Kapitel 2 - 1001 n.Chr.

2.6K 101 13
                                    

"Guten Morgen, Alexandra", flüsterte eine leise Stimme hinter mir und ich drehte mich sofort lächelnd zu ihr um. Ohne zu zögern ließ ich die Kräuter fallen, die ich gerade eben noch für unser Abendessen gesammelt hatte und schlang augenblicklich meine Arme um den Mann hinter mir.

"Guten Morgen, Elijah", antwortete ich leise und grinste ein wenig, während er mich an sich drückte.

Nach einigen Sekunden löste er sich wieder von mir und sah mir tief in meine blauen Augen. "Ich habe meinen Eltern gesagt, ich gehe jagen, ich habe also einen ganzen Tag Zeit für dich. Wie sieht es bei dir aus, hast du die Zeit für einen kleinen Spaziergang?"

Wir führten diese heimliche Freundschaft mittlerweile schon seit einem Jahr. Nur seine Geschwister wussten, dass wir uns überhaupt nahestanden, aber für mich war Elijah in nur kurzer Zeit zu meinem besten Freund hier geworden. Irgendetwas an seiner Familie hatte mich schon immer fasziniert. Vielleicht war es die Tatsache, dass die Geschwister alles füreinander tun würden. Ich war Einzelkind und beneidete sie manchmal um diese enge Beziehung. Elijah war der ehrenhafteste von allen, immer darauf bedacht, die Familie zusammenzuhalten und Streitigkeiten zu schlichten. Er war der Beste der Geschwister, zumindest in meinen Augen. Und er war ein ebenso guter Freund wie er ein Bruder war.

"Mein Vater erwartet mich erst in mehreren Stunden zurück, also ja, gerne", antwortete ich ihm und hakte mich bei ihm unter, bevor wir losliefen.

"So etwas haben wir schon viel zu lange nicht mehr gemacht", sagte Elijah nach einiger Zeit in die Stille und ich nickte zustimmend.

"Allerdings. Es ist schwierig, wenn man immer alles im Geheimen tun muss und nur deine Geschwister und wir hiervon wissen."

"Wirst du mir irgendwann noch einmal den Grund verraten, wieso das hier notwendig ist? Befürchtest du, dass jemand unsere Freundschaft... misinterpretieren könnte?"

"Nein, ich habe keine Angst davor, dass potentielle Ehemänner von dir abgeschreckt werden könnten, wenn du das meinst", lachte ich leise.

"In Ordnung, aber wenn es das nicht ist, was spricht dann dagegen, uns in der Öffentlichkeit zu zeigen? Es ist nicht so als wären Freundschaften hier verboten."

"Was dagegen spricht, ist die falsche Frage. Das eigentliche Problem ist, wer dagegen spricht. Und das ist mein Vater. Ich wünschte, ich könnte dir sagen, wieso er so eine Abneigung gegen dich und deine Familie hegt, aber dieses Geheimnis vertraut er selbst mir nicht an."

"Das ist wirklich außerordentlich seltsam. Du hast doch ansonsten so eine enge Bindung zu ihm", flüsterte Elijah nachdenklich und ich sah konzentriert auf den Waldboden vor uns.

"Ja, das habe ich. Aber sobald ich dieses Thema anspreche, weist er mich jedes Mal zurück." Leise seufzte ich auf und fuhr durch meine langen Haare. "Ich fühle mich schlecht, Elijah. Mein Vater hat nur von mir verlangt, mich von dir und deiner Familie fernzuhalten. Aber ich will unsere Freundschaft auch nicht einfach aufgeben, nicht ohne Grund. Es fühlt sich trotzdem an, als würde ich ihn hintergehen." Augenblicklich blieb Elijah stehen, nahm meine Hände in seine und sah mir fest in die Augen.

"Du hast keinen Grund dazu, dich schlecht zu fühlen, Alexandra. Er ist es, der dein Leben bestimmen möchte, nicht umgekehrt. Du bist alt genug, um eigene Entscheidungen zu treffen, du schuldest ihm nichts."

Die Wölfin - The Originals FFWo Geschichten leben. Entdecke jetzt