Avalon Kapitel 1

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Avalon



Kapitel 1



Die Hochzeit war festlich und pompös. Viele Menschen tummelten sich in dem großen Festsaal, der reichlich geschmückt war. Rote Wandteppiche mit dem goldenen Drachen waren überall aufgehängt, eine Vielzahl von Fackeln an den Wänden und Kerzen in prunkvollen Ständer beleuchteten den Saal. Eine kleine Gruppe von Musiker unterhielt die Gäste mit schönen Klängen, während anmutig einige Paare tanzten. Die Tische waren reichlich mit den feinsten Speisen gedeckt und es gab Wein im Überfluss. Alle in diesem Raum waren glücklich und gutgelaunt, prosteten dem lächelndem Brautpaar zu und wünschten ihm alles Gute. Nur einer stand abseits, in der Nähe der Tür und sah dem ganzen Spektakel mit bewegungslosem Gesicht zu.....Merlin!
Es war die Hochzeit von Arthur Pendragon und Guinevere. Der König hatte sich in das ehemalige Dienstmädchen verliebt, als er noch ein Prinz war. Dann, als sein Vater, Uther Pendragon starb und er zum König gekrönt wurde, war er endlich in der Lage, sie zu heiraten. Denn Uther hätte das nie toleriert, das sein einziger Sohn eine Dienstmagd heiraten wollte. Aber es gab noch jemand, der das nie wollte. Merlin stand an der Wand, in der Nähe der Tür und wollte am liebsten wegrennen. Er war derjenige, der Uther zugestimmt hätte, wenn auch aus einem ganz anderen Grund. Er kannte Guinevere gut, denn sie war seine Freundin, von dem ersten Tag an, als er nach Camelot kam. Er mochte sie, aber es gab jemanden, den mochte er noch mehr, viel mehr....Arthur. Arthur war sein König....sein Freund....seine Liebe. Ja, er liebte Arthur. Und das schon seit einiger Zeit, aber es schien, als hätte er nur Augen für Gwen. Merlin hatte nie wirklich gehofft, das Arthur so etwas für ihn empfinden würde, aber eine kleine Hoffnung wollte nicht aufgeben. Doch jetzt, nach dem heutigen Tag, starb auch sie. Denn heute hatte Arthur seine Gwen geheiratet und war für Merlin verloren. Er seufzte. Er war alles andere, als in Stimmung zu feiern. Eigentlich wollte er nur weg, in sein Zimmer und sich in seinem Bett verkriechen. Aber er musste bleiben, ob er wollte oder nicht. Gaius kam auf ihn zu.
„Merlin....was ist denn los? Du stehst hier, wie eine Statue. Warum feierst du nicht mit uns allen?"
Merlin schüttelte den Kopf.
„Nein, mir ist nicht nach feiern zumute. Ich habe Kopfschmerzen." log Merlin.
„Willst du, das ich dir etwas dafür gebe?"
„Nein danke, es ist nicht so schlimm."
„Nun gut....ich sehe mal, ob ich noch etwas Wein bekomme." sagte Gaius und ließ ihn allein.
Merlin sah zu Arthur. Er lächelte Gwen an und sagte etwas zu ihr. Er war glücklich, das sah Merlin selbst von seiner Position aus. Seine Augen strahlten, wenn er seine Braut anschaute und sie leicht berührte. Merlin hätte alles gegeben, wenn er an der Stelle von Gwen gewesen wäre. Er konnte nicht länger hinsehen und schaute auf den Boden vor ihm. Hoffentlich war das Fest bald vorbei.
„Merlin! Was tust du hier? Warum stehst du hier an der Wand wie angekettet. Du solltest mir Wein bringen und dafür sorgen, das mein Kelch immer voll ist!"
Merlin sah hoch. Arthur stand mit einem anklagendem Gesicht vor ihm und fuchtelte mit seinem leeren Kelch herum.
„Verzeihung, Sire, ich war wohl in Gedanken. Ich werde euch sofort neuen Wein besorgen." sagte er und wollte losgehen, aber Arthur hielt ihn zurück.
„Merlin....was ist los? Du bist die letzte Zeit immer abwesend und verhältst dich sonderbar. Ist irgendetwas nicht in Ordnung?" fragte der König leise.
Nein, nichts ist in Ordnung! Ich liebe dich und du heiratest Gwen!
Aber der Zauberer würde sich hüten, dies laut zu sagen und so antwortete er
„Es ist alles gut....ich habe nur Kopfschmerzen."
„Kein Wunder, bei diesem Kopf....und nun bring mir Wein!" Arthur drehte sich um und wollte zurückgehen.
„Trottel!" murmelte Merlin.
Arthur drehte sich nochmal um.
„Das habe ich gehört!"
„Sire?"
Arthur zog die Augenbrauen hoch, aber dann drehte er sich herum und ging zurück zu Gwen.






Drei Jahre waren vergangen, seit Arthur seine Königin geheiratet hatte. Camelot blühte unter seiner Herrschaft auf. Es gab hier und dort noch kleine Zwischenfälle, aber nichts, was wirklich bedeutungsvoll war. Merlin war nie von Arthurs Seite gewichen. Er war sein Diener und sein Freund. Ihre Freundschaft hatte sich in den drei Jahren vertieft und zusammen mit dem Schicksal, das Merlin hatte, Arthur zu beschützen, hatten sie eine starke Bindung. Merlin hatte sich damit abgefunden, das seine Liebe zu seinem König hoffnungslos war, auch wenn er sich oft etwas anderes wünschte....bis zu dem Tag, als sie auf der Jagd waren.
Sie rannten gerade hinter einem Reh her. Arthur jagte durch den Wald, dicht gefolgt von Merlin. Sie hatten das Reh gesehen, aber wie immer hatte Merlin irgendetwas getan, so das es erschrak und flüchtete. Nun rannten sie hinterher, denn Arthur wollte nicht ohne eine Jagdtrophäe nach Camelot zurückkehren. Sie blieben einen Augenblick stehen.
„Merlin! Du Idiot! Wir müssten nicht so durch den Wald hetzen, wenn du nicht wie ein Tollpatsch durch den Wald gehen würdest.. Du hast es verjagt." keuchte Arthur.
Merlin, der sich an einem Baum abstützte und nach Atem rang, blickte auf.
„Ich habe nichts getan."
„Du hast...."
Es knackten Zweige in ihrer Nähe und Arthur deutete Merlin, das er ruhig sein sollte. Sie schlichen weiter und sahen wieder das Reh, das auf einer kleinen Lichtung stand. Aber als sie versuchten näher zu kommen, sprang es fort. Beide rannten wieder hinterher, bis Arthur stolperte und fiel.
Merlin, der dicht hinter ihm war, konnte nicht stoppen und fiel auf ihn. Der Zauberer lag auf Arthur, sein Gesicht nur einen Hauch von ihm entfernt und zum ersten Mal wurde ihm bewusst, das er Arthur noch nie so nah war. Sein Herz schlug noch schneller, als es vom Laufen schon tat.
Merlins Blick wurde von Arthurs Lippen angezogen, diesen schönen vollen geschwungenen Lippen, die zart rosa schimmerten. Sollte er es wagen, ihn zu küssen? Was sollte schon passieren? Das er im Kerker landete? Das Arthur ihn fortjagte? Das Gefühl, ihn zu küssen wurde übermächtig.
„Merlin....verdammt, geh von mir runter!"
Aber Merlin bewegte sich nicht.
„Merlin?"
Bevor er denken konnte, schloss Merlin den Abstand und küsste ihn. Der Kuss war zart, vorsichtig und keusch. Es dauerte einen Moment, bevor Merlin realisierte, was er gerade tat. Er zuckte zurück.
„Verzeihung, Sire....ich weiß nicht, was...."
„Sei still!"
Merlin wollte aufstehen, aber Arthur hielt ihn fest. Der König sah ihn einen Moment an. Es lag ein Blick in seinen Augen, den der Zauberer nicht deuten konnte. Arthur hob langsam seine Hand, strich zart über Merlins Wange, fuhr seinen Hals entlang zu seinem Nacken. Er krallte sich in das Haar von Merlin, als er ihn zu einem Kuss hinunterzog. Arthur küsste ihn fast besitzergreifend und strich mit seiner Zunge über seine Unterlippe, verlangte Einlass und Merlin öffnete seine Lippen. Ihre Zungen liebkosten sich und Arthur zog ihn noch näher zu sich. Der Kuss wurde intensiver und tiefer, aber sie mussten sich wegen Atemnot trennen.
„Gott Arthur!" hauchte Merlin, fuhr ihm zart durch sein blondes Haar, bevor er sich hinunterbeugte und ihn wieder küsste.
Die Küsse wurden leidenschaftlicher....stürmischer. Aber Arthur zog sich zurück und sagte
„Lass uns zurückreiten. Es wird bald dunkel."
Merlin stand auf und streckte ihm eine Hand entgegen. Arthur nahm sie und Merlin zog ihn hoch. Er ließ die Hand nicht los und sah Merlin lange an, bevor er sich umdrehte und in die entgegengesetzte Richtung ging. Arthur wusste, wenn er jetzt nicht ging, könnte er sich nicht zurückhalten, sich das zu nehmen, was er die ganze Zeit wollte. Der Zauberer folgte ihm. Niemand sprach, als sie zu ihren Pferden kamen und aufstiegen, um nach Camelot zurück zu reiten. Sie ritten den ganzen Weg schweigend zurück, bis sie die weißen Türme von Camelot sahen.
„Du weißt....das es nicht sein darf. Ich möchte das Guinevere nicht antun. So leid mir das auch tut....für uns beide." sagte Arthur leise und sah ihn voller Schmerz an.
„Ja, ich weiß, Arthur!"
„Merlin....ich...."
„Was?"
Arthur sah ihm in die Augen, dann schüttelte er den Kopf.
„Nichts!"
Das war das einzige Mal, das Arthur ihn geküsst hatte und mit der Zeit, die verging, kam es Merlin manchmal vor, als wäre es nie passiert. Aber er wusste, das es geschehen war und....er wusste, das Arthur auch so fühlte. Und diesen einen Moment, indem er Arthur so nah war, würde er nie vergessen.




