102. Auf der Lichtung

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Der Wind zog eisig kalt über die Wiese. Es war ungewöhnlich kalt für Argentinien. Ich stand auf meiner Lichtung. Seit einigen Monaten wurde hier gebaut. Mein Traum, hier ein eigenes Haus zu bauen, wurde wahr! Maddie saß mit Violetta am Waldrand und sie spielten mit allem was Vilu anschleppte. Diego unterhielt sich mit dem Polier über den weiteren Verlauf der Baustelle. Einige Zeitungen wurden auf uns aufmerksam, die Geschichte von damals wurde erneut aufgerollt. 

Bilder von mir und meiner Familie wurden veröffentlicht, Interviews wurden geführt und dann sahen sie Madeleine und Violetta! Das Vilu eine normale Kindheit haben wird, wurde unmöglich. Wir wurden verfolgt und bedrängt. Die Fans wollten Bilder von ihr, so wie auch die Zeitungen. Jugendzeitschriften berichteten von dem Dielaribaby. Ruhe fanden wir wirklich nur zuhause und am Set oder hier auf der Lichtung. Der Weg zwischen diesen Orten war am schlimmsten. 

Diego versuchte uns zu beschützen, stellte sich wenn es nicht anders, ging vor uns und vertrieb die Reporter. Als Abschreckung wollte er uns einen Hund besorgen. Weniger begeistert war er, als ich mich für einen kleinen flauschigen weißen Welpen entschied. Jedenfalls hatte er seufzend nachgegeben. Ich stand neben Diego, meinem Hund auf dem Arm und seine Hand auf meiner Taille. Ich legte meinen Kopf auf seine Schulter und seufzte. 

„Wenn alles nach Plan verläuft, dann werden wir in zwei Monaten fertig sein!", meinte der Polier und zeigte Diego die Aufzeichnungen. Sie redeten weiter. Ich löste mich von ihm und ging zu den zwei Mädchen. Mein Welpe zappelte auf meinem Arm herum. Vorsichtig ließ ich ihn auf den Boden. Freudig kläffend rannte er auf Maddie zu. „Hallo, Vicente!", begrüßte sie den jungen Hund. Vicente sprang an ihr hoch und leckte ihr durchs Gesicht. Violetta lachte. Eine Bewegung im Wald zog meine ganze Aufmerksamkeit auf sich. „Madeleine, nimm den Hund und geh zu Diego!", murmelte ich zu ihr. Sie folgte kurz meinem Blick und nickte. 

„Mama, los?", fragte Violetta nervös. „Hab keine Angst, Maus. Wir gehen jetzt zu Papa!", beruhigte ich sie und hob sie hoch. Diego kam schon besorgt auf uns zu. „Maddie sagte, da wären Leute im Wald. Stimmt das?", fragte er mich. Ich nickte leicht. „Komm, mache dir da keinen Kopf drum. Das legt sich bestimmt bald", sagte er sanft und zog mich vorsichtig mit sich. „Ich fühle mich unwohl, so, als würde ich verfolgt werde... Was ja auch stimmt!", hauchte ich leise. Diego legte seinen Arm um meine Taille und küsste mich liebevoll. Violetta drückte uns auseinander. 

„Hey, darf ich nicht mal deine Mama küssen?", fragte Diego enttäuscht. „Nein! Mein Mama!", sagte Vilu und drückte sich an mich. Ich grinste frech. „Das hat sie von mir! Ich war früher auch so!", lachte ich. Er schüttelte lächelnd den Kopf. „Ich sage ja, sie unsere Mini-Clari!", grinste er. Ich senkte verlegen den Blick. Es raschelte hinter mir. Diego zog mich sofort mit Violetta hinter sich. Ich hörte Vilu leise wimmern. Scheu sah sie über Diegos Schulter und quiekte dann begeistert. „Lara!", rief sie und zappelte wild auf meinem Arm rum. „Was willst du hier?", fragte ich sie kalt.

 „Ich wollte mich nochmals entschuldigen. Es tut mir wirklich leid, was ich damals gesagt und getan habe. Es war ein Riesenfehler gewesen und das wurde mir erst bewusst als ich euch nicht mehr hatte. Verzeiht mir bitte!", flehte sie uns an. „Lara! Was machst du denn hier?", hörte ich Madeleine hinter uns sagen. Sie hatte den Kontakt zu Lara nicht abgebrochen, aber es kam nur selten vor dass sie sich trafen. „Madeleine", hauchte Lara freundlich. „Bitte, Lara... Geh!", murmelte ich und ging mit Violetta wieder zur Baustelle. 

Diego und Lara unterhielten sich kurz. Ich ging mit Vilu zum Steg. Sie quiekte begeistert und legte sich auf den Boden um mit den Händen im Wasser zu spielen. Ich beobachtete sie weinend. Seufzend ließ ich mich auf das Holz sinken und versuchte die immer wieder kommenden Tränen weg zu wischen. Vilu spielte vergnügt mit dem kühlen Nass. Auf einmal spürte ich eine sanfte Berührung an meiner Schulter. „Lara ist weg", murmelte Diego in mein Ohr. Er legte sanft seine Arme von hinten um meinen Hals und drückte sich sanft an meinen Rücken. „Ich vermisse meine Schwester... Sie fehlt mir! Aber ich kann einfach nicht vergessen, was sie getan hat!", antwortete ich weinend. 

Violetta sah auf und schaute mich traurig an. Sie stemmte sich hoch, wackelte und fiel ins Wasser. Erschrocken sprangen Diego und ich auf. „Violetta!", wimmerte ich. Es war nicht so tief hier an der Stelle. Eigentlich konnte ich darin stehen und das Wasser ging mir gerade bis zur Brust. Für Violetta war es zu tief. Diego sprang ohne zu zögern ins Wasser. Zitternd setzte ich mich an den Rand und starrte weinend auf das Wasser. Es dauerte etwas, doch dann tauchte Diego mit Violetta im Arm wieder auf. Sie schnappte erschrocken nach Luft und hustete schwer. 

Er reichte mir meine Tochter und ich drückte sie sofort an mich. Das Wasser durchweichte sofort meine Kleidung. Diego stützte sich auf das Holz und sah mich beunruhigt an. „Clara, lass uns nach Hause gehen! Violetta muss umgezogen werden und du solltest dich ein wenig beruhigen", sagte Diego leise. Ich sah in seine Augen. Das sonst so klare braun glitzerte trüb. „Danke, Diego!", hauchte ich, lehnte mich nach vorne und küsste ihn sanft. Er erwiderte zögerlich. Nach ein paar Sekunden löste er sich wieder und stemmte sich aus dem Wasser hoch. Die kühle Flüssigkeit lief in Bächen aus seinen Klamotten. Er fing an zu zittern. Violetta spuckte Wasser aus und wimmerte leise. 

„Ihr seid mir sehr wichtig! Ich kann es nicht riskieren euch zu verlieren, Clara!", murmelte er zitternd. Madeleine kam auf uns zu gerannt. „Was ist denn passiert?", fragte sie erschrocken und musterte Diego, Violetta und mich. „Violetta ist ins Wasser gefallen. Diego hat sie gerettet!", erzählte ich leise schluchzend. Maddie nahm mir vorsichtig Violetta aus dem Arm. Ich klammerte mich leicht an meine Tochter. 

„Clari, du bist inzwischen auch klitschnass. Kümmere dich um deinen Freund! Dem ist auch kalt!", meinte sie vermittelnd. Widerwillig überließ ich Madeleine meine Tochter. „Wir gehen nach Hause, Maddie", murmelte Diego zitternd. Sie nickte und lief los. Ich tappte langsam hinter ihr her, bis ich merkte, dass Diego mir nicht folgte. Ich blieb stehen und drehte mich um. Er hatte mir den Rücken zu gedreht und starrte auf das Wasser.  

Claras Vergangenheit ✔Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt