116. Schmerzen

151 20 3
                                    

Ich spürte ein wenig Gewicht auf meinem Brustkorb und wurde langsam wach. Ich lag im Wohnzimmer auf der Couch, auf meiner Brust lag Violetta und schlief. Ein Notarzt verließ gerade das Haus und Lara kam zurück.

 „Du hattest echt verdammt viel Glück, Clari!", meinte sie und setzte sich neben mich. „Du hast nur ein paar blaue Flecken, eine Beule am Kopf und ein verstauchtes Handgelenk. Aber bitte, sei demnächst vorsichtiger bei der Treppe." 

Ich nickte schwach und drückte meine Tochter an meinen Körper. Sie quiekte leise und kuschelte sich fester an mich. Sanft drückte ich ihr einen Kuss auf die Stirn und strich über ihren Rücken. „Schlaf etwas, Clari! Du bist noch ganz schwach." Leise seufzte ich. Ich könnte wieder Diego sehen! Mein Herz schlug automatisch schneller. 

„Ich will Diego an meiner Seite haben. Er fehlt mir so sehr!", murmelte ich im Halbschlaf und merkte wie mein Kopf langsam zur Seite sackte. „Das weiß ich, Große! Er fehlt uns allen sehr!" Erschöpft schlief ich wieder ein.

„Ach meine Prinzessin. Was machst du nur für Sachen?", weckte mich Diegos sanfte Stimme. Violetta lag noch immer auf meinem Brustkorb. Ich öffnete schwach meine Augen. Diego kniete neben der Couch und sah mich liebevoll an. „Ihr zwei seid echt niedlich zusammen. Vilu ist ein wunderbares Mädchen!", hauchte er und sah zu unserer Tochter. 

„Sie ist sehr intelligent!", murmelte ich erschöpft. „Sie weiß genau worüber wir reden. Sie weiß, dass alle denken, dass du tot wärst. Sie hat mit ihren Spielfiguren die Explosion nachgespielt. Sie bekommt mehr mit als wir denken!" Diego streckte seinen Arm aus und streichelte über ihren Kopf. Verschlafen rieb sie sich die Augen. „Papa?", gähnte sie und sah ihn müde an. 

„Hallo, meine Süße!", antwortete er ihr. Sie fing an zu strahlen, kletterte über mich hinweg und sprang in seine Arme. Kaum hatte er sie in eine Umarmung gezogen, fing er an zu weinen. „Diego...", sagte ich und kletterte von der Couch um mich neben ihn zu setzen. „Ich vermisse euch so sehr!", schluchzte Diego und legte einen Arm um mich.

 „Wir vermissen dich auch! Wir alle!", antwortete ich ihm und küsste seine Wange. Wir rutschten alle näher zusammen und saßen einfach nur da. „Ich werde zurückkommen, Clara! Ich werde von diesem Ort abhauen! Irgendwie komme ich zu euch zurück!", meinte er dann mit fester Stimme. 

Violetta war in seinem Arm wieder eingeschlafen. „Bitte, tue nichts was dich in Gefahr bringt, Diego!", sagte ich leise und bemerkte, wie mir langsam schwarz vor Augen wurde. „Das werde ich nicht, meine Prinzessin!", vernahm ich schwach seine Stimme, bevor ich wach wurde.

 Violetta schlief noch immer und vorsichtig stand ich auf und brachte sie in ihr Zimmer. „Mama... Papa wieder?", murmelte sie im Halbschlaf. „Ich weiß es nicht, Süße. Ich habe keine Ahnung." Vilu seufzte leise und schlief weiter. Ich brachte sie ins Bett und ging dann runter in die Küche, wo Lara und Madeleine singend am Kochen waren. 

Eine Zeit lang stand ich in der Tür und beobachtete die beiden. Madeleine schien sich prächtig mit Lara zu verstehen. Beide tanzten wild vor dem Herd hin und er und nutzten die Kochlöffel als Mikrofone. „Ihr achtet aber schon noch auf das Essen, oder?", lachte ich und meine Schwester und Maddie schrien erschrocken auf.

 „Mensch, Clari!", sagte Madeleine und atmete schwer. „Nie wieder! Mach das nie wieder!", fauchte Lara erschrocken. „Ach, meine Lieben. Ich wollte nur nicht, dass das Essen anbrennt. Ihr schafft das nämlich gerade!", kicherte ich und deutete auf den Topf. „Ach Mist!", zischte meine Schwester und fing an im Topf zu rühren. 

Meine Pflegetochter drückte mich auf einen Stuhl. Der kleine weiße Hund kam auf mich zu und sprang auf meinen Schoß. „Hallo, mein kleiner Vicente", sagte ich leise zu ihm. Er wedelte mit seiner Rute und sprang an meinem Brustkorb hoch, um mir durchs Gesicht zu lecken. „Ich habe dich auch lieb, Kleiner!", lächelte ich und schlang meine Arme sanft um ihn. 

Er fiepte leise und ich dachte erst, dass ich ihm weg getan hätte, doch dem war nicht so. „Er vermisst Diego...", hauchte Lara leise und sah auf den weißen Welpen. „Das tun wir alle...", meinte ich leise. Ich wartete auf das warme Gefühl, das mir zeigte, dass Diego immer bei mir war. Doch dieses Gefühl... Es kam einfach nicht! Es war, als hätte er mich im Stich gelassen.

 Meine Tränen tropften auf Vicentes Kopf, den er vorsichtig hob. Er sprang wieder an mir hoch und versuchte meine Tränen weg zu lecken. „Lege dich wieder hin, Clara! Ich werde mich um Violetta kümmern, wenn sie wieder wach wird!", versprach Maddie mir und sah mich liebevoll an. Ich nickte leicht und stand mit dem Hund auf dem Arm auf. 

 „Sei vorsichtig, Süße!", hauchte Lara leise und widmete sich wieder ihrem Topf. Müde schlurfte ich die Treppe hoch und verzog mich, mitsamt Hund, ins Schlafzimmer zurück. Ich warf mich auf das Bett und vergrub mein Gesicht in Diegos Kissen. Müde und einsam atmete ich den gewohnten Geruch seines Aftershaves ein. 

Ich weinte mich in den Schlaf, in der Hoffnung, dass Diego mich wieder im Traum besuchte. Aber Fehlanzeige. Mein Schlaf blieb traumlos. An Vicente und Diegos Kissen gekuschelt schlief ich dennoch tief und fest. Mein Herz wurde immer schwerer und ich wusste einfach nicht mehr was ich machen sollte.

Mitten in der Nacht wurde ich durch Schmerzen im Bauch wach. Ich krümmte mich zusammen und unterdrückte einen Aufschrei. Vicente saß winselnd neben mir und tippte mich mit seiner kleinen Pfote an. „Hol Hilfe...", bat ich den Welpen mit kratziger Stimme. 

„Wecke Lara oder Maddie!" Der weiße Hund sprang vom Bett und rannte auf den Flur. Wimmernd kauerte ich mich zusammen. Wo war Diego? Er sollte jetzt an meiner Seite sein! Leise schluchzte ich und legte meine Hände auf meinen Bauch. Ich fing erst leise dann immer lauter nach Diego zu rufen. 

Ich hörte eilige Schritte und meine Schwester betrat mit meiner Pflegetochter und dem weißen Welpen den Raum. „Oh mein Gott, Clari! Was ist passiert?", fragte Madeleine mich und musterte meinen Körper. „Sie muss ins Krankenhaus! Sofort!", meinte Lara und drehte sich augenblicklich um. 

Sie verschwand aus dem Zimmer und ich hörte sie leise telefonieren. Leise rief ich immer wieder Diegos Namen. Maddie setzte sich mit dem Welpen neben mich und beide suchten Körperkontakt zu mir. Die Schmerzen nahmen mich immer mehr ein und ich trat immer weiter weg. Als mich eine erneute starke Welle des Schmerzes mich erfasste und ich laut aufschrie, spürte ich plötzlich wieder Diegos Wärme und Nähe.

 Es beruhigte mich etwas. „Ganz ruhig, Prinzessin!", hörte ich seine Stimme in meinem Kopf. „Ich komme zurück! Ich werde wieder an deiner Seite sein!" Leise schluchzte ich vor mich hin. Ich spürte einen leichten Ruck als ich hochgehoben wurde. Die Wärme und Nähe meines Freundes verschwand. Etwas verärgert schlug ich schwerfällig die Augen auf.

 „Ganz ruhig, Clari! Wir fahren dich jetzt in ein Krankenhaus!", hörte ich die vertraute Stimme meines besten Freundes. „Ich will Diego bei mir haben!", weinte ich verzweifelt und drückte ich vor Schmerz an ihn. „Clara...", murmelte er liebevoll und trug mich zum Auto.

Claras Vergangenheit ✔Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt