Lust mehr. Ich sehnte mich nach meinem Bett und dem kleinen weißen Hund. „Warte es doch einfach ab!", kicherte Lara etwas. Ungeduldig ließ ich mich auf den Liegestuhl fallen. Vicente rannte sofort auf mich zu und kletterte neben mich. 

„Wo ist Violetta?", fragte ich müde. Die Neugierde auf die Überraschung war verflogen und ich kuschelte mich an meinen Hund. Vicente drückte seine kleine nasse Nase an meine Schulter und seufzte leise. „Madeleine ist mit ihr zum See gegangen. Willst du immer noch nicht dort einziehen? Es ist schließlich schon fertig!", antwortete meine kleine Schwester und setzte sich neben mich auf den Boden. „Ohne Diego will ich dort nicht hin!", murmelte ich leise und merkte wie mir langsam die Augen zu fielen.

 „Du gibst ihn immer noch nicht auf, dabei ist er schon über ein halbes Jahr verschwunden. Er kann echt froh sein dich zu haben! Jede andere hätte ihn schon längst ersetzt", meinte Lara und strich mir eine Strähne aus dem Gesicht. „Ich bin aber nicht jede andere. Ich bin Clara! Seine Clara und das werde ich immer bleiben!", hauchte ich und bemerkte wie ich langsam einschlief. „Gehe lieber doch ins Bett! Die Überraschung kann noch bis morgen warten. So müde wie du bist, wirst du dich nicht einmal freuen können!", flüsterte sie und ich raffte mich langsam auf. 

„Ich habe dich lieb, Schwesterchen!", sagte ich zärtlich und stand mit Vicente auf dem Arm auf. „Kann Vilu heute Nacht bei dir schlafen?" Meine Schwester nickte eilig. „Gute Nacht, Clari!", lächelte sie brav. Ich betrat das Haus und setzte den jungen Hund auf den Boden. Merkwürdigerweise verschwand er direkt im Wohnzimmer und legte sich in sein Körbchen schlafen. Verwirrt beobachtete ich ihn kurz und ging dann nach oben. Ich rieb müde über meine Augen und tappte zu meinem Schlafzimmer. 

Eine erneute Nacht ohne Diego stand mir bevor. Meine Hoffnung, Diego irgendwann wieder zu sehen, schwand mit jeden Tag, der verging immer mehr. Mit einem Seufzer öffnete ich die Tür. Ich erschrak kurz. Das Licht brannte, dabei war ich mir sicher gewesen, dass es aus gewesen war, als ich den Raum verlassen hatte. Mein Blick fiel auf das Bett. Tränen rannen mir in Bächen über die Wangen. Was hatte ich erwartet? Das er da sein würde? Scheinbar hatte ich doch das Licht angelassen... 

Alles war so, wie ich es vorhin verlassen hatte. Ich löschte das Licht und lief im Dunkeln zum Bett, wo ich hinein kletterte. Ich kauerte mich weinend zusammen und versuchte einzuschlafen. Die Tür knarzte leise, als sie geöffnet wurde. „Lara, lass mich in Ruhe! Ich will schlafen!", murrte ich mit weinerliche Stimme. Die Tür schloss sich leise und trotzdem wusste ich, dass ich nicht alleine war. Lautlos weinte ich weiter. Jemand ging um das Bett herum und kniete sich vor mich. 

„Lara, ich will meine Ruhe haben!", fauchte ich weinend. „Ich bin aber nicht Lara!", hörte ich eine tiefe, rauchige Stimme, die mir schmerzlich bekannt vor kam. „Diego...", hauchte ich leise. „Ja, meine Prinzessin. Ich bin wieder bei dir!", sagte er leise. Er legte seine Hand auf die Wange und wischte meine Tränen weg. Ich kämpfte mich hoch und kletterte vom Bett auf den Boden. Meine Arme schlang ich fest um seinen Hals und mein tränennasses Gesicht drückte ich an seine Brust. Er zitterte stark und klammerte sich fest an mich.

 Ich konnte es immer noch nicht glauben! Ich hatte meinen Diego wieder! „Clara! Meine Clara!", hauchte er tränen erstickt und vergrub sein Gesicht in meinen Haaren. „Ich werde immer deine Clara sein!", antwortete ich leise. Etwas widerwillig löste ich mich von ihm, als er die Nachttischlampe anmachte. Er hatte sich etwas verändert, seit ich ihn das letzte Mal gesehen hatte. Seine Haare waren länger geworden und total zottelig. Ebenfalls war ihm ein Bart gewachsen. Sanft strich ich ihm die Tränen aus dem Gesicht. 

„Wie geht es dir? Und wie geht es dem Kind?", fragte er mich liebevoll. Erst starrte ich ihn entsetzt an, dann fiel mir ein, dass er noch gar nicht wusste, dass ich das Kind verloren hatte und wahrscheinlich nie wieder eins bekommen konnte. Mich von ihm zu lösen fiel mir plötzlich ganz leicht. Ich stand auf und ging durchs Zimmer an das Fenster. „Clara... Was ist passiert?", fragte er mich besorgt und stand ebenfalls auf. 

Vorsichtig lehnte ich mich an die Wand neben das Fenster, legte meine Hand auf meinen Bauch und fing wieder an zu weinen. „Hey, Süße! Jetzt erzähl mir was los ist!", meinte er fürsorglich und stellte sich hinter mich. Zitternd drehte ich mich um und sah ihm in die Augen. „Ich... ich habe das Kind... Ich habe es verloren...", schluchzte ich auf und senkte sofort wieder den Blick. Ich wollte seinen Schmerz nicht sehen. Diego schlang seine Arme um mich und drückte meinen Körper an seinen. 

„Keine Sorge, Prinzessin! Das ist doch nicht so schlimm!", beruhigte er mich, obwohl es ihm auch sehr schwer fiel es zu akzeptieren. „Diego... Es kann sein... Also..." Ich zitterte am ganzen Körper, holte tief Luft und sprach das aus, was mir so sehr auf dem Herzen lag. „Ich kann wahrscheinlich nie wieder Kinder bekommen!" Ich schmiegte mich an seine Schulter, suchte seine Nähe, die ich über so viele Monate hinweg vermisst hatte.

 „Wir haben eine wunderbare Tochter, meine Clara. Mache dir keine Sorgen!", antwortete er mir daraufhin. „Lass uns schlafen! Du bist total müde und morgen früh können wir gemeinsam ans Set fahren!" Ich schüttelte den Kopf. „Ich arbeite nicht mehr dort! Ich habe gekündigt!", sagte ich und starrte auf den Boden. 

„Ich arbeite jetzt in einer Schule und lehre Kinder in Schauspiel, Gesang und Tanz. Nisco hat dich vor allen Kollegen für tot erklärt und hat deine Rolle aus der Geschichte gestrichen. Ich habe mich gegen das Drehbuch geweigert. Als er dann behauptet hatte, dass Violetta ein Kuckkuckskind wäre, da habe ich vollkommen rot gesehen und gekündigt. Da werde ich nie wieder einen Fuß rein setzen!" Diego versteifte sich kurz, nickte dann aber. 

„Komm, jetzt leg dich hin, Prinzessin! Du bist müde und ich bin es auch." Seine Worte waren sanft und liebevoll. Sie waren voller Liebe zu mir, so wie zu der Zeit bevor er verschwand. Bereitwillig ließ ich mich von ihm zum Bett führen und legte mich hin. Er legte sich vorsichtig neben mich, unsicher, ob er es überhaupt durfte. Mit großer Sorgfalt deckte er uns zu und drückte mich dann fest, aber zärtlich an seinen warmen, aber dennoch zitternden Körper. 

„Ich liebe dich, Diego!", hauchte ich müde und rutschte ganz nah an ihn. „Ich liebe dich auch, Clara! Du trägst ja die Ringkette und das Rubinherz!", stellte er stolz fest. „Ich lege sie nie ab!", antwortete ich lächelnd im Halbschlaf. Er küsste sanft meine Stirn und zufrieden schlief ich ein.

 Seit vielen Monaten schlief ich zum ersten Mal wieder eine Nacht komplett durch. Nicht ein einziges Mal wurde ich in der Nacht wach. Die Sonne weckte mich am nächsten Morgen, als sie mir ins Gesicht schien. Verschlafen rieb ich meine Augen und sah mich im Zimmer um. 

Der Platz neben mir im Bett war leer. Hatte ich etwa wieder nur geträumt? Scheinbar, sonst wäre Diego ja jetzt hier. Seufzend stand ich auf und suchte mir ein leichtes Sommerkleid aus dem Schrank. Im ganzen Haus herrschte noch Ruhe, also verschwand ich eilig im Badezimmer um mich fertig zu machen.

Claras Vergangenheit ✔Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt