Nach diesem Gespräch ging wieder alles so weiter wie bisher. Elijah telefonierte jetzt regelmäßiger mit Niklaus, aber ich hatte beschlossen, mir das nicht mehr anzuhören. Das würde mich doch nur aufregen. Cami war heute in die Stadt gefahren, um ein paar Sachen für uns zu besorgen und hatte Hope dabei gleich mitgenommen. Ich war unsicher gewesen, ob das eine gute Idee war, aber Cami hatte mich überzeugt, dass sie Hope schon ausreichend beschützen würde. Außerdem konnte ich Elijah nicht alleine hier lassen und er hatte von Cami die Aufgabe bekommen, das Haus zu renovieren. Sie hatte irgendetwas von Ablenkung als Therapie geredet, aber da hatte ich schon nicht mehr zugehört. Ich wusste nur, dass ich meine Zeit nicht nutzen würde, um alle möglichen Handwerksaufgaben zu erledigen. Bei Elijah sah das jedoch anders aus. Er war gerade dabei, den Zaun zu reparieren, während ich nur daneben saß und ihm dabei zusah.
"Willst du jetzt die ganze Zeit dasitzen und mich beobachten?", beschwerte sich mein bester Freund gerade, lächelte mich aber leicht an.
"Ja, das habe ich eigentlich vor. Du weißt doch, ich spiele gerne den Babysitter für dich", antwortete ich grinsend, woraufhin er nur die Augen verdrehte. Er würde mit Sicherheit gerne sagen, dass er keinen Babysitter brauchte, aber wir beide wussten, dass das nicht der Wahrheit entsprechen würde.
"Du könntest mir zumindest bei meiner Arbeit helfen. Dieser Zaun repariert sich nicht von alleine."
"Oh nein, das kannst du gleich wieder vergessen. Das ist deine ganz persönliche Therapie, da mische ich mich nicht ein."
"Ach ja? Und ich dachte, du willst nur nicht helfen, damit dir deine Fingernägel nicht abbrechen."
"Ja, das auch", meinte ich lachend und musterte gespielt eingebildet meine makellosen Fingernägel. Dann spannte ich mich aber an und sprang sofort vom Zaun, um mich aufrecht hinzustellen. "Hier ist jemand."
Tatsächlich tauchte kurz darauf ein dunkelhäutiger Hexer neben uns auf, der sich vermutlich bisher unter einem Zauber versteckt hatte. Ich musste nicht lange überlegen, um zu verstehen, dass das Finn sein musste. Wie hatte er uns hier gefunden? Woher wusste er überhaupt von Hope? Gott sei dank war sie nicht hier, aber das könnte sich jeden Moment ändern, wenn Cami zurückkam. Wir mussten Finn aufhalten, bevor das geschah.
"Ah, mein Bruder und seine verlorene beste Freundin", begrüßte Finn uns und ich bemerkte sofort, dass er sich wirklich verändert hatte, seit ich ihn das letzte Mal gesehen hatte. Wir hatten uns nie besonders nahe gestanden, er war immer eher der Einzelgänger gewesen, aber mittlerweile sah man auf den ersten Blick, dass er zur Not auch seine Familie umbringen würde, um seinen Willen zu bekommen. Er war vollkommen durchgedreht. "Ich würde ja sagen, ich habe euch gesucht, aber eigentlich stimmt das nicht ganz. Ich will das Kind."
"Du wirst sie niemals bekommen", knurrte ich leise. Statt einer Antwort murmelte Finn nur leise vor sich hin und kurz darauf flog ein spitzes Stück Holz aus Elijahs frisch gebautem Zaun direkt auf mich zu. Ich konnte gerade noch ausweichen, damit es nicht mein Herz traf. Dennoch fiel ich, das Holz bohrte sich tief in meine Schulter und nagelte mich am Boden fest. Jetzt wäre es ein Leichtes für Finn, mich endgültig zu töten, aber zum Glück lenkte Elijah ihn ab, indem er seinen Bruder mit aller Kraft angriff.
Es war ein brutaler Kampf und auch wenn Elijah in Sachen Kraft und Schnelligkeit eindeutig im Vorteil war, war Finn unheimlich mächtig und drängte Elijah immer weiter zurück Richtung Haus. Erst als die beiden im Haus verschwunden waren, atmete ich tief durch und riss mich mit einem Ruck los. Am liebsten würde ich noch ein paar Minuten warten, bis das schmerzende Loch in meiner Schulter verheilt war, aber so viel Zeit hatte ich nicht. Also rannte ich immer noch blutend in Richtung Haus. Elijah würde jede Hilfe brauchen können, die er bekommen konnte.
Innen angekommen fiel mein Blick als erstes auf das große Loch in der Wand, das in etwa die Größe von Elijah hatte. Das sah nicht gut aus. Ich hörte seine Stimme aus dem Nebenzimmer, zögerte aber noch. Ich sah ein unscheinbares Metallrohr in der Wand und mir kam eine Idee. Eine riskante Idee, aber sie würde schon funktionieren.
"Elijah?", flüsterte ich so leise, dass er mich gerade so mit seinem Vampirgehör verstehen konnte, Finn aber nichts davon mitbekommen würde. "Ich breche jetzt eine der Gasleitungen durch, dann komme ich rein. Wir müssen Finn nur ein bisschen ablenken, damit er nichts mitbekommt und dann nimmst du deinen Ring ab."
Ich wusste nicht, was Elijah davon hielt, ein lebendiges Streichholz zu spielen, aber wenn er durch das Sonnenlicht verbrannte, würde das genug Hitze erzeugen, um das ganze Haus in die Luft zu jagen. Also tat ich genau das, was ich gesagt hatte, und ging danach ins Zimmer, aus dem ich die Stimmen von Elijah und Finn gehört hatte. Als ich meinen besten Freund sah, blieb ich fassungslos stehen. Er kniete auf dem Boden, beachtete Finn aber gar nicht, als würde er ihn überhaupt nicht wahrnehmen. Er sah so hilflos aus, wie er nur auf seine blutverschmierten Hände starrte und immer wieder versuchte, die Flecken von seinem Hemd zu reiben. Oh nein, das war wirklich der unpassendste Zeitpunkt, um einen seiner Anfälle zu haben. Sofort kniete ich mich neben ihn und redete leise auf ihn ein. Am Rande bemerkte ich, wie Finn anfing zu lachen. Er fühlte sich gerade wohl wirklich sicher. Kein Wunder, wenn man bedachte, dass Elijah wie in Trance war und ich ganz damit beschäftigt war, ihm da wieder rauszuhelfen.
Finn fing wieder an zu reden, aber ich hörte ihm kaum zu. Bis sich zu seiner Stimme noch eine andere gesellte, so leise, dass ich sie fast nicht wahrgenommen hätte. Elijahs Stimme. "Ich nehme gleich meinen Ring ab", flüsterte er und ich musste mich zusammenreißen, um nicht erleichtert auszuatmen. Er hatte also doch keinen seiner Anfälle, zumindest nicht mehr. Er tat das, um Finn abzulenken und ich musste zugeben, dass das eine brillante Idee war. "Du solltest jetzt gehen, wenn du nicht auch von der Explosion getroffen werden willst."
"Das kann ich nicht", flüsterte ich ebenso leise zurück, immer darauf bedacht, mein Gesicht von Finn fernzuhalten. "Wenn ich verschwinde, wird er merken, dass etwas nicht stimmt, und vielleicht schafft er es dann zu fliehen. Wir haben nur diese eine Chance, ihn zu überraschen."
"Alexandra, das kannst du nicht tun. Du bist vielleicht stark, aber du bist nur ein Hybrid. Mir kann eine Explosion nichts anhaben, aber das Feuer wird dich umbringen", widersprach Elijah, aber ich hatte meine Entscheidung bereits getroffen.
"Dann hoffen wir, dass ich schnell genug rennen kann, damit das nicht passiert. Mach dir keine Sorgen, ich werde schon nicht sterben. Ich bin schnell genug." Ich war zwar keineswegs so überzeugt wie ich es gerade vorgab, aber Elijah würde es nie tun, wenn ich ihm nicht versicherte, dass mir nichts passieren würde. Aber auch ihm war klar, dass das vielleicht unsere einzige Möglichkeit war, Finn aufzuhalten, bevor er Hope finden würde. Also drehte er sich langsam zu seinem Bruder um, sah ihm in die Augen und nahm seinen Tageslichtring ab.
Von da an ging alles ganz schnell. Elijahs Haut, jetzt schutzlos der Sonne ausgeliefert, wurde rot und brannte kurz darauf auf. Das bekam ich jedoch kaum noch mit, denn sobald Elijah seinen Ring abgenommen hatte, drehte ich mich um und rannte mit voller Geschwindigkeit aus dem Haus. Ich spürte die Hitze des Feuers in meinem Rücken und schaffte es gerade noch vor die Tür, bevor mich die Druckwelle der Explosion von hinten traf und mich mehrere Meter vom Haus weg schleuderte. Ich spürte, dass meine Jacke Feuer gefangen hatte und rollte mich auf dem Boden hin und her, bis ich die Flammen ersticken konnte und mich langsam aufrichtete. Das Haus war vollkommen zerstört und Finn eindeutig tot. Meine Schulter schmerzte noch immer und auch die Brandwunden an meinem Rücken schlossen sich nur langsam, aber das würde schon noch verheilen. Das Wichtigste war, dass Hope in Sicherheit war. Wir hatten es geschafft.
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Die Wölfin - The Originals FF
Fanfiction• Beendet • Eigentlich war ich ein ganz normales Kind in unserem Dorf. Jeden Monat bei Vollmond verwandelte ich mich in ein gefährliches Raubtier, einen Wolf, aber das war bei uns nichts Außergewöhnliches. Die Verwandlungen waren schmerzhaft, aber m...