„Ihr zwei solltet mal wieder auf die Jagd gehen." sagte Gwen.
Sie saß mit Arthur am Tisch und frühstückte, während Merlin sie bediente. Arthurs Kopf zuckte hoch und er sah zu Merlin. Der Zauberer schluckte und war einen Augenblick in dem strahlenden Blau von Arthurs Augen gefangen, bevor er den Kopf senkte und zu Boden sah. Die Erinnerung der letzten Jagd drängte sich in seinen Kopf....diese leidenschaftliche Küsse....Arthur so nah an sich zu fühlen. Arthur ging es wohl nicht viel anders, denn er nahm tief Luft, als er fragte
„Wieso?"
„Nun....es ist schon eine Zeitlang her. Und ich weiß, das du die Jagd liebst. Mach dir heute einen schönen Tag und gehe mit Merlin auf die Jagd. Du solltest mal entspannen." sagte Gwen.
Entspannen? Das ist alles andere als entspannen!
Er hatte fast Angst davor, mit Merlin allein zu sein. Sein Diener zog ihn magisch an und er hatte das schon länger bemerkt. Arthur ertappte sich viel so oft, das er an ihn dachte....an seine weichen Lippen....seinen Geschmack....das Gefühl, als er auf ihm lag.
„Ich kann nicht auf die Jagd gehen!" sagte Merlin plötzlich.
„Ich habe Gaius versprochen, ihm einige Kräuter zu sammeln, die er dringend benötigt."
Er wollte nicht, das Arthur in diese Lage kam, denn er wusste, das er Gwens Ehre nicht antasten wollte.
Und wenn sie allein im Wald waren....was würde dort geschehen? Nein, er wollte seinen König damit nicht belasten....er liebte ihn und respektierte seine Entscheidung, wenn auch sein Herz schmerzte.
„Dann ein anderes Mal!" sagte Gwen und aß weiter.
Arthur sah zu Merlin. Dankbarkeit und auch Trauer spiegelten sich in seinen schönen blauen Augen. Er nickte ihm kurz zu. Er war Merlin dankbar, denn er wusste nicht, ob er in der Lage gewesen wäre, sich zurückzuhalten. Er wollte Merlin....er wollte ihn so sehr, aber ....
Er schaute zu Gwen und lächelte sie an.
Aber er konnte ihr das nicht antun. Er liebte sie doch....oder? Und wieso zog es ihn dann zu Merlin?
Er schaute auf seinen Teller; er war innerlich so zerrissen. Konnte er zwei Menschen gleichzeitig lieben?
Und dazu noch so unterschiedlich? Er hatte noch nie auf diese Art für einen Mann gefühlt. Gut....er hatte seine Freunde, seine Ritter, die er auch liebte, aber das waren nur Freunde.
Was zum Teufel war anders bei Merlin?
Warum sehnte er sich, ihn zu berühren....küssen und ihn in seinem Bett......
Seine Königin riss ihn aus seinen Gedanken.
„Bist du fertig, Arthur? Wir müssen zur Ratsversammlung."
„Ja, wir können gehen!"
Beide standen auf und verließen den Raum und ließen einen niedergeschlagenen Zauberer zurück.



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