Lächelnd drehte ich meinen Kopf zu Elijah und sah ihn glücklich an. Wir lagen mittlerweile auf einer kleinen Lichtung, im Schatten der großen Eichen und redeten einfach nur, seit einer gefühlten Ewigkeit. Mein Kleid wurde dabei wohl ziemlich dreckig, aber das war mir in diesem Augenblick egal. Genauso wie mir die kleinen Grashalme und Blätter in meinen Haaren egal waren. Ich wollte einfach für einen Moment all meine Sorgen vergessen.
"Heute ist Vollmond", flüsterte Elijah plötzlich leise und ich seufzte auf. Das war's dann wohl damit, meine Sorgen zu vergessen.
"Erinnere mich nicht daran. Ich habe es gerade erst geschafft, diesen Gedanken zu verdrängen."
"Wieso hasst du es so sehr, ein Wolf zu sein?", fragte Elijah mich neugierig und drehte sich zu mir um.
Statt zu antworten, sah ich jedoch nur nach oben in den Himmel. Es fiel mir schwer, darüber zu reden, vor allem mit ihm.
"Verzeih, wenn ich dich mit der Frage verletzt habe. Ich wollte nicht unhöflich sein", entschuldigte er sich dann nach einigen Sekunden Stille, sodass ich mich doch wieder zu ihm umdrehte.
"Das ist es nicht. Ich weiß nur nicht so richtig, wie ich es erklären soll. Es ist schwer, die passenden Worte zu finden. Ich hasse es nicht, ein Wolf zu sein. Im Gegenteil, ich liebe es sogar. Dieses Gefühl von Freiheit, wenn wir in unserem Rudel durch die Wälder ziehen; die Stärke und die Schnelligkeit, die unsere Wolfsform uns verleiht; die ausgeprägten Sinne... Du glaubst ja gar nicht, nach wie vielen verschiedenen Facetten nur ein einziges Blatt auf dem Boden riecht. Oder was für ein unglaubliches Gefühl es ist, wenn du nur den Hauch eines Duftes erkennst, der dir alles über das Lebewesen verrät, was vor dir hier entlanggelaufen ist. Es ist toll, eine Wölfin zu sein. Aber die Verwandlung ist grausam. Du hast noch nie einen von uns gesehen, wie er sich verwandelt hat, oder?" Er schüttelte nur wortlos den Kopf, sodass ich leise weitererzählte.
"Bei der Verwandlung muss sich dein schwacher, menschlicher Körper in einen starken, großen Wolf verwandeln. Es gibt keinen einzigen Knochen im Körper, der sich nicht verändern muss, um die neue Gestalt zu erschaffen. Einige strecken sich, andere ziehen sich zusammen und die meisten müssen mehrmals brechen. Und während der ganzen Verwandlung hast du das Gefühl, dass deine gesamte Haut in Flammen steht. Sie schmilzt, wortwörtlich, die menschliche Schicht verschwindet und wird durch die dickere Wolfshaut ersetzt. Zum Schluss verwandelt sich dann das Gesicht. Deine Fangzähne erscheinen, sie sind viel zu groß für deinen noch menschlichen Mund und du beißt dir ohne es verhindern zu können die komplette Lippe auf. Erst dann verändert sich dein Kopf endlich zu dem eines Wolfes und ab diesem Moment ist wieder alles in Ordnung. Bis das ganze bei den ersten Sonnenstrahlen wieder von vorne beginnt. Und diese Schmerzen muss man an jedem Vollmond ertragen, es gibt keinen Ausweg. Deshalb wünsche ich mir manchmal, ich wäre nie eine Wölfin geworden. Dass ich meinen Fluch nie ausgelöst hätte. Denn genau das ist es: Ein Fluch."
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Die Wölfin - The Originals FF
Fanfiction• Beendet • Eigentlich war ich ein ganz normales Kind in unserem Dorf. Jeden Monat bei Vollmond verwandelte ich mich in ein gefährliches Raubtier, einen Wolf, aber das war bei uns nichts Außergewöhnliches. Die Verwandlungen waren schmerzhaft, aber m...