Kapitel 88 - 31. Oktober 2012

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"Du bist schon immer viel zu schlau für mich gewesen", murmelte Kol leise und seufzte auf. "Ich habe versucht, mich nur alleine mit Davina zu treffen, damit du mich nicht kennenlernst, aber ich hätte trotzdem gedacht, dass du länger brauchen würdest, um es herauszufinden."

"Tja, ich fühle mich ja geschmeichelt, dass ich dich beeindrucken konnte, aber dein Vater ist gerade kurz davor, unseren Halbbruder umzubringen. Also, wenn du vielleicht..."

Mit einer Handbewegung hob Kol den Zauber über mich wieder auf und ich stand sofort mit Vampirgeschwindigkeit an der Tür. "Pass bloß auf Davina auf", meinte ich über meine Schulter und rannte dann nach draußen. Tatsächlich schien Mikael gerade die Oberhand zu gewinnen und war kurz davor, den Weißeichenpfahl in Niklaus' Herz zu stoßen.

"Hey, Mikael!", rief ich, ohne wirklich darüber nachzudenken. Ich wusste nur, dass ich ihn irgendwie ablenken musste. Der drehte sich jedoch nur kurz zu mir um und konzentrierte sich dann wieder darauf, Niklaus gegen einen Baum zu drücken. In dieser Position hatte mein Bruder absolut keine Chance, er konnte sich nicht einmal bewegen. Und Mikael könnte ohne Probleme erst ihn und dann mich umbringen, wenn ich ihn jetzt angreifen würde. Also entschied ich mich, das einzige zu tun, was mir jetzt noch übrig blieb: Ich provozierte ihn.

"Glaubst du wirklich, dass du es schaffen könntest, Niklaus zu töten? Er hat dich schon einmal umgebracht, das wird er auch wieder tun. Du hast es ja noch nicht einmal geschafft, mich umzubringen. Wie oft hast du das jetzt schon versucht? Zweimal? Dreimal? Dabei bin ich nicht mal ein besonders guter Kämpfer. Du hast schon so oft gesagt, dass Niklaus schwach ist, aber wenn es selbst ihm gelungen ist, dich zu überwältigen, was sagt das denn über dich aus? Du bist schwach, Mikael. Zu schwach, um deinen eigenen Sohn zu töten. Zu schwach, um mich zu töten. Du lässt dich ja sogar von einem kleinen Mädchen mit einem magischen Armreif kontrollieren, kann es eine größere Schande geben? Kein Wunder, dass Esther dich damals betrogen hat. Mein Vater war schon immer besser als du. Sie wollte vermutlich nur mal mit einem richtigen Mann schlafen und nicht mit so einem Schwächling wie dir."

Mit jedem Wort, das ich sagte, spürte ich, wie Mikael wütender und somit auch unkonzentrierter wurde, und meine letzte Aussage schien das Fass zum Überlaufen zu bringen. Mikael explodierte förmlich vor Wut, ließ Niklaus los und rannte wie ein Verrückter auf mich zu, den Pfahl drohend auf mich gerichtet. Das hatte ich natürlich nicht bedacht. Ich versuchte, ihm auszuweichen, aber seine Wut machte ihn schneller als ich es erwartet hatte. Panisch stolperte ich rückwärts, bis Mikael nur wenige Meter vor mir plötzlich stoppte. Überrascht sah er an sich herunter auf seine Brust, wo sich gerade ein Messer langsam in sein Herz bohrte. Niklaus, der sich in der letzten Sekunde noch vor mich gestellt hatte, ließ den Griff los und sah zufrieden dabei zu, wie sich Papa Tunde's Messer in Mikaels Brust versenkte, bis der zu Boden fiel.

Erst dann drehte sich mein Halbbruder zu mir um und sah mich überrascht an. "Du hast mich gerettet. Ich meine, ich verstehe, wieso du nicht willst, dass ich sterbe. Immerhin würdest du dann mit mir sterben und das weißt du. Aber Mikael hätte dich umgebracht, wenn ich nur etwas langsamer gewesen wäre. Du hast dein Leben riskiert, um meines zu retten. Wieso?"

Ich zuckte ein wenig mit meinen Schultern und lächelte Niklaus schief an. "Du bist immer noch mein Bruder, Niklaus. Ich war nie einverstanden damit, Mikael zurückzuholen, um dich zu töten. Nur weil ich mich in Davina verliebt habe und sie unterstütze, bedeutet das noch lange nicht, dass ich einfach aufhören kann, dich zu lieben. Selbst wenn ich nicht all deine Taten unterstützen kann, werde ich niemals deinen Tod wollen."

Einige Sekunden starrte Niklaus mich an, als wüsste er nicht so recht, was er sagen sollte. "Ich werde Davina in Ruhe lassen", meinte er dann plötzlich. "Ich werde mich nicht dafür rächen, dass sie Mikael zurückgeholt hat. Ich werde ihr nichts antun, für dich. Aber du kannst ihr gerne sagen, dass sie sich nicht immer auf meine Gnade verlassen können wird. Das ist eine einmalige Sache. Und jetzt geh schon und sieh nach ihr. Ich werde mich um Mikaels Körper kümmern."

Die Wölfin - The Originals FFWo Geschichten leben. Entdecke jetzt