Avalon Kapitel 72

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Avalon


Kapitel 72



Merlin ging in seinen Gemächer auf und ab. Er hatte keine Ruhe. Arthur war noch nicht zurück und er fühlte sich furchtbar....irgendwie schwach. Sie hatten sich im Streit getrennt, hatten sich hässliche Dinge an den Kopf geworfen. Wenn er jetzt nicht mehr zurückkam, Merlin wollte gar nicht daran denken, dann könnte er ihm nie wieder sagen, wie leid es ihm tat. Er liebte Arthur, wollte ihn nur beschützen, was er im Moment nicht konnte. Aber er hatte auch recht....er sollte ihm mehr vertrauen, wenn er allein etwas tat. Er fuhr sich zum hundertsten Mal durch die Haare. Gott, wenn er doch nur jetzt käme. Er machte sich furchtbare Sorgen, denn er wusste, das die Zauberer der alten Religion grausam und verschlagen waren. Es klopfte an der Tür
„Ja!"
Ein Diener kam herein und verneigte sich
„Der König will euch sofort sehen!"
„Danke!"
Merlin rutschte das Herz weg. Etwas war passiert und hoffentlich hatte das nichts mit Arthur zu tun. Er rannte buchstäblich zu des Königs Gemächer und klopfte mit rasenden Herzklopfen an.
„Herein!"
Merlin trat ein und sah Shaylon an, der in der Mitte des Raumes stand. An seinem Gesichtsausdruck konnte Merlin sehen, das etwas Schlimmes passiert war.
„Was ist los?" fragte er mit zittriger Stimme.
Shaylon nahm einen tiefen Atemzug
„Merlin....es gab einen Zwischenfall....beim Austausch!"
„Was....was ist passiert?" Ihm wurde schlecht.
Shaylon sah ihn lange an, als müsste er überlegen, was er sagen sollte....und vor allem.... wie.
„Eben ist ein Soldat zurückgekommen." begann er langsam „Er ist...." der König fuhr sich nervös durch seine Haare „Der einzige Überlebende von dem Trupp, der zum Austausch aufgebrochen war."
„Nein!" hauchte Merlin „Nein....nein....nein!"
„Merlin....Gott, wie soll ich es nur sagen? Merlin....nach seiner Aussage....wurde Arthur von Magnus getötet.... er....er hat es mit eigenen Augen gesehen!"
„Nein!" schrie Merlin „Das kann nicht sein....nein....lieber Gott....nein!"
Shaylon war mit drei Schritten bei ihm, griff mit beiden Händen an seine Schulter
„Merlin....es tut mir so leid....Gott....ich weiß nicht....was ich sagen soll? Er war mein Freund!"
Merlin schüttelte heftig den Kopf
„Nein....Arthur....nein....bitte nicht....nein!" schrie er, brach auf dem Boden zusammen. Ihm war furchtbar schlecht und er konnte nicht atmen.....er konnte nicht atmen! Shaylon warf sich vor ihn auf die Knie, schüttelte ihn an den Schultern
„Merlin....atme....um Himmels Willen....atme!"
Aber Merlin atmete nicht....er konnte nicht!
Shaylon schlug ihm ins Gesicht.
„Merlin....verdammt....atme....atme!" schrie Shaylon verzweifelt
Merlin sah ihn an.....soviel Schmerz....soviel.... in seinen Augen. Er zog zögerlich die Luft ein.
„Atme....ein....aus....ein....aus....gut!" sagte der König jetzt ruhiger. Er wusste, das Merlin in einem Schockzustand war. Er stand auf und brachte ihm ein Becher Wasser.
„Trink das!" sagte er zu dem Zauberer. Aber Merlin schaute nur lethargisch auf den Boden.
Shaylon seufzte
„Merlin....bitte!"
„Wieso konnte er getötet werden? Wir sind doch tot!" fragte er leise, ohne den Blick vom Boden zu nehmen.
„Es ist die Magie! Ich vermute stark, das sie jetzt zu schwach ist, um ihn am Leben zu halten. Ihr seid an Avalon gebunden....euer Leben. Letztendlich ist es die Magie, die euch lebendig macht, aber das kann sie jetzt nicht mehr ausgleichen, sie hat nicht mehr genