Kapitel 122 - 20. Oktober 2013

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Nachdenklich musterte ich Davina von der Seite, während wir zurück zum Friedhof liefen. Wir kamen gerade von dem Ort, an dem Hayley Kara und zehn weitere Hexen gestern Abend umgebracht hatte. Davina hatte ihre Rolle gut gespielt, sie hat sich nicht anmerken lassen, dass sie selbst für diese Tode verantwortlich war, aber trotzdem machte ich mir Sorgen um sie. Es war schwer gewesen, mit anzusehen, wie der Sohn von Kara neben dem Körper seiner Mutter zusammengebrochen war und trotzdem hatte Davina noch die Kraft gefunden, eine Rede an die Hexen zu halten, dass sie sich ihr anschließen sollten, damit so etwas nicht noch einmal passiert.

Meine Freundin war wirklich stark gewesen, aber ich merkte, dass es nicht mehr lange dauern würde, bis sie zusammenbrechen würde. Sie war nicht der Typ Mensch, der so etwas ohne Bedauern tat. Als sie die Entscheidung getroffen hatte, Hayley auf Kara loszulassen, hatte sie unter enormen Druck gestanden, aber so ein Massaker hatte sie nie gewollt. Es war nur verständlich, dass sie jetzt Schuldgefühle hatte.

"Davina, es ist okay, wenn du-", fing ich leise an, hielt dann aber inne.

"Was ist los?", fragte Davina sofort und sah sich besorgt um.

"Jemand ist auf dem Friedhof. Ein Vampir. Ich glaube, es ist Marcel", antwortete ich. "Wir können wieder umdrehen, wenn du willst, und einfach nach Hause gehen."

"Nein, ich werde mich nicht verstecken. Erst recht nicht vor Marcel."

Entschlossen ging sie weiter und ich erkannte schnell, dass es tatsächlich Marcel war, der schon auf uns wartete. "Ich habe gehört, was passiert ist", sagte er statt einer Begrüßung und ich beschloss, mich erst mal im Hintergrund zu halten. Ich konnte mir vorstellen, dass es Davina gut tun würde, vielleicht mit Marcel über alles zu sprechen. Doch bevor sie etwas sagen konnte, redete Marcel weiter. "Bitte sag mir, dass nicht du das warst."

Sofort verschränkte Davina ihre Arme vor der Brust und stellte sich aufrechter hin. "Ich hatte keine Wahl. Sie haben nicht auf mich gehört. Ich musste etwas unternehmen", antwortete sie kühl.

"Ist das dein Ernst? Das kannst du doch nicht wirklich so meinen. Das sind deine Leute, Davina, du hast Verantwortung für sie!"

Gedanklich seufzte ich auf, als Marcel ihr diese Vorwürfe machte. Er musste doch wissen, dass das nicht der richtige Weg war, um Davina dazu zu bringen, sich zu öffnen.

"Meine Leute? Die Hexen haben mir so viel angetan, hast du das etwa schon vergessen? Du warst es doch, der mir beigebracht hat, dass man manchmal Opfer bringen muss, um sein Ziel zu erreichen."

"Aber Mord ist doch keine Lösung! Das bist nicht du, Davina. Du hättest nie Regentin werden dürfen."

"Tja, dafür ist es zu spät. Ich bin nur Regent geworden, um Kol zurückzuholen, aber das ist wegen den Mikaelsons nicht mehr möglich. Es war umsonst. Trotzdem habe ich jetzt eine Verantwortung, wie du so schön gesagt hast. Und damit gehe ich so um, wie ich es für richtig halte. Und du als Vampir hast nicht dabei mitzureden, wie ich die Hexen regiere. Genau genommen solltest du gar nicht hier sein. Also verschwinde und halte dich aus meinen Angelegenheiten raus."

Entschlossenen Schrittes ging Davina an Marcel vorbei und ich griff nach seinem Arm, als er ihr nachlaufen wollte. "Lass sie", flüsterte ich ihm leise zu. "Ich kümmere mich um sie, aber du machst gerade nur alles schlimmer. Sie macht sich selbst genug Vorwürfe, da kann sie deine nicht auch noch gebrauchen."

Leise seufzte Marcel auf, nickte aber. "Wie du meinst. Ich wollte übrigens auch noch mit dir reden. Es geht um..."

"Nicht jetzt, Marcel", unterbrach ich ihn. "Ich habe jetzt keine Zeit und du solltest wirklich gehen. Wir treffen uns morgen, ja?"

Ohne ein weiteres Wort drehte ich mich um und folgte Davina in die Gruft, in der sie schon seit einer Ewigkeit versuchte, einen neuen Zauber für Kol zu finden. Auch jetzt war sie dabei, hektisch in ihren Unterlagen herumzuwühlen und ich griff sanft nach ihrer Hand.

"Davina", flüsterte ich leise und drehte sie vorsichtig zu mir um. "Es ist alles gut. Wir sind allein."

Als hätte sie nur auf diese Worte gewartet, lockerten sich ihre Schultern und ein Schluchzen brach aus ihr heraus, bevor sie sich gegen mich lehnte. Sofort legte ich meine Arme um sie und drückte sie an mich, um ihr den Halt zu geben, den sie so sehr brauchte.

"Sie sind tot", schluchzte Davina leise, während ich ihr beruhigend über die Haare strich. "Sie sind alle tot, nur wegen mir."

"Shh, ich weiß... Aber das wird nicht noch einmal passieren. Du dachtest, du tust das Richtige. Du konntest nicht wissen, wie das enden würde. Es wird alles wieder gut."

Meine Freundin antwortete nichts mehr und drückte sich nur näher an mich. Ich würde es nie so sagen wie Marcel, aber ich wünschte, Davina hätte sich nie darauf eingelassen, Regentin zu werden. Sie stand unter so einem enormen Druck, dass sie irgendwann noch darunter zusammenbrechen würde.

Die Wölfin - The Originals FFWo Geschichten leben. Entdecke jetzt