20. Klärende Gespräche

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„Ich kann dich auch verstehen... Als ich dich vor der Haustür gesehen habe... Mein Herz sagte „Du wirst gerettet!", mein Kopf sagte „Was macht der verdammte Idiot da! Kann er nicht begreifen, dass ich ihn vor Angelo schützen will?"... Ich kannte Angelo schließlich schon zwei Jahre, von dem wir ein Jahr lang zusammen gewohnt haben... Wie gewöhnlich, flog ich die Kellertreppe nach unten als du an der Tür geklingelt hast... Als du nach mir gerufen hast... Ich wollte antworten... Ich tat es auch... Nur viel zu leise... Ich hatte keine Kraft mehr... Als Angelo mich dann nach oben holte und ich dich da bewusstlos liegen sah... Es war ein furchtbares Gefühl... Und dann versuchte ich dich zu beschützen... Den ersten Tritt bekam ich ja auch ab... Alle andere konnte ich nicht verhindern...", schluchzte ich und ich spürte wie Diego mich sanft an sich zog.

„Hey, nicht weinen... Ich habe es doch gut überstanden, Kleine... und es ist echt süß von dir gewesen mich zu beschützen zu wollen... So habe ich das im Krankenhaus nicht gesehen...", seufzte er und strich mir behutsam durch die Haare. „Jetzt kannst du es so sehen... Und warum nennst du mich Kleine?", fragte ich und schnieft leise. „Weil ich zu dir ja kaum zu dir Süße sagen kann, wenn du mir das nicht erlaubst... Sonst fauchst du mich nur wieder an!", erklärte er grinsend. Ich stupste ihn sanft an und merkte wie ich immer mutiger wurde. Vorsichtig löste ich mich aus seiner Umarmung und wischte mir die Tränen weg. „Süße würde mir sogar fast noch besser gefallen...", murmelte ich leise und etwas undeutlich. „Was hast du gesagt?", fragte Diego grinsend und ich wusste sofort, dass er mich ganz genau verstanden hatte. „Du hast schon richtig gehört!", lächelte ich frech.

Diego fing an mich zu kitzeln... Warum ist meine größte Schwäche so offensichtlich? Ich fing an zu lachen und versuchte mich immer wieder zu befreien, doch ich schaffte es nie... Erst als mir meine Bluse ein Stückchen hoch rutschte, war bei mir der Spaß vorbei und ich sprang zitternd auf. Diego zog sich sofort zurück und sah mich besorgt an. „Ist alles in Ordnung, Clari?", fragte er mich vorsichtig. Ich nickte nur, wich aber immer weiter zurück, bis ich an die Treppe kam und schnell hoch rannte. Keiner, bis auf die Notärztin, wusste von meinen Narben und ich wollte auch, dass das vorerst auch so blieb... Panisch lief ich in mein Schlafzimmer und warf mich auf mein Bett. Zögerlich zog ich mir meine Bluse ein Stückchen hoch und fuhr mit dem Finger ein paar Narben entlang. Immer wieder liefen mir ein paar Tränen über die Wangen.

„Ach, verdammt... Warum bin ich nur so?", fluchte ich unter Tränen. Langsam setzte ich mich wieder auf und sah in den Spiegel. Meine Haare standen ein wenig zerzaust ab, meine sonst so fröhlich wirkenden Augen, glänzten traurig und waren rot angeschwollen vom weinen. Meine Wangen waren tränenüberströmt... Meine Schultern hingen kraftlos an meinem Körper und ich verkrampfte schon alleine im Sitzen. Mein Brustkorb zitterte durch das weinen und insgesamt war ich schneeweiß... Leise klopfte es an der Tür. Ich überprüfte ob man nichts von meinen Narben sehen konnte und rief dann: „Komm rein, Diego..." Diego betrat unsicher mein Schlafzimmer, doch sein Blick veränderte sich sofort in eine Mischung von Traurigkeit und Besorgnis. „Ist alles in Ordnung mit dir?", fragte er zögerlich. Ich nickte und versuchte die aufkommenden Tränen runter zu schlucken. „Habe ich irgendwas falsch gemacht?", fragte er vorsichtig weiter. Ich schüttelte den Kopf.

„Nein... Es lag an mir... Tut mir leid... Ich wollte dich nicht erschrecken und verunsichern... Reicht doch vollkommen aus, dass ich unsicher bin...", murmelte ich und bemerkte, dass sich doch ein paar Tränen durch gekämpft hatten. Diego sah sich verzweifelt um, war sich aber nicht sicher ob er auf mich zu kommen durfte, was ich mir gerade umso mehr wünschte... „Clari, jeder der dich kennt ist in deiner Gegenwart unsicher, weil er nicht weiß, was du als nächstes machst oder was dich als nächstes verletzt...", erklärte mir Diego verzweifelt. Ich sprang auf. „Ach... Meinst du, ich weiß das nicht? Es fühlte sich einfach nur schrecklich an... Jeder ist vorsichtig, aber ihr seid zu vorsichtig und das verletzt mich erst recht! Ich versuche meine Angst so gut wie möglich zu kontrollieren...

Wirklich! Ich... ich...", rief ich aufgebracht und ich merkte, wie meine Kraft verschwand und ich weinend zu Boden fiel. „Ich hätte es auch fast geschafft...", schluchzte ich dann noch leise. Endlich kam Diego zu mir gerannt und zog mich in seine Arme. „Tut mir leid... Tut mir leid, Clari!", sagte er hektisch und drückte mich fest an sich. „Diego... Ich habe nur eine Bitte an dich...", murmelte ich leise und ich spürte, wie mir die Augen zu fielen vor Erschöpfung. „Was denn, Clara?", fragte er leise. Ich seufzte zögerlich und bevor ich einschlief, sagte ich: „Bitte, verletze mich nie..." Diegos Antwort hörte ich nur schwach. „Das könnte ich nie tun, Clara!" Dann umfing mich nur noch tiefes Schwarz...

Claras Vergangenheit ✔Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt