Nach einigen Stunden war mein anfänglicher Optimismus verflogen. Ich hatte gehofft, noch einmal in Ruhe mit meinem Halbbruder reden zu können, aber er war nirgendwo aufzufinden. Ich war schon kurz davor, einfach aufzugeben, als Davina mich anrief und mich aufforderte, zu ihr und Josh zurückzukommen. Sie hatte eine Theorie, wie es vielleicht möglich sein konnte, zumindest etwas von Niklaus' Blut zu bekommen, und während sie dieser letzten Spur nachging, sollte ich auf Josh aufpassen. Was ich mittlerweile auch seit fast einer Stunde tat.
"Brauchst du noch etwas?", fragte ich sanft, als Josh gerade seinen fünfunddreißigsten Blutbeutel trank.
"Ja, ich glaube-" Er kam nicht dazu, seinen Satz zu beenden, denn plötzlich fing er an zu husten und spuckte das ganze zu sich genommene Blut wieder aus. "Wow, das ist widerlich", murmelte er, bevor er sich atemlos wieder zurücklehnte.
Unwillkürlich musste ich ein wenig lächeln und wischte so gut es ging das Blut von seinem Mund. "Das wird bestimmt gleich aufhören. Davina besorgt dir das Heilmittel, ganz sicher."
"Und wenn nicht? Wenn ich es nicht schaffe, dann... dann solltest du etwas wissen. Es geht um..."
"Oh nein, denk gar nicht darüber nach, dich zu verabschieden. Du wirst nicht sterben, das werden wir nicht zulassen."
"Lass mich bitte ausreden, Alex. Ich will mich nicht verabschieden. Eigentlich geht es gar nicht um mich, sondern um Davina."
"Davina?", wiederholte ich überrascht. "Wieso? Weißt du jetzt, was sie so belastet?"
"Nein, aber ich kann es nicht mehr aushalten zu sehen, wie ihr beide miteinander umgeht. Du bist in sie verliebt, nicht wahr?"
Ich wollte schon widersprechen, seufzte aber leise auf. "Ist es wirklich so offensichtlich?"
"Oh ja, das ist es", lachte Josh, doch schnell verwandelte sich sein Lachen in ein Husten. Besorgt reichte ich ihm noch ein Tuch, aber er schüttelte nur den Kopf. "Nein, ich will das jetzt endlich loswerden, bevor gleich die Halluzinationen anfangen und ich meinen Verstand verliere. Ja, es ist so offensichtlich, dass es wirklich jeder bemerkt. Jeder außer Davina. Also solltest du..."
"Lass mich raten, ich soll am besten anfangen, das zu unterdrücken, weil ich absolut keine Chance bei ihr habe und so nur unsere Freundschaft zerstöre?", vermutete ich leise, aber Josh funkelte mich nur wütend an.
"Ehrlich, Alex, wenn du mich noch einmal unterbrichst, dann schwöre ich dir, dass ich an diesem Biss sterben werde, nur um dir eins auszuwischen." Es gab wirklich niemanden außer Josh, der über so etwas Witze machen konnte. Aber irgendwie hatte er auch recht, also lächelte ich nur leicht und hob ergeben die Hände, um zu zeigen, dass ich jetzt still sein würde.
"Na also, geht doch. Und nein, ich will nicht, dass du deine Gefühle für Davina unterdrückst. Ich will, dass du weißt, was sie über dich denkt. Seit Wochen redet sie schon von nichts anderem mehr als über dich, Alex. Wann immer du nicht da bist, schwärmt sie davon, wie wundervoll du bist. Die Kette, die du ihr geschenkt hast, hat sie seit diesem Tag nicht ein einziges Mal abgenommen, weil sie sich dir nahe fühlt, wenn sie sie trägt. Ich habe mir dieses Spiel jetzt schon eine ganze Weile angeguckt und habe darauf gewartet, dass ihr beide endlich versteht, dass ihr etwas füreinander empfindet, aber anscheinend bekommt ihr das ohne Hilfe nicht hin. Falls ich heute doch noch sterbe, will ich, dass du es zumindest weißt. Davina mag dich und du magst sie. Und wenn nicht einer von euch bald den ersten Schritt macht, werde ich durchdrehen, und daran wird nicht das Werwolfgift schuld sein."
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Die Wölfin - The Originals FF
Fanfic• Beendet • Eigentlich war ich ein ganz normales Kind in unserem Dorf. Jeden Monat bei Vollmond verwandelte ich mich in ein gefährliches Raubtier, einen Wolf, aber das war bei uns nichts Außergewöhnliches. Die Verwandlungen waren schmerzhaft, aber m...