92. Heimweg

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Mit Violetta auf dem Arm stand ich mit Madeleine am Flughafen. Mit sehr viel Überredungskunst konnte ich Diego vor einem dreiviertel Jahr davon überzeugen, mit Lara zurück nach Buenos Aires zu fliegen. Heute würde ich mit Madeleine und Violetta folgen. Das Vertrauen zu Diego wurde jeden Tag stärker und ich konnte es kaum erwarten ihn wieder zu sehen. „Clari?", murmelte Maddie leise. Sie hatte sich dazu entschieden uns weiterhin mit unseren Namen anzusprechen, da Diego und ich ja nicht ihre echten Eltern waren. Madeleine war inzwischen volljährig und Violetta ein Jahr alt. 

Violetta hatte die Haarfarbe ihres Vaters, aber ihre Haare waren so dünn und fein wie meine. „Was ist denn, Süße?", fragte ich sanft und stellte mich zu ihr. „Hast du auch Angst? Das letzte Mal als wir geflogen sind, da ist das Flugzeug abgestürzt!", meinte sie nervös. „Es wird alles gut, Süße! Abstürze sind eher selten und soviel Pech kann man doch nicht haben, oder?"

 Maddie lächelte mich unsicher an. „Komm. Ich kann es kaum erwarten Diego wiederzusehen!", sagte ich und lief mit Violetta auf dem Arm und den Koffer in der Hand zum Check-In. Madeleine folgte mir schnell. „Du hast es aber wirklich eilig, Clari. Du hast doch gestern erst noch mit ihm geskypt!", lachte sie belustigt. 

Ich verdrehte die Augen. „Aber das ist doch nicht das gleiche, mein Kindchen! Als er das letzte Mal hier war, das war kurz nach unserem Absturz die Zeit. Nisco wollte ihn nicht weglassen und meinte, wenn Diego hierher kommen würde, wäre er seinen Job los. Nisco würde das nie machen, dass weiß jeder am Set. Aber man muss ihn ja nicht unnötig provozieren. 

Er mag Diego ja ohnehin schon nicht, weil Diego mich damals vor ihm verteidigt hatte. Ich vermisse ihn so!", seufzte ich und sah zu der Frau, die am Flugzeugeingang die Tickets entwertete. „Worauf warten wir denn noch?", fragte Madeleine und zog mich zu der Frau. Sie lächelte uns freundlich an und wünschte uns einen guten Flug. 

„Warum hast du den Antrag eigentlich nicht angenommen, Clari?", murmelte sie und betrachtete meine Kette. Ich zuckte mit den Schultern. „Ich war nicht bereit dazu, denke ich. Es ist zwar echt süß was Diego so alles für mich tut, aber ich kann ihn nicht heiraten...", gab ich zu. „Weil du ihn nicht liebst?", fragte sie mich. Ich schüttelte eilig den Kopf. „Nein, ich liebe ihn vom ganzen Herzen! Ich könnte nicht ohne ihn leben! Aber...", fing ich an und dachte nach was ich sagen würde. 

„Aber?", hakte Madeleine nach. „Ich habe Angst davor ihn zu heiraten... Danach gehöre ich ihm und was ist, wenn er sich dann komplett verändert und so wird wie Angelo? Ich kann ihn einfach nicht heiraten...", murmelte ich und senkte den Blick. Ich spürte Madeleines traurigen Blick auf mir liegen. Als wir zu unseren Plätzen kamen, setzten wir uns hin und schwiegen eine Zeit lang. 

„Warum trägst du dann den Ring an einer Kette um den Hals?", durchbrach Madeleine unser Schweigen. Ich legte meine Hand darauf. „Diego hat mir die Kette mit dem Ring geschenkt. Ich denke, es ist ihm wichtig, dass ich den Ring an mir trage. Egal wie. Außerdem ist es ein Teil von Diego, den ich immer mit mir tragen kann. Es wäre schlimm für mich, wenn ich die Kette verlieren würde. Sie bedeutet mir alles!", erklärte ich und lächelte sanft. 

Auch Maddie lächelte. Sie war mit der Antwort zufrieden. „Mama", murmelte Violetta und streckte die Arme nach mir aus. „Was möchtest du denn, kleine Maus?", fragte ich sie lächelnd. „Arm!", quiekte sie leise. Vorsichtig und ziemlich wackelig zog sie sich an dem Sitz hoch und tappte ein paar ungeschickte Schritte auf mich zu. 

„Sei vorsichtig, Violetta! Das hier ist kein Spielplatz!", sagte ich, als sie sich in meine Arme fallen ließ. Sie kicherte belustigt und kletterte auf meinen Schoß. Wackelig kniete sie sich auf meine Beine und schlang ihre Arme um meinen Hals. „Mama...", murmelte sie und drückte ihr Gesicht an meine Schulter. Maddie fotografierte uns und schickte das Bild an Diego. Ich sah sie grinsend an. 

Violetta kuschelte sich an mich und murmelte leise vor sich hin. Ich hörte wie sie ein paar Mal Lene sagte, so nannte sie nämlich Madeleine immer, und Maddie hörte sogar darauf. Erst letzte Woche als Maddie im Wohnzimmer saß und ich die Küche ein wenig aufgeräumt hatte, hörte ich wie Vilu ganz laut Lene rief um ihr zu zeigen, dass sie sich ganz alleine an dem Tisch hochgezogen hatte.

 Ich fand es schön wie gut sich die beiden verstanden. Violetta ließ mich langsam los und kuschelte sich an meine Brust. Sie schlief langsam ein. Behutsam hielt ich meine Tochter im Arm und strich ihr die Haare aus dem Gesicht. „Sie sieht dir ziemlich ähnlich!", sagte Madeleine leise und beobachtete uns. „Ja, dass sagt Diego auch immer. Er nennt sie immer Klein-Clari. Dabei finde ich gar nicht, dass sie mir ähnlich sieht...", murmelte ich lächelnd. Als Violetta eingeschlafen war, setzte ich sie wieder auf ihren Platz und schnallte sie an. 

In wenigen Minuten würde das Flugzeug starten. Violetta umklammerte mit ihrer kleinen Hand zwei meiner Finger und ihr Kopf rutschte an meinen Arm. Ich lächelte glücklich und entspannte ein wenig. Das Flugzeug setzte sich langsam in Bewegung. Vilus Griff um meine Finger wurde stärker. Sie wimmerte leise. Als ich sie wieder an sah, starrte sie ängstlich in den Gang. „Ganz ruhig, meine Kleine! Es passiert nichts Schlimmes. Wir fliegen jetzt zu Papa!", hauchte ich sanft und spielte mit einer ihrer Locken. Panisch drückte sie sich an mich. „Feu", murmelte sie leise. 

„Nein, Vilu. Hier ist kein Feuer", redete ich ruhig auf sie ein und streichelte über ihre Schulter. Innerlich wurde mir bewusst, dass Violetta den Absturz damals mitbekommen hatte und das sie gerade panische Angst hatte, dass wir wieder abstürzen würden. Sie bekam Flugangst. „Clari...", murmelte Madeleine unruhig. Sie hatte ebenfalls Angst. 

„Mach dir keine Sorgen, Maddie. Der Flug wird ohne Probleme verlaufen!", beruhige ich sie liebevoll. „Lene!", sagte Violetta und streckte ihren freien Arm nach Maddie aus. Vorsichtig nahm sie Violettas kleine Hand und fuhr sanft über die zarte Haut. Vilu und Maddie wurden beide ruhiger und ich fand es erstaunlich was für eine starke Bindung die beiden doch hatten. 

Claras Vergangenheit ✔Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt