63. Diegos Buch

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Ich breitete mein Handtuch auf dam Steg aus und blätterte die ersten Seiten des Buches um. Ich fing beim ersten Kapitel an.

>>Er ist tot, Diego...<<, sagte meine Mutter einen Tag vor meinen 14. Geburtstag. >>Sein Flugzeug ist abgestürzt. Wir werden ihn nie wiedersehen!<<, schluchzte sie. Ich war sprachlos. So sehr hatte ich mich darauf gefreut meinen Vater an meinem Geburtstag zusehen und jetzt war er tot. Das konnte nicht wahr sein! >>Du lügst, Mamá! Das stimmt nicht! Er lebt! Er wird morgen kommen! Er wird mich nicht alleine lassen!<<, schrie ich meine Mutter an, die mich tieftraurig an sah. Sie schüttelte den Kopf und nahm mich in den Arm. >>Es tut mir leid, Diego! Er wird nicht mehr zurückkommen!<<, schluchzte sie. Mein Vater war ein großer Historiker, einer der berühmtesten in Spanien. Ich lebte jetzt ungefähr vier Jahre in Argentinien und begleitete meinen Vater in jeder freien Sekunde in seine historische Forschungsstation. Letzte Woche gab es wieder neue Erkenntnisse in Spanien und deshalb flog er nach Europa. Ich konnte mir nicht vorstellen, dass er jetzt nicht mehr leben würde", las ich und legte das Buch zur Seite.

Diego hatte mir von dem Tod seines Vater erzählt, aber das sich die beiden so Nahe standen, dass hatte er mir verschwiegen. Ich legte meinen Kopf auf das Buch. Es war so, als hätte ich ein Teil von Diego bei mir! „So langweilig das Buch?", hörte ich eine Stimme hinter mir. Ich seufzte und starrte auf das Wasser. „Was willst du hier?", fragte ich genervt. „Reden? Zum Beispiel warum du das Buch gekauft hast?", kam es zurück. „Kann dir doch egal sein, Diego! Ich kann kaufen, was ich will und nicht was du willst!", fauchte ich ihn an. „Es tut mir leid... Ich weiß nicht was mit mir los war. Ich war verzweifelt und außerdem dachte ich, du wärst Eze...", gab er leise zu. Ich sah ihn an. „Darum geht es mir gar nicht, Diego! Es tut nicht nur weh, dass du darüber nachgedacht hast, dass wir nur noch Freunde sind. Es verletzt mich noch viel mehr, dass du mir nicht gesagt hast, dass du fast gefeuert wurdest und dann auch noch wegen mir...", murmelte ich traurig. „Maria Clara... Reicht es wenn ich Clara sage? Maria Clara ist immer so lang!", meinte er und lächelte mich entschuldigend an. Ich lachte leicht. „Was meinst du weshalb mich die anderen immer Clara nennen? Ich finde es nur lustig, weil du es wirklich machst! Du bist der einzige, der es wirklich immer macht, wenn ich es sage und das ist echt süß von dir. Aber ich will nicht das du mich Clara nennst", erklärte ich ihm und ich sah seinem traurigen Blick.

„Warum nicht?", fragte er mich bedrückt. Ich grinste frech. „Weil ich will, dass du mich Prinzessin nennst, so wie immer!", murmelte ich lächelnd. Diego fing an zu strahlen. „Meine Prinzessin!", hauchte er glücklich und spielt mit einer Haarsträhne. „Meintest du das vorhin ernst?", fragte er mich leise. „Was meinst du?", antwortete ich mit einer Gegenfrage. „Ich meine, dass du froh bist, das es nicht von mir ist das Kind...", sagte er traurig. Ich setzte mich auf und sah ihn an. „Ich war sauer, Diego... Dann denke ich nicht nach was ich sage... Tut mir leid, was ich gesagt habe! Es wäre echt schön, wenn es von dir wäre", gab ich ehrlich zu und umarmte ihn. Er erwiderte sanft die Umarmung. „Und Danke, Diego...", murmelte ich. „Wofür denn?", fragte er mich verwirrt. „Das du Jorge und Xabi nichts wegen den Narben gesagt hast...", erklärte ich ihm. Diego streichelte sanft über meinen Rücken. „Ach das... Dafür brauchst du dich nicht bedanken! Das habe ich doch gerne gemacht. Das geht dich beiden nämlich gar nichts an, wie meine Freundin aussieht, hab ich nicht recht?", meinte er ruhig. Ich nickte wild. „Trotzdem danke! Aber bitte hör auf dich wegen mir so unter Druck zu setzen, ja? Ich bekomme einige Sachen auch alleine hin!", stellte ich klar. Diego seufzte. „Ich weiß, aber ich will dich doch nur beschützen!", verteidigte er sich hastig. „Das weiß ich ja und ich schätze es sehr an dir!", fügte ich hinzu. Wir lösten uns voneinander. „Du liest ernsthaft mein Buch!", stellte er verblüfft fest. Ich nickte. „Ich bin auf Seite 1 und könnte schon los heulen...", gab ich leise zu.

„Du bist echt süß, Prinzessin", sagte er sanft und drückte mir einen Kuss auf die Stirn. „Lass uns schwimmen gehen!", meinte ich und stand auf. Diego grinste und zog sein Oberteil und seine Schuhe aus. Gemeinsam sprangen wir ins kühle Nass. „Ich liebe dich, Clari!", sagte er zu mir und lächelte. „Ich liebe dich noch viel mehr!", antwortete ich ihm. Er zog mich an sich und ich spürte seine warme Haut auf meiner. Bruchstücke an Erinnerungen kamen mir ins Gedächtnis. Viele Menschen, laute Musik, der starke Geruch von Alkohol. „Ist alles in Ordnung, Prinzessin?", hörte ich Diego fragen. Ich nickte leicht. „Waren wir in letzter Zeit auf irgendeiner Feier?", fragte ich ihn. Diego schüttelte den Kopf. „Nein, nicht das ich wüsste. Wieso fragst du?", gab er nachdenklich zurück. „Ach, ist egal. Los komm, wir wollten schwimmen!", sagte ich und schwamm los. Diego folgte mir langsam. Immer mehr Details kamen mir in den Sinn. Ich sah Cande und Tini. Da waren auch Ezelchen und seine Florencia, wie sie sich küssten. Ich lächelte und drehte mich zu Diego um. „Sicher, dass wir auf keiner Feier waren?", hakte ich wieder nach. Diego holte auf. „Ich habe keine Ahnung... Also ich glaube ich hatte mal geträumt, dass wir auf einer Feier gewesen wären, aber dass ist schon etwas länger her. Das war so kurz nach Madrid. Als Eze nach Deutschland in den Urlaub ist...", murmelte Diego und versuchte sich krampfhaft an etwas zu erinnern. Auf einmal überkam mich ein Schwindelgefühl, so wie letztens beim Dreh. Ich hielt mich an Diego fest und sackte dann langsam in mich zusammen.

„Clari, was ist los?", rief Diego erschrocken und hielt mich fest. „Mir... mir ist fürchterlich schwindelig...", presste ich hervor. Diego schwamm mit mir ans Ufer und trug mich aus dem Wasser. Vorsichtig legte er mich auf meinem Handtuch ab. „Meine Prinzessin... Es wird alles wieder gut werden!", murmelte er etwas unruhig." Arme über den Kopf!", befahl er mir und ich tat es. Ganz vorsichtig zog er mir sein T-Shirt an. Ich lächelte leicht. „Das brauch ich doch gar nicht!", murmelte ich leise. „Ich weiß, aber ich möchte trotzdem das du es hast, Prinzessin!", antwortete er lächelnd und wickelte mich im Handtuch ein. Schnell zog er sich seine Schuhe an, drückte mir das Buch in die Hand und hob mich hoch. „Bin ich dir nicht zu schwer?", fragte ich schwach und versuchte seine Gesichtszüge zu erkennen, die immer mehr vor meinen Augen verschwammen. „Nein, das bist du nicht. Du bist so leicht, ich merke kaum das ich dich trage", hörte ich Diegos Stimme von weiter weg. Alles um mich herum verschwamm immer mehr und auf einmal umgab mich tiefe Dunkelheit.




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