Kapitel 86 - 31. Oktober 2012

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Langsam öffnete ich meine Augen wieder, als ich leise Stimmen neben mir hörte. Ich musste wohl irgendwann eingeschlafen sein und Davinas Stimme hatte mich wieder geweckt. Und sie war nicht allein, nur war die andere Person, die bei ihr war, definitiv nicht Mikael.

Sofort richtete ich mich auf und ging in das kleine Nebenzimmer, wo ein Hexer vor Davina kniete und ihr den Knöchel verarztete. Vermutlich dieser Kaleb. "Was ist passiert?", fragte ich besorgt und Davina sah sofort überrascht zu mir auf.

"Ich, ähm... habe mir den Fuß umgeknickt", gab sie leise zu. "Beim Training."

Unwillkürlich zog ich meine Augenbrauen zusammen und verschränkte meine Arme. Beim Training also. Das bedeutete, Mikael hatte sie verletzt. Ich wusste, dass es keine gute Idee wäre, wenn sie mit ihm trainierte. Es war besser, wenn ich etwas zu viel Rücksicht auf sie nahm, als wenn sie sich freiwillig von Mikael verprügeln ließ. Aber diese Diskussion hatten wir bereits geführt, und ich wollte jetzt nicht zu jemandem werden, der ihr unter die Nase rieb, dass ich es ihr ja gesagt hatte.

"Und was macht er hier?", fragte ich mit Blick auf Kaleb, der sich auch langsam zu mir umdrehte.

"Sie hat mich angerufen", meinte der und grinste mich selbstgerecht an. "Sie wusste, dass ich ihr helfen konnte und siehe da: Hier bin ich."

Tief atmete ich durch, um mir meine Gefühle nicht anmerken zu lassen, hob aber eine Augenbraue, während ich zu meiner Freundin sah. "Dir ist aber schon bewusst, dass direkt neben dir ein Hybrid lag, dessen Blut dich in nur wenigen Sekunden heilen könnte, oder?"

"Ähm... Ja, klar, ich... Du hast geschlafen, ich wollte dich nicht stören."

Ich zwang mich, ein möglichst ausdrucksloses Gesicht beizubehalten, aber das fiel mir zunehmend schwerer. Ich merkte es, wenn sie log, und ich wusste, was das bedeutete. Sie hatte mein Blut nicht trinken wollen, weil sie sich nichts Schlimmeres vorstellen konnte als ein Vampir zu werden. Irgendwie konnte ich sie da ja auch verstehen, aber ich konnte es nicht verhindern, dass mich das verletzte. Denn es bedeutete, dass ein Teil von ihr mich als ein Monster sah, zu dem sie niemals werden wollte.

"Alex, ich..."

Zu meinem Glück wurde Davina unterbrochen, bevor sie etwas sagen konnte, das mich vor Kaleb die Fassung verlieren ließ. Zu unserem Pech jedoch bestand diese Unterbrechung aus niemand anderem als meinem Halbbruder. Der ging nämlich gerade zielstrebig auf unsere Hütte zu und rief dabei wie verrückt nach Mikael.

Ohne zu zögern drehte sich Davina zu Kaleb um, griff nach seinen Händen, und fing an, einen Zauber zu sprechen. Ich wusste nicht, was genau sie da taten, aber es schien zu funktionieren. Niklaus blickte durch das Fenster direkt zu uns, schien uns aber nicht sehen zu können. Er drehte sich gerade um, um wieder zu gehen, und ich wollte schon erleichtert ausatmen, bis er plötzlich wieder innehielt. Kurz musterte er einen Stock am Wegrand und ich ahnte, was das zu bedeuten hatte. Mikael hatte die Angewohnheit, in jede seiner Waffen sein Familienwappen zu schnitzen und genau das hatte mein Halbbruder gerade entdeckt. Es dauerte nicht lange, bis er zu der richtigen Schlussfolgerung kam und sich wieder zurück zur Hütte drehte. Er wusste, dass wir hier waren. Und er würde nicht eher aufgeben, bis Mikael tot war.

Die Wölfin - The Originals FFWo Geschichten leben. Entdecke jetzt