44. Falsche Interpretation?

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Stundenlang saß ich weinend am Wasser und langsam wurde es dunkel. Ich fing langsam an zu frieren, aber ich dachte nicht im Traum daran mir mein Kleid anzuziehen. „Clara! Hier bist du!", hörte ich Laras Stimme. „Lara...", hauchte ich verweint. Sie kam auf mich zu gerannt. Sie schnappte sich meine Sachen von der Wiese und brachte sie zu mir. „Hey, was ist denn passiert? Du bist ja vollkommen fertig! Soll ich Diego holen?", fragte sie mich besorgt. „Halt mir Diego bloß vom Leib! Der ist doch an meinem Zustand schuld!", murmelte ich wütend und verletzt zugleich. „Hier, zieh dir erstmal deine Sachen an, Clara! Du bist total am Zittern und deine Haut ist eiskalt!", sagte Lara und drückte mir mein Kleid in die Hand. Ich zog es mir über den Kopf und Lara legte mir mein Handtuch um die Schultern. Ich drückte mich an sie und fing wieder an zu weinen. Sanft rieb sie meine Haut warm und drückte mich an sich. „Was ist denn passiert, Clari?", fragte sie ruhig.

„Diego hat mich geschlagen...", schluchzte ich. „Das hat er nicht!", rief Lara ungläubig aus. „Doch, das hat er... Angefangen hat es damit, dass wir schwimmen gehen wollten... Hier wollte er mich dann küssen, doch ich bin ihm ausgewichen. Seitdem hat er sich merkwürdig Verhalten und als ich ihn gefragt hatte, warum er so wäre meinte er, dass er darüber nach dachte Violetta aufzugeben und zurück nach Spanien zu gehen... Dann haben wir uns gestritten. Er meinte, ich hätte Angst davor, dass sich keiner mehr nach ihm für mich interessieren würde. Ich daraufhin meinte, dass er nicht anders wäre wie Brutus und Angelo. Danach hat er mich geschlagen... Wie konnte ich mich nur so in ihm täuschen?", schluchzte ich verzweifelt. Lara zog mich ganz fest an sich. „Lass uns nach Hause gehen, Clara. Da ist es warm und ich denke, du solltest etwas schlafen! Morgen können wir dann weiter reden! Das wird sich schon alles wieder klären. Glaube mir, dass war bestimmt keine Absicht...", versuchte sie mich zu beruhigen.

„Vielleicht hast du ja recht...", murmelte ich erschöpft und kämpfte mich auf die Beine. Lara blieb sitzen. „Clara?", fragte sie mich leise. Ich drehte mich zu ihr um. „Was ist denn?" „Danke, dass du meine Schwester bist!", sagte sie sanft und stand auf. „Nein, ich muss dir danken, dass du meine Schwester bist! Was würde ich jetzt nur ohne dich machen?", fragte ich sie und schloss sie in die Arme. „Ich habe dich so verdammt lieb!", hauchte Lara und drückte mich fest. Ich strich sanft über ihre Haare. „Ich dich auch, Kleine!" Vorsichtig drückte ich ihr einen Kuss auf die Stirn. „Nun, komm! Es wird dunkel!", sagte ich und zog Lara mit mir. Sie folgte mir brav und überholte mich relativ schnell. „Ich kann mir gar nicht vorstellen, dass Diego dich geschlagen hatte... Das würde er doch nie tun!", murmelte Lara leise neben mir. Ich zuckte mit den Schultern und lief weiter barfuß, mit den Schuhen in der einen und dem Handtuch in der anderen Hand, durch das weiche grüne Gras. Der Wind rauschte in den Blättern der Bäume und der See plätscherte leise.

Diese friedliche Idylle hatte etwas Beruhigendes. „Er hat es aber getan. Zwar hat er sich entschuldigt, aber ich kann es ihm nicht verzeihen! Jedenfalls noch nicht... Trotzdem will ich ihn nie wiedersehen!", seufzte ich und sah noch einmal auf den See, bevor wir durch das Tor gingen. Ich zog schnell meine Schuhe an und kletterte durch den Busch hindurch. Lara fluchte wieder. „Dieses verdammte Scheißteil! Können wir es nicht jetzt schon weg machen?", fragte sie mich und sah genervt den Strauch an. „Nein! Wenn wir ihn weg machen, dann werden die Leute das Tor sehen und jeder würde das Grundstück betreten! Dann hätten wir da keine ruhige Minute mehr", meinte ich und setzte erschöpft den Weg fort. „Da klettere ich lieber weiter durch das Ding, als meine Lichtung herzugeben! Weg kommt er erst, wenn ich das Haus gebaut habe und dann werden wir alle da einziehen! Das kannst du mir glauben!" Lara holte wieder auf und grinste mich an. „Wer sind denn wir alle?", fragte sie mich neugierig. Ich legte den Kopf etwas schief und antwortete ohne nachzudenken: „Na, Du, Diego und ich!" Lara quiekte plötzlich auf und sprang mir in den Weg.

„Weißt du eigentlich gerade was du gesagt hast?", lachte siebegeistert. Ich blieb stehen und sah sie irritiert an. „Das wir beide da einziehen werden! Du ziehst doch mit mir da ein, oder?", fragte ich sie. „Ja, klar! Natürlich werde ich das machen! Aber das meine ich doch gar nicht! Du hast Diego auch mit aufgezählt! Auch wenn er dich geschlagen hat, dir liegt sehr viel an ihm und das wird dir niemand nehmen können! Unbewusst hast du ihm schon verziehen!", rief sie begeistert und tanzte fröhlich über den Waldboden. Ich musste grinsen. „Du magst ihn sehr, hab ich recht?", fragte ich sie sanft. Sie nickte wild. „Ja, klar! Er ist wie ein Vater für mich, weil er weiß, dass es dich glücklich macht, wenn ich glücklich bin! Das hat er mir selbst gesagt und auch so mag ich ihn sehr, denn jeder sieht ihm an, dass er alles für dich tun würde!", schwärmte Lara gedankenverloren. Ich musste sofort an den Vorfall heute mittag denken. Der Fahrer und seine Freundin dachten es nicht, aber gut. Die beiden hatten uns auch gerade während einer Meinungsverschiedenheit gesehen. „Bitte, Clari! Tue es für mich!", flehte Lara mich gerade an. „Was soll ich tun?",fragte ich verwirrt nach. „Sag mal, hast du mir nicht zu gehört?", fragte sie mich entrüstet, fing dann aber an zu grinsen.

„Du hast an Diego gedacht, stimmt's?", fügte sie hinzu. Ich seufzte grinsend. Ich konnte ihr ja eh nichts vormachen. „Ja, ich habe an Diego gedacht. Eher gesagt an einen Vorfall vorhin", antwortete ich ihr ruhig. „Wegen deinen Narben?", fragte Lara mich gleich. Ich schüttelte den Kopf. „Nee, meine Narben hatte er zwar erschrocken hingenommen, aber darauf spricht er mich nicht mehr an. Ich glaube, die sind ihm relativ egal... Außer als er meinte, dass ich Angst hätte, dass sich niemand mehr für mich interessieren würde, wenn er gehen würde. Als ob er der einzige Mann wäre, der hier lebt. Er wusste jedenfalls, wie sehr er mich damit verletzen würde und ich wusste genau, dass es eine Anspielung auf meine Narben war. Er hatte das mit Absicht gesagt!", fauchte ich leise und spürte Tränen der Wut aufkommen. Lara strich mir über die Schulter. „Vielleicht sollte das nicht als Beleidigung rüber kommen, sondern... Anders!", meinte sie ruhig. Ich lachte ironisch. „Wie denn bitte anders?", lachte ich und ging langsam weiter.

Lara direkt neben mir. „Vielleicht wollte er damit auch sagen, dass du ihm sagen sollst, dass er wegen dir bleiben soll, meinst du nicht?", sagte sie und sah mich an. „Ich habe keine Ahnung, was du meinst...", stellte ich sofort klar und sah sie entschuldigend an. Sie seufzte kurz und atmete dann tief durch. „Er hat doch gesagt, dass er darüber nachdenkt mit Violetta aufzuhören um zurück nach Spanien zu gehen. Vielleicht hat er das mit deinen Narben nur gesagt, damit du ihm sagst, dass du keinen anderen haben willst außer ihm und das er nicht gehen soll! Kann doch sein das er diese Bitte einfach nur in einem falschen Wortlaut rüber gebracht hatte...", versuchte mir Lara zu erklären. „Ja, vielleicht, aber du hast seine Stimme nicht gehört. Als er das gesagt hatte, da war er so kalt zu mir... Aber ich hatte keine Angst vor ihm. Wenn er in letzter Zeit so zu mir war, dann hatte ich immer gleich Angst vor ihm, aber vorhin... Da war keine Angst und dann hat er mich geschlagen", seufzte ich. „Vielleicht hätte ich ihn nicht mit Brutus und Angelo vergleichen dürfen... Da bin ich dann wohl zu weitgegangen." Lara betrachtete mich traurig. Gemeinsam verließen wir den Wald und kletterten über die Mauer. In meinem Schlafzimmer brannte Licht. „Ist Diego da?", fragte ich Lara.

Sie zuckte verwundert mit den Schultern. „Also als ich dich gesucht habe, war ich alleine gewesen. Da war kein Diego. Das wüsste ich!", beteuerte Lara und sah mich unruhig an. „Was wenn das ein Einbrecher ist?" Ich schüttelte den Kopf. „Das ist bestimmt kein Einbrecher! Ich habe bestimmt das Licht angemacht, als ich vorhin da war und weil es draußen so hell war, habe ich vergessen es auszumachen. Geh du ruhig nach Hause. Ich möchte heute nach gerne alleine sein", beruhigte ich sie und ging zur Terrassentür und drückte sie auf. Lara nickte. „Wahrscheinlich hast du recht. Wenn was ist, dann rufst du mich aber sofort an, ok?", fragte Lara mich und ich nickte hektisch. Lara lächelte beruhigt und umarmte mich kurz. „Gute Nacht, große Schwester! Hab dich lieb!", hauchte sie. „Dir auch eine gute Nacht, kleine Schwester! Hab dich auch lieb!",antwortete ich ihr leise und drückte ihr ein Kuss auf die Wange. Lara löste sich und ging fröhlich vom Grundstück. Ich verschloss die Terrassentür und ging nach oben. Als ich vor meiner Schlafzimmertür stand, atmete ich tief durch und betrat den Raum. Ich glaubte nicht, was ich da sah.



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