96. Verrat!

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Violetta quiekte leise auf. Diego löste sich von mir. „Angelo oder ich?", stellte er mich ernst vor die Wahl. Ich zögerte etwas. Sein erwartungsvoller Blick wurde dunkel. „Ich schlafe heute Nacht unten. Ich brauche Abstand!", murmelte er beleidigt und kletterte vom Bett runter. „Papa?", fragte Violetta winselnd. „Bleib bei deiner Mutter, Vilu. Sie passt auf dich auf!", sagte Diego leise und ging zu Tür. „Diego, bleib bitte!", bat ich traurig. 

„Warum sollte ich, Clara? Anscheinend liebst du mich doch nicht so sehr, wie du immer meintest!", fuhr er mich an. Violetta zuckte erschrocken zusammen. „Lass uns nicht streiten, wenn Violetta dabei ist! Sie bekommt Angst!", erwiderte ich und zog sanft meine Tochter an mich, die sich an meinen Körper klammerte. „Tut mir leid, Süße!", sagte Diego entschuldigend und ich wusste, dass nicht ich gemeint war. Danach verließ er den Raum. „Lieb, Mama!", murmelte Vilu leise und legte ihren kleinen Kopf auf meinen Bauch. 

„Ich dich auch, mein Schatz!", hauchte ich und strich ihr durch die Haare. Tränen liefen mir über die Wangen und ich machte mir nicht die Mühe sie wegzuwischen. Draußen wurde es schon wieder dunkel. Blöde Zeitverschiebung. Violetta gähnte leise und ich spürte ihren Kopf schwerer werden. Sie schlief auf meinem Bauch ein. Als sie tief und fest schlief brachte ich sie in ihr Zimmer. Alles war still im Haus. Auf Zehenspitzen tapste ich über den Flur zu Madeleines Zimmer. Das Licht brannte, aber sie lag schlafend mit einem Buch in der Hand auf dem Bett. Vorsichtig nahm ich das Buch und legte es leise zur Seite. Danach deckte ich sie zu. 

Sie seufzte leise und sie kuschelte sich ins Kissen. Ich strich ihr sanft ein paar Strähnen aus dem Gesicht und verließ dann leise das Zimmer, nachdem ich das Licht ausgemacht hatte. Laras Zimmer war leer. Wahrscheinlich trieb sie sich noch irgendwo draußen herum. Ich stellte mich an Treppengeländer und sah nach unten. Auch im Wohnzimmer brannte noch Licht. Sollte ich gehen oder nicht? Ich entschied mich dazu mal zu gucken. Leise tapste ich die Treppe nach unten. Je näher ich dem Wohnzimmer kam, desto deutlicher vernahm ich zwei Stimmen, die leise miteinander diskutierten. 

„Wir sollten es ihr sagen, Diego! Besser wir sagen es ihr, als wenn sie es anders herausfindet!", hörte ich eine weibliche Stimme sagen, die mir sehr bekannt vor kam. „Sie wir uns hassen, Lara! Du kennst sie!", erwiderte Diego. Worüber sprachen die beiden und wem sollten sie was sagen? Etwa mir? „Sie wird uns nicht wirklich hassen, Diego. So schlimm war das doch auch wieder nicht oder hat es dir nicht gefallen?", meinte Lara kichernd. „Lara, wir reden hier von deiner Schwester und der Frau, die ich vom ganzen Herzen liebe! Natürlich ist das schlimm! Wenn sie das herausfindet, dann sind wir tot...", zischte Diego leise.

 „Übertreib doch nicht so! Ihr habt euch ein dreiviertel Jahr nicht gesehen, da darf das schon mal passieren!", versuchte Lara ihn zu beruhigen. Wovon sprachen die beiden? Diego schien jedenfalls nicht so begeistert zu sein. „Nein, Lara! Das darf es eben nicht!", fuhr er sie an. Sofort zischte sie leise. „Sei leise oder willst du, dass sie uns hört? Dann kannst du gleich zu ihr gehen und ihr sagen, dass du mit mir fremdgegangen bist!", fauchte sie ihn an. Er hatte bitte was getan?! Fassungslos stand ich neben der Tür und versuchte zu begreifen was Lara gerade gesagt hatte. 

„Ja, sorry... Sie darf es trotzdem nie herausfinden! Versprich mir, dass du ihr nichts davon erzählst!", bettelte Diego meine kleine Schwester an. Wut kochte in mir hoch. Ich betrat den Raum. „Das brauch sie gar nicht, weil ich es längst weiß!", keifte ich. Beide drehten sich erschrocken zu mir. „Clara... Ich... Es war... Das wollte ich nicht!", verteidigte sich Diego sofort. Lara lachte. „Diego, du hast mich verführt, nicht ich dich! Halte dir das mal vor Augen, bevor du irgendeinen Müll daher redest!", korrigierte Lara ihn. „Ihr habt mich beide verraten! Was habt ihr euch dabei gedacht?", schrie ich die Beiden an. 

„Lara, du bist meine Schwester! Du solltest wissen wie viel mir Diego bedeutet und du, Diego! Wie dreist kannst du eigentlich sein? Du willst mich heiraten, aber machst hinter meinem Rücken mit meiner jüngeren Schwester rum? Ich hasse dich! Ich hasse euch beide!" Wütend riss ich mir die Kette vom Hals und schmiss sie zu Boden. Verletzt und enttäuscht von meiner Schwester und meinem Freund rannte ich die Treppe hoch und holte Violetta. „Was hast du vor?", fragte Lara mich mit zitternder Stimme. Ich lief zum Medikamentenschrank und nahm eine Packung Tabletten heraus. „Ich werde das tun, was ich vor langer Zeit schon hätte tun sollen!", schrie ich sie an. 

Violetta fing an zu schreien. „Clari? Wo willst du hin?", hörte ich Maddies Stimme von oben. „Ich muss hier weg! Weg von den ganzen Verrätern!", fauchte ich. Madeleine kam die Treppe runter. „Zähle ich da auch zu?", fragte sie traurig. Mein Herz wurde schwer. Ich drückte ihr die schreiende Violetta in den Arm und drückte beiden einen Kuss auf die Stirn. „Ich habe euch beide sehr lieb! Vergesst das nie!", murmelte ich traurig, dann rannte ich raus. Hinaus in den Wald zur Lichtung. Schluchzend rannte ich die Wiese hinunter. Durch die Tränen und der Dunkelheit sah ich die Person, die dort saß nicht und fiel über sie hinweg. „Clara! Hey, Prinzessin! Ist alles in Ordnung?", fragte Diego besorgt. 

„Nenne mich nie wieder Prinzessin! Du hast mich betrogen! Ich habe dir verdammt nochmal vertraut! Warum tust du mir nur so was an? Und dann auch noch mit meiner Schwester!", schluchzte ich und versuchte ihn an zu schreien. „Jetzt lass mich in Ruhe!" Ich lief weiter zum Steg. Das Holz stach dunkel im Mondlicht hervor. Im Wasser spiegelten sich die Sterne. Ich ließ mich auf das kalte Holz fallen und zog die Tabletten aus meiner Hosentasche. 

Wie viele musste ich nochmal davon nehmen bis es zum Tod führte? Lieber gehe ich auch Nummer Sicher und nehme alle! Hinter mir hörte ich Diegos Handy piepen. Kurz darauf fing er an zu fluchen. „Clara! Nein, lass das sein!", schrie er und rannte auf mich zu. Ich hörte nicht auf ihn. Bevor er bei mir ankam hatte ich alle Tabletten geschluckt.

Claras Vergangenheit ✔Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt