111. Die Tage danach

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Ein paar Tage sind inzwischen vergangen, seit ich die Nachricht bekommen hatte, dass Diego verschwunden war. Flor und Eze hatten sich bereitgestellt sich ein paar Tage um Violetta zu kümmern. Ezequiels Worte waren: „Es reicht, dass eine von euch beiden mit den Nerven vollkommen am Ende ist!" 

Seufzend habe ich dann nachgegeben und habe Floreze meine Tochter überlassen. Madeleine hatte sich mir angenommen und Lara verbrachte jede freie Minute auf der Lichtung um die Baustelle im Blick zu haben. Ich lag im Schlafzimmer auf dem Bett, trug ein Tshirt von Diego und starrte an die Decke. Gedankenverloren spielte ich mit dem Ring, der an meiner Kette befestigt war.

 Er war nicht tot! 

Er war noch am leben! 

Das spürte ich! 

Alle wollten, dass ich mir keine falschen Hoffnungen machte. Die Tür öffnete sich und Maddie kam herein. Ich setzte mich sofort auf und sah sie erwartungsvoll an. „Sie sind wieder zurück...", murmelte sie. „Diego?", fragte ich sie leise, doch sie schüttelte nur traurig den Kopf. „Clari, akzeptiere doch, dass er nicht mehr lebt! Jorge meinte, dass er ganz nah an der Explosion war. Das kann er unmöglich überlebt haben!", erwiderte Madeleine seufzend. 

„Er ist nicht tot! Sie haben ja nicht einmal seinen Leichnam gefunden und soll ich dir sagen warum? Weil es keinen gibt! Wäre er nicht mehr unter uns, dann würde ich es spüren! Aber er ist noch da! Vielleicht nicht hier in Buenos Aires, aber irgendwo da draußen ist er ganz bestimmt und ich werde ihn finden!", beschloss ich und stand auf. „Was hast du vor?", fragte Maddie mich, als ich einen Koffer und meinem Bett hervor zog. 

„Ich werde ihn suchen gehen! Und wenn ich dafür um die ganze Welt reisen muss!", zischte ich. Überrascht blieb Madeleine da stehen und beobachtete mich dabei, wie ich meine Kleidung aus dem Schrank nahm. „Clara, was wäre wenn du recht hast und Diego gerade auf dem Weg hierher ist? Wenn er hier ankommt und du bist, was weiß ich wo? Damit habt ihr euch ja auch nicht geholfen! Bleibe einfach hier. Du wirst ihn schon irgendwie wiedersehen!", besänftigte sie mich. 

Irgendwie wiedersehen. Irgendwie. Sie glaubte wirklich nicht daran, dass er noch leben könnte. Spürte sie es etwa nicht? Bemerkte sie denn nicht, dass er mich brauchte? Ich sah schließlich doch ein, dass ich nicht einfach weg konnte. Als es an der Tür klingelte, ließ ich alles stehen und liegen und rannte runter zur Tür. Natürlich stand eben nicht Diego vor der Tür. Aber jemand anderes. 

Tini. 

Sie fiel mir sofort um den Hals und fing an zu schluchzen. Sie zitterte am ganzen Körper. Sanft drückte ich meine junge Freundin an mich. Als ich meinen Blick hob, entdeckte ich meine anderen Kollegen. Jorge lief an Krücken, Nicolás hatte einen Kratzer an der Stirn, Candelaria hatte ein blaues Augen, Mercedes ging es gut. Samuel hatte ein bandagiertes Handgelenk, Facundo fehlte. Dafür standen im Hintergrund noch Ramos und Mirta. „Hey, was macht ihr denn hier?", fragte ich mit einem leichten Lächeln. 

„Wir wollten sehen wie es dir geht. Schließlich wolltest du ja heiraten", erzählte Jorge und sah mich mitleidig an. „Ihr könnt rein kommen, wenn ihr möchtet!", schlug ich vor und löste mich von Martina. Der ganze Trupp trottete in mein Haus und ließ sich im Wohnzimmer nieder. „Wie geht es Rugge, Alba und Lodo? Und wo ist Facu?", fragte ich meine Freunde. 

„Lodovica geht es wieder besser. Sie wird schon in ein paar Tagen wieder entlassen. Ruggero ist inzwischen über den Berg, also er ist schon mal von der Intensivstation runter und bei Alba... Sie ist zwar inzwischen wieder bei Bewusstsein, nur ist sie sehr stark geschwächt. Facu ist bei ihr, um ihr Gesellschaft zu leisten", wurde mir von Cande erklärt. Ich sah meine Freunde genau an. Alle waren mir gegenüber sehr reserviert. Alle waren stiller als sonst.

 Ich bekam mitleidige Blicke zu geworfen und ab und zu ertönte ein trauriges Seufzen. „Er ist nicht tot! Er wird wieder zurückkommen!", sagte ich scharf. Alle zuckten zusammen. Tja, irgendwie war es nicht schwer genau diese Gedanken zu lesen. „Guckt mich jetzt nicht so an. Ich weiß, was in euch vorgeht. Ihr denkt euch jetzt, dass ich vollkommen übergeschnappt sei. Das es nur Einbildung und Wunschdenken sei, dass Diego noch leben würde, aber da irrt ihr euch! Ich spüre es! Diego würde mich niemals alleine lassen! Er kämpft! Selbst wenn er nicht für mich kämpfen sollte, dann tut er es dennoch für unsere Tochter! Er kommt wieder!" 

Leises, aber zustimmendes Gemurmel füllte mein Wohnzimmer. Ich gab ihnen den Glauben zurück. Ich gab ihnen die Hoffnung, dass Diego wirklich wieder zurück kam. Sie verstärkten meinen eigenen Glauben in mein Gefühl. Tini war die erste, die mir wieder um den Hals fiel und ehe ich mich versah, war ich in einer Gruppenumarmung gefangen. 

Diese überschwängliche Liebe verleitete mich dazu, dass ich wieder anfing zu weinen. „Ach, Clari!", ertönte es im Chor von allen. Es war schön wieder unter meinen Freunden zu sein, aber mir fehlte einfach Diego. Mir fehlte seine Nähe, seine Umarmungen, seine Liebe, sein Geruch, die Art wie er mich ansah, wie er mit mir redete, wie er mit Violetta umging. Wieder kamen mir seine Worte in den Sinn, als er sich von mir verabschiedet hatte, wo er zum Dreh geflogen war. 

„Es sind doch nur ein paar Tage, Prinzessin!", hatte er gesagt. „Nächste Woche bin ich doch wieder zurück. Mache dir keine Sorgen, mein Liebling. Du schaffst es die paar Tage ohne mich, danach hast du mich ja wieder!" 

Ich wusste das irgendetwas nicht stimmte. Ich hatte von vorne herein gewusst, dass da etwas passieren würde, doch Diego hatte mich besänftigt. 

Hätte er doch nur auf mich gehört...

Claras Vergangenheit ✔Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt