Langsam lief ich in den Wald und sah mich dabei aufmerksam um. "Elijah? Niklaus? Rebekah? Seid ihr hier?", rief ich so leise wie möglich. Die Dorfbewohner sollten nicht mitbekommen, dass ich mich mit ihnen traf, das würde nur Gerüchte geben.
Nur einen Wimpernschlag später stand plötzlich jemand direkt vor mir und ich wich erschrocken zurück, bis ich Elijah erkannte. "Verzeih mir, falls wir dich überrascht haben", entschuldigte er sich sofort und lächelte mich schwach an. "Es fällt uns noch schwer, unsere Kräfte einzuschätzen."
Tief atmete ich durch, um mich wieder etwas zu beruhigen. Ich wusste ja, dass die Mikaelsons jetzt schneller waren als gewöhnliche Menschen, aber so schnell? Das hatte ich nicht erwartet. "Schon gut, ihr habt mich nur überrascht. Wie geht es euch?"
Auf diese Frage hin sahen sich die drei Geschwister kurz unsicher an, als wüssten sie nicht, wie sie das beantworten sollten. Irgendwann seufzte Rebekah leise auf und zuckte mit den Schultern. "Ich glaube, das wissen wir selbst nicht so ganz genau. Es fühlt sich alles so... anders an. Nicht nur weil wir plötzlich so viel stärker sind, es sind auch die Gefühle. Irgendwie kommt mir alles viel intensiver vor. Das ist nur schwer zu beschreiben, ich denke, man muss es erlebt haben, um es zu verstehen."
Verständnisvoll nickte ich und setzte mich dann auf den Boden, während ich den Mikaelsons bedeutete, sich zu mir zu setzen. "Bereut ihr es?", fragte ich neugierig. "Ich meine, ihr habt jetzt viele neue Vorteile. Ihr müsst vor niemandem mehr Angst haben. Aber trotzdem wirkt ihr irgendwie... unglücklich."
"Ich schätze, das sind wir auch", antwortete Elijah leise. "Wir haben uns das nicht ausgesucht. Unsere Eltern haben diese Entscheidung für uns getroffen. Und es gibt ebenso viele Nachteile wie Vorteile."
"Ich weiß gar nicht, was du meinst, Bruder", unterbrach Niklaus ihn. "Ich genieße dieses Leben. Es ist schön, ausnahmsweise mal nicht der schwächste zu sein."
Unwillkürlich lächelte ich ein wenig, als mein Halbbruder das sagte. Auch wenn er nicht wusste, dass wir verwandt waren, war es doch schön, dass wenigstens einer der Mikaelsons zufrieden war.
"Und doch gibt es so einige Nachteile, auf die du auch lieber verzichten würdest, oder nicht?"
"Selbstverständlich. Aber dieses Leben kommt mir immer noch besser vor als das davor. Apropos Nachteile... Ich bekomme langsam Hunger. Begleitest du mich, Bruder?"
Ungläubig sah Elijah Niklaus an. "Jetzt? Ist das dein Ernst?"
"Ja, das ist es. Du weiß doch selbst, wie es manchmal ist. Und ich würde mich wohler fühlen, wenn du bei mir wärst."
Mein bester Freund zögerte ein paar Sekunden, nickte dann aber. "In Ordnung. Wir sind gleich wieder da."
Nachdenklich sah ich zu Rebekah, als die beiden Brüder verschwunden waren. "Es ist also wahr? Die Gerüchte über... eure neue Ernährung?"
"Nett gesagt", antwortete sie schwach lächelnd. "Ja, es ist wahr. Wir wurden verwandelt, indem wir erst Blut trinken mussten und unser Vater uns dann umgebracht hat. Deshalb müssen wir jetzt immer wieder Blut trinken, um uns zu ernähren." Leise lachte sie, als ich das Gesicht verzog. "Keine Sorge, es klingt ekeliger als es wirklich ist. Tatsächlich schmeckt es sogar ziemlich gut. Deswegen ist Elijah auch mitgegangen, er passt auf, dass Niklaus nicht die Kontrolle verliert... Tut mir leid, wahrscheinlich willst du das alles gar nicht wissen."
"Doch, schon gut. Ich habe ja gefragt. Ich kann mir gar nicht vorstellen, wie das alles für euch sein muss. Und als wäre das nicht schon schlimm genug, werdet ihr auch noch von allen im Dorf verstoßen. Es tut mir leid, dass euch das widerfahren ist. Ich wünschte, ich könnte mehr für euch tun."
Vorsichtig griff ich nach Rebekahs Hand, um sie etwas zu trösten. Wie sollte ich ihnen nur sagen, dass ich schon bald das Dorf verlassen würde und sie dann hier ganz auf sich allein gestellt sein würden? Bevor sie aber noch etwas sagen konnte, hörte ich plötzlich einen Schrei aus dem Wald.
"Was war das?" Nervös stand ich auf, aber Rebekah war schon verschwunden. Anscheinend hatte sie wieder ihre neue Geschwindigkeit genutzt, um nachzusehen, was passiert war. Also zögerte ich nicht weiter und lief ihr so schnell es mir möglich war hinterher. Was ich jedoch sah, als ich den Ort erreichte, von dem der Schrei gekommen war, ließ mich sofort erstarren.
Von Elijah und Rebekah war keine Spur zu sehen, aber Niklaus kniete am Boden und gab nur ein leises Wimmern von sich. Langsam ging ich auf ihn zu, blieb aber sofort wieder stehen, als ich neben ihm noch etwas sah. Oder eher jemanden. Neben ihm lag ein Mann, einer der Dorfbewohner. Ich kannte ihn nicht gut, aber trotzdem war es grauenhaft, ihn so zu sehen. Seine Kehle war aufgerissen worden und es tropfte immer noch ein wenig Blut aus der riesigen Wunde an seinem Hals. Es gab keinen Zweifel, er war tot. Und so wie es aussah, hatte Niklaus ihn umgebracht.
Unwillkürlich wich ich ein Stück vor ihm zurück, bis ich bemerkte, dass es Niklaus selbst auch nicht gut ging. Er schaffte es kaum, aufzusehen und seine Beine standen in einem unnatürlichen Winkel von seinem Körper ab. Als auch seine Arme unter ihm nachgaben und er auf den Boden fiel, wurde mir schlagartig bewusst, was hier gerade geschah. Er hatte jemanden umgebracht. Und da er Ansels Sohn war, hatte er damit seinen Fluch ausgelöst. Er verwandelte sich. Der Vollmond heute war zwar noch nicht aufgegangen, aber für ihn als Vampir galten anscheinend andere Regeln.
"Niklaus? Was ist passiert?", fragte eine Stimme hinter mir und ich drehte mich sofort zu ihr um. Rebekah hatte uns auch gefunden. Aber unser Halbbruder hatte kaum noch die Kraft, ihr zu antworten.
"Er verwandelt sich. Wir müssen hier weg, Rebekah. Sofort. Sobald er ein Wolf ist, wird er sich nicht mehr kontrollieren können. Bring uns hier weg, so schnell wie möglich."
Überfordert sah sie mich an, reagierte zu meinem Glück aber ohne zu zögern. Nur eine Sekunde später hob sie mich hoch und rannte mit mir los. Unwillkürlich schloss ich die Augen und öffnete sie erst wieder, als Rebekah vor meinem Haus stehen blieb und mich runterließ.
"Was war das gerade?", fragte sie mich hysterisch, während sie sich durch die Haare fuhr. "Wieso verwandelt er sich? Was hat das zu bedeuten?"
"Mikael ist nicht sein Vater", erklärte ich so ruhig wie möglich und versuchte, das gerade Gesehene zu verarbeiten. "Er trägt den Werwolffluch in sich. Und als er gerade diesen Mann umgebracht hat, hat er ihn ausgelöst. Du musst mir jetzt gut zuhören, Rebekah. Mein Vater und ich werden von hier verschwinden. Wahrscheinlich sofort. Wenn dein Bruder Hilfe bei den Verwandlungen braucht, dann wird er uns finden. Aber Mikael darf nicht wissen, wo wir sind. Hast du gehört? Er darf es nicht erfahren. Sag Elijah, dass es mir leid tut, dass ich mich nicht verabschieden konnte."
Einige Sekunden starrte Rebekah mich an, umarmte mich dann aber einfach fest. Sie nahm das alles wirklich erstaunlich gut auf. Es war beeindruckend, wie stark sie war. "In Ordnung. Ich werde versuchen, meinen Vater von euch abzulenken. Pass auf dich auf, Alexandra."
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Die Wölfin - The Originals FF
Fanfiction• Beendet • Eigentlich war ich ein ganz normales Kind in unserem Dorf. Jeden Monat bei Vollmond verwandelte ich mich in ein gefährliches Raubtier, einen Wolf, aber das war bei uns nichts Außergewöhnliches. Die Verwandlungen waren schmerzhaft, aber m...