Avalon Kapitel 8

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Avalon


Kapitel 8




Merlin öffnete langsam seine Augen. Er lag einen Moment still, bevor er realisierte, wo er war. Er lag am Ufer des Sees. Wie war er hierher gekommen?
„Oh....du bist wach!"
Er setzte sich ruckartig auf, als er die weiche Frauenstimme hörte. Vor ihm stand Freya. Sie sah noch genauso aus, als sie damals in seinen Armen gestorben war. Nur hatte sie jetzt ein wunderschönes blaues Kleid an und nicht mehr das zerfetzte Kleid, das sie damals trug.
„Freya?"
„Ja, ich bin es, Merlin."
„Wie komme ich hierher?"
„Du bist tot!"
Merlin stand auf und sah sie ärgerlich an.
„Das weiß ich!"
Sie lächelte und schüttelte den Kopf.
„Ich hätte es wissen müssen!"
„Was?"
„Das nur du es fertig bringen würdest, das Schicksal zu ändern. Weißt du, es war nicht vorgesehen, das du jetzt hier vor mir stehst. Du hast alles verändert. Du hast alles durcheinander gebracht."
„Wieso?"
„Weil Arthur hier stehen sollte, nicht du. Für dich war eine andere Aufgabe vorgesehen. Aber jetzt wird die Zukunft neu geschrieben."
„Was für eine Zukunft? Ich bin tot!"
Freya lachte.
„Fühlst du dich denn tot?"
Zu seiner Verwunderung stellte er fest, das es nicht so war.
„Nein!"
Er tastete seinen Körper ab. Er hatte einen Körper. Er war kein Geist.
Freya trat auf ihn zu, streichelte zart über seine Wange und küsste ihn.
„Obwohl du alles auf den Kopf gestellt hast, freue ich mich, dich zu sehen."
Merlin lächelte sie an und neigte leicht seinen Kopf.
„Ja....ich auch! Trotz allem!"
Er schaute sich um.
„Freya....sag mir....wieso lebe ich....habe einen Körper, obwohl ich....?"
Freya machte eine ausschweifende Bewegung mit ihren Armen.
„Das ist die Magie von Avalon. Dieses Reich ist magisch....die Heimat der friedlichen Sidhe und einigen Menschen wie du. Du lebst durch diese Magie....auf eine gewisse Art.... und nur hier in Avalon. In der normalen Welt wäre dein Körper tot, wie bei allen anderen Menschen, die in die Geisterwelt schreiten. Sie sind nur noch Geister. Aber hier....hast du deinen Körper und du....existierst und du wirst nicht älter. Aber du kannst Avalon nicht verlassen. Dann verlierst du alles! Denn eines ist sicher....du bist tot!"
Merlin sagte nichts. Er dachte an Arthur. Bestimmt war Gaius schon zurück nach Camelot gekommen und hatte ihm von seinem Tod erzählt. Wie er wohl reagiert hatte? Ob er traurig war?
Er sehnte sich nach ihm....ihn nur noch einmal sehen. Er sah zum See.
„Das kannst du vergessen!"
Freya riss ihn aus seinen Gedanken.
„Was?"
Freya sah ihn ernst an.
„Merlin, wenn du dieses Reich ohne Erlaubnis verlässt, dann bist du wahrhaftig tot. Du kannst niemanden mehr sehen, den du liebst, auch wenn du dich noch so sehr danach sehnst."
„Wieso weißt du, was ich denke?"
Sie sah ihn wissend an.
„Weil ich diesen sehnsüchtigen Blick kenne. Jeder, der nach Avalon kam, dachte daran. Aber du kannst nicht zurück! Verstehst du das?"
„Ja....ich verstehe!" antwortete Merlin leise und traurig.
„Komm, ich will dir jemand vorstellen. Er wartet schon auf dich."
Merlin sah sie stirnrunzelnd an.
Sie lachte, nahm Merlin an der Hand und führte ihn vom See weg.
Der Zauberer sah sich um.
Avalon war unbeschreiblich schön. Grüne Wiesen und Bäume, die blühten. Obstbäume aller Art; ihre Äste voll mit reifem Obst. Bunte Vögel zwitscherten in den Bäumen und flogen munter durch die Luft. Der Himmel strahlte in einem schönen Blau und die Luft war frisch und rein.
Sie gingen über eine Wiese und Merlin sah Schmetterlinge, die in allen Farben über den vielen bunten Blumen tanzten. Es war warm und die Sonne schien, wenn auch nicht die Echte oder doch? Er wusste es nicht. Ein kleiner Bach durchzog die Wiese; sein Wasser glitzerte in der Sonne und war kristallklar.
„Gott Freya....es ist so wunderschön hier.... so friedlich."
Sie lächelte.
„Das ist Avalon! Willkommen!"
Fast tat ihm Arthur leid, das er das alles nicht sehen konnte. Es wäre bestimmt so überrascht gewesen, wie er. So hatte er es sich niemals vorgestellt. Er hatte Geschichten gehört, aber das....das übertraf jede Erzählung.
Es war....es war einfach nur schön. Hier könnte er leben....wenn er nicht tot wäre!
Er lächelte.
Was für ein Widerspruch!
Von Weitem sah Merlin eine kleine Hütte. Ein Mann stand davor und winkte ihnen zu. Merlin sah fragend zu Freya. Sie sah ihn an, aber sagte nichts und lächelte nur. Als sie näher kamen, lief der Mann auf sie zu. Merlin kniff die Augen zusammen, um ihn besser zu sehen. Er hatte dunkles Haar, einen gut gebauten Körper und war sehr gutaussehend. Als er immer näher kam, straffte Merlin sich und sah überrascht zu Freya, denn er hatte ihn erkannt.
Er zog die Luft ein, als er fassungslos seinen Namen rief
„Lancelot!"




Lancelot umarmte ihn lachend.
„Merlin! Ich konnte es nicht glauben, als Freya mir sagte, das du hierher kommst. Was hast du getan?"
Merlin öffnete den Mund, um etwas zu sagen, aber Lancelot unterbrach ihn
„Nein....erzähl es mir später. Komm!"
Er nahm den Zauberer am Arm und führte ihn zu der Hütte. Freya blieb zurück, und Merlin drehte sich nach ihr um.
„Kommst du nicht mit?"
Freya lächelte.
„Nein, geh du mit Lancelot. Wir sehen uns noch."
Dann drehte sie sich um und schritt davon.
Sie kamen zu der Hütte und Lancelot öffnete die Tür.
„Komm herein, Merlin!"
Merlin trat in die Hütte. Sie war größer, als sie von außen aussah. Es stand eine gemütliches Sofa vor einem Kamin, in der Ecke ein Tisch mit Stühlen, von dem man einen herrlichen Ausblick durch das Fenster hatte. Lancelot zeigte ihm alles. Er führte ihn in den angrenzenden Raum, in dem ein großes Bett und ein Schrank stand.
„Du lebst hier?" fragte Merlin verwundert.
Lancelot grinste.
Na ja....Leben ist zu viel gesagt.....ich bin auch tot, wie du dich sicher erinnern kannst. Ich würde es mal so ausdrücken....ich existiere hier, aber leben...."
Er schüttelte den Kopf.
„Aber es ist alles so real hier!" rief Merlin ungläubig.
„Nun, das ist Avalon. Du wirst dich daran gewöhnen. Auf jeden Fall ist es besser als die Geisterwelt.... viel besser. Dafür muss ich Morgana danken, das sie mich dort herausholte, auch wenn ihre Absichten böse waren. Und ich muss dir danken, das du mich danach hierher brachtest. Wir können hier existieren mit einem Maß an etwas.... Realem aus unserem Leben. Also habe ich hier dieses kleine Haus. Die Magie von Avalon ermöglicht das alles....außer es zu verlassen, denn wir sind trotz allem....tot!"
„Ich bin total verwirrt!"
Lancelot lachte.
„Ja....das war ich auch! Doch jetzt erzähl mir, was passiert ist."
Er zog Merlin zu dem Sofa und sie setzten sich.
Merlin erzählte ihm alles von Anfang an und endete mit seinem Tod.
„Arthur ist nun König und du hast ihm das Leben gerettet, indem du dich dazwischen stelltest?"
„Ja....ich konnte ihn nicht sterben lassen!"
Er schüttelte den Kopf.
„Das sieht dir ähnlich. Als ich noch lebte, konnte ich nie dieses Bedürfnis von dir, Arthur zu beschützen ganz verstehen. Warum?"
Merlin schaute verlegen weg.
„Es ist....mein Schicksal."
Lancelot neigte leicht fragend seinen Kopf.
„Merlin....da steckt doch mehr dahinter."
Merlin atmete tief ein. Dann sah er Lancelot an. Er wollte das Thema wechseln und sagte zu ihm
„Erzähl mir noch mehr von Avalon."
„Nun, es ist auch die Heimat der Sidhe. Sie haben mächtige Magie. Aber sie meiden uns. Sie dulden, das wir hier sind, aber sie wollen keinen Kontakt. Freya kümmert sich um diejenige, die hier ankommen, so wie du. Und....es ist ein Privileg für dich, hier zu sein. Nicht jeder darf nach Avalon, nur einige Menschen....besondere Menschen. Freya ist die Einzige, die zum König der Feen zur Audienz darf. Sie ist die Herrin des Sees. Aber ich werde dir im Laufe der Zeit alles zeigen. Denn Zeit....Zeit hast du hier im Überfluss. Also, sag mir, weißt du denn schon, wo du bleiben wirst?"
