78. Feuer im Flugzeug

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Madeleine sah uns an. „Warum gehst du eigentlich nach Italien?", fragte sie mich. Ich seufzte. „Ich werde dort eine kleine Serie drehen. Außerdem brauche ich Abstand... Mein Leben ist nicht so schön wie meine Fans denken... Aber das ist ja auch egal. Ich bin Mutter und Violetta ist zurzeit mein ganzer Stolz", erzählte ich ihr und widmete mich meiner Tochter, die beim Trinken eingeschlafen war. Als ich ihr die Flasche jedoch wegziehen wollte, schlug sie die Augen wieder auf und nuckelte eilig weiter. „Langsam, Süße. Nicht das du dich noch verschluckst!", sprach ich besänftigend auf das kleine Wesen in meinen Arm ein. Violettas Augen funkelten leicht und sie sah sich suchend um.

Als sie fertig war, legte ich mir ein Tuch über die Schulter und ließ Violetta ihr Bäuerchen machen. Ich hörte wie Vilu leise vor sich hin brabbelte und mir leicht auf die Schulter schlug. Madeleine sah uns dabei zu. „Kann sie schon reden?", fragte Maddie leise. Ich schüttelte den Kopf. „Nein, das dauert bestimmt noch...", antwortete ich sanft. „Woher weißt du dann was sie will?", kam die nächste Frage. „Ich weiß es einfach. Ich spüre es, weißt du? Natürlich gibt es Situationen wo ich selbst überfordert bin, aber ich weiß immer was ich zu tun habe", erklärte ich ihr und legte Violetta wieder in den Maxi-Cosi zurück. „Ich will auch irgendwann eine Tochter haben... Ich will sie Clara nennen", murmelte Maddie und sah Violetta wieder sanft an.

„Clara? Meinen Namen?", fragte ich sie überrascht. Madeleine hob ihren Kopf und lächelte mich freundlich an. „Clara ist ein wunderschöner Name und außerdem würde ich dich nie vergessen! Abgesehen davon hieß meine Lieblingstante auch Clara. Sie starb aber letzte Woche bei einem Autounfall...", flüsterte sie und ich sah wie ihr Tränen über die Wangen liefen, als sie von ihrer Tante erzählte. „Komm mal her!", meinte ich sanft und zog sie, an Violetta vorbei, neben mich. Ich legte meine Arme um sie und zog Maddie in eine Umarmung. Sie klammerte sich geradezu an mich. „Das mit deiner Tante tut mir leid... Sie war bestimmt eine wunderbare Frau!", murmelte ich ihr ins Ohr. Madeleine löste sich etwas von mir.

„Sie war so alt wie du... Sie wurde auch am 2.2.1990 geboren. Sie hatte lange schwarze Haare, ähnlich wie die von Lodovica nur länger, ihre Augen waren so blau wie deine und haben immer gefunkelt wie tausend Diamanten, wenn sie glücklich war. Mit ihrer lebensfrohen Art hat sich mich immer aufgemuntert, wenn es mir schlecht ging. Sie war einfach perfekt für mich!", murmelte sie leise. Ich hörte ihr aufmerksam zu. „Sie wird aber immer in deinem Herzen weiterleben! Man ist nie wirklich tot, denn es sind die Freunde und Verwandte, die dich am Leben erhalten. Sie ist da, obwohl niemand sie sehen oder hören kann. Du kannst nicht mit ihr reden und doch weißt du, dass sie immer für dich da ist!", hauchte ich sanft. Madeleine sah mich an.

„Wie schaffst du es nur, so etwas Wundervolles zu sagen und mir gleichzeitig das Gefühl zu geben, dass du recht hast und das du aus eigener Erfahrung sprichst?", fragte sie mich nachdenklich. „Weil es die Wahrheit ist, Madeleine!", sagte ich nur und umarmte sie noch einmal. Leise schluchzte sie auf und drückte mir ihren Kopf ans Schlüsselbein. Behutsam und vorsichtig strich ich über ihren Rücken. Ihr Vater war mit einer Zeitung in der Hand eingeschlafen. Madeleine beruhige sich langsam wieder und ihre Atmung wurde gleichmäßiger. Etwas benommen hob sie den Kopf. „Ich denke, ich sollte langsam mal ein bisschen schlafen... Ich habe seit ihrem Tod nicht mehr geschlafen", gab sie leise zu und wollte sich wieder auf ihren Platz setzen, doch als sie beim aufstehen fast fiel, zog ich sie zurück neben mich.

„Du kannst auch gerne hier schlafen, das ist bestimmt sicherer!", meinte ich sanft und strich ihr eine Haarsträhne aus ihrem verweinten Gesicht. Sie kaute wieder auf ihrer Unterlippe und sah mich mit, vom weinen, rot angeschwollenen Augen an, doch dann nickte sie zustimmend. Vorsichtig kuschelte sie sich an mich und legte mir ihren Kopf auf die Schulter. Sie schlief ein und ich ebenfalls. Es war ein ereignisreicher Tag gewesen, der meine Nerven mehr als nur strapaziert hatte. Als ich wieder aufwachte, flogen wir gerade über Rom. In ein paar Minuten würden wir landen. Sanft weckte ich Madeleine, die auf meinem Schoß noch immer schlief. Verschlafen hob sie den Kopf. „Hm?", machte sie leise. „Wir sind da!", flüsterte ich sanft. Sie nickte leicht und kämpfte sich auf die Beine um sich wieder auf ihren Platz zu setzten. Dieses Mal schaffte sie es.

Wir schnallten uns an. Kurz bevor wir zum Landeanflug ansetzen konnten, wurde eine Durchsage gemacht, die mir das Blut in den Adern gefrieren ließ. Das Flugzeug müsste sofort notgelandet werden, da im hinteren Teil des Flugzeugs ein Feuer ausgebrochen war. Es herrschte sofort große Panik im Flugzeug. Die meisten holten ihre Handys raus und schrieben Nachrichten an ihre Familien oder telefonierten mit ihnen. Das Flugzeug fing an zu wackeln und Violetta fing an zu kreischen. Ich sang ihr etwas vor und es beruhigte sie ein wenig. Madeleine redete auf ihren Vater ein, der auf seinen Sitzplatz saß und nicht mehr reagierte. Zitternd strich ich über Violettas Bauch und holte mit der anderen Hand mein Handy aus der Tasche. Rauch breitete sich langsam hier aus.

Ich fing an ein wenig zu filmen und stellte es auf Insta. Wenige Sekunden später klingelte mein Handy. Es war Lara. Ich fing an zu schluchzen und ging dran. „Lara?", fragte ich und versuchte die panischen Schreie der Menschen auszublenden. „Nein, nicht Lara, Diego! Ich habe über Laras Handy angerufen, damit du auch dran gehst! Was ist los, Clari? Ich habe das Video gesehen! Lara hat es mir gerade gezeigt!", redete er aufregt drauflos. Es war schön seine Stimme zu hören. „Es tut mir fürchterlich leid, wie ich mich verhalten habe! Bitte verzeih mir! Ich war nur so fürchterlich wütend und enttäuscht gewesen... Ich liebe dich, Diego!", schluchzte ich panisch. „Verdammt, Clara!", schrie er mich gerade an. „Sag mir was los ist! Ich habe gerade fürchterliche Angst um dich!" Ich wollte ihm gerade antworten, als ein Ruck durch das Flugzeug ging und der Strom ausfiel.

Eine Stewardess rief laut in den Gang: „Wir stürzen ab!". Das war der Moment, wo alle für einen kurzen Moment leise waren und kurz darauf anfingen zu kreischen. „Vergiss uns nie, Diego... Wir lieben dich beide sehr!", hauchte ich und legte auf. Ich nahm Violetta wieder in meinen Arm und drückte sie ganz fest an mich. Die Wolken zogen schnell an uns vorbei und ich sah den Boden immer näher und näher kommen. Immer mehr Rauch breitete sich in dem kleinen Raum aus und wir fingen alle an zu husten. Ich hatte Angst! Angst um mich, Angst um Violetta, Angst davor nie wieder zurück zu können! Noch ein Ruck und der Strom war wieder da.

Das Tempo verringerte sich etwas und mit einem festen Aufschlag, landeten wir neben Rom auf einem Feld. Das Flugzeug zerriss in der Mitte und es folgen überall Stücke des Flugzeuges rum. Schwarze Rauchschwaden suchten ihren Weg nach draußen. Ich schnallte mich ab und suchte mit Violetta auf dem Arme ebenfalls einen Weg nach draußen. Ich stolperte über leblose Körper hinaus in die Freiheit.


Claras Vergangenheit ✔Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt