Kapitel 15 - 1001 n. Chr.

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Als ich meinem Vater erzählte, was passiert war, war er wie erwartet schockiert. Am liebsten wäre er sofort mit mir davongelaufen, aber dafür hatten wir keine Zeit mehr. Der Vollmond würde in nur wenigen Minuten aufgehen und wir würden uns verwandeln. Wir würden frühestens morgen früh das Dorf verlassen können. Das einzige, das wir tun konnten, war zu hoffen, dass Mikael bis dahin noch nichts von Niklaus erfahren hatte.

"Wir treffen uns morgen früh bei der kleinen Lichtung am Bach", meinte mein Vater gerade, während wir uns schon verwandelten. "Es ist zu gefährlich, zurück zum Haus zu gehen. Und direkt danach verschwinden wir."

Ich wollte noch etwas antworteten, merkte aber, dass meine Verwandlung schon zu weit fortgeschritten war. Ein paar Minuten später war ich ein Wolf und legte mich neben meinen Vater, der noch mitten in der Verwandlung war. Er hatte wohl seine Verwandlung zurückgehalten, um mit mir zu klären, was wir morgen tun würden.

Ein Geräusch hinter mir ließ mich sofort herumfahren. Ein anderer Wolf näherte sich uns. Er sah noch jung aus und unbeholfen. Aber als er uns beide bemerkte, ging er sofort in Angriffstellung über. Wahrscheinlich sah er uns als Bedrohung. Normalerweise wäre ich entspannt geblieben, um ihm zu zeigen, dass wir ihm nicht gefährlich werden würden, aber solange mein Vater hinter mir noch so verwundbar war, würde ich kein unnötiges Risiko eingehen.

Warnend knurrte ich den jungen Wolf an, der aber trotzdem weiter auf uns zulief. Mit einem Sprung griff er mich an und ich lockte ihn von meinem Vater weg. Einige Momente wälzten wir uns auf dem Boden, bis ich ihm in den Rücken biss und er erschrocken von mir abließ. Wütend knurrte ich ihn noch einmal an und er verschwand ohne weiter zu zögern im Wald.

Ich drehte mich wieder zu meinem Vater um, der sich mittlerweile auch verwandelt hatte und mich sanft anstupste. Den Rest der Nacht blieb ich in seiner Nähe, bis wir uns im Morgengrauen wieder zurückverwandelten.

"Also, wo gehen wir hin?", fragte ich meinen Vater leise, während ich mir mein Kleid überzog.

"Ich fürchte, ihr werdet nirgendwo hingehen", antwortete jemand bedrohlich hinter mir. Sofort drehten mein Vater und ich uns um und wichen ein wenig zurück. Mikael. Wie hatte er uns hier gefunden? "Ich habe etwas wirklich Interessantes über meinen Sohn gehört. Oder sollte ich eher sagen, über deinen Sohn?"

"Alexandra, verschwinde von hier", flüsterte mein Vater mir zu, aber ich schüttelte nur den Kopf. Ich würde ihn hier nicht allein lassen. Und nachdem ich gesehen hatte, wie schnell Rebekah gelaufen war, hätte ich eh keine Chance, Mikael zu entkommen. Der beobachtete mein Verhalten und fing dann an zu grinsen.

"Sieht so aus, als würde sie nicht gehen. Wie schön, dann kann sie gleich dabei zusehen, wie ich dich umbringe."

Ich öffnete meinen Mund, um etwas zu sagen, aber bevor ich das tun konnte, griff Mikael nach einem dicken Ast und stieß ihn direkt in den Bauch meines Vaters. Verzweifelt schrie ich auf, während ich mit ansah, wie das Blut sich auf seinem Hemd ausbreitete und das Licht in seinen Augen erlosch. Ich schlug mir die Hand vor den Mund, um mein Schluchzen zu unterdrücken. Er war tot. Mein Vater war tot. Mikael hatte sich nicht mal besonders anstrengen müssen, er hatte nur eine Bewegung gebraucht, um meinen Vater zu töten. Ansel hatte keine Chance gehabt, er hatte sich nicht wehren können. Bei diesem Gedanken wurde ich plötzlich ganz ruhig, spürte nichts anderes mehr als Wut und abgrundtiefen Hass. Ich würde als nächstes sterben, egal was ich jetzt tat. Da konnte ich genauso gut versuchen, den Tod meines Vaters zu rächen. Also griff ich nach einem Stock, der am Boden lag und lief damit blindlings auf Mikael zu. Er sollte leiden. Bevor ich ihn aber erreichen konnte, warf er etwas nach mir und ich blieb wie erstarrt stehen. Langsam sah ich an mir herunter, als sich ein stechender Schmerz in meiner Brust ausbreitete. Sein Messer. Er hatte sein Messer nach mir geworfen und direkt mein Herz getroffen. Ich wollte etwas sagen, irgendetwas, was ihm Angst machen würde. Ihm versprechen, dass ich nicht eher ruhen würde, bis ich den Tod meines Vaters gerächt hätte. Aber ich hatte nicht mehr die Kraft dazu. Meine Beine gaben unter mir nach und das letzte, was ich sah, waren die leeren Augen meines Vaters, bevor meine Sicht verschwamm und ich starb.





Die Wölfin - The Originals FFWo Geschichten leben. Entdecke jetzt