Merlin schüttelte den Kopf.
„Das ist alles so...." Er schaute sich um. „So anders. Ich hatte noch keine Zeit, einen klaren Gedanken zu fassen."
Lancelot wirkte nachdenklich, als er sprach
„Nun....wenn du willst, kannst du hier bei mir bleiben. Ich habe genug Platz und....und wir wären nicht allein. Was hältst du davon?"
Merlin lächelte ihn an.
„Ja, sehr gerne. Du warst immer mein Freund und ich würde gerne bei dir leben....ich meine existieren."
Sie sahen sich an und lachten beide.
„Dann ist es beschlossen!" lachte Lancelot. Dann wurde er wieder ernst.
Und noch etwas....wir müssen zwischen den Zyklen ruhen."
„Was meinst du?"
„Freya sagte mir, das wir alle hundert Jahren ruhen müssen. Dann tun wir so was ähnliches, wie schlafen."
„Und wie lange?"
Er zuckte die Achseln.
„Jahrhunderte! Ich weiß es nicht genau. Es ist ein Zyklus, der sich immer wiederholt und ich bin noch keine hundert Jahre hier."
„Können wir die Außenwelt sehen?"
„Nein....außer an unserem Todestag. Dann können wir an den See gehen und dann lichtet sich der Nebel für kurze Zeit. Dann kannst du das andere Seeufer sehen, aber dort ist nichts. Ich war einmal dort. Und....falls jemand dort stehen sollte, kann er dich nicht sehen, du kannst in die Welt sehen, aber die Menschen sehen nicht nach Avalon . Das Reich ist magisch geschützt."
Merlin seufzte. So schön es auch hier war und so sehr er sich freute, Lancelot wiederzusehen....er sehnte sich nach Arthur.
„Ist jemand schon mal zurückgegangen?" fragte er deshalb.
„Freya erzählte mir, das schon einige wieder in die Welt geschickt wurden. Aber zuvor waren sie Jahrhunderte hier. Und du musst eine Erlaubnis haben. Wenn du es ohne die versuchst..."
„Das hat Freya mir schon gesagt!"
Merlin wurde nachdenklich.
Bis dahin wäre Arthur nicht mehr am Leben. Merlin wusste, das er ihn nie wieder sah. Das war der Preis gewesen, den er zahlen musste, um ihn zu retten. Und sein Leben. Er erinnerte sich, als er ihn das letzte Mal sah. Er war so enttäuscht gewesen. Dem Zauberer hatte das sehr weh getan, ihn so zu sehen, aber er hatte keine Wahl gehabt. Aber jetzt würde Merlin alles dafür geben, Arthur noch einmal zu sehen und mit ihm zu sprechen. Alles in ihm schrie danach. Aber er hatte nichts mehr, was er anbieten konnte. Er war tot....eine Tatsache, die unumstritten blieb. Merlin fühlte, wie Trauer in sein Herz zog. Er hatte den Mann, den er liebte vor dem Tod gerettet, aber er hatte ihn für immer verloren.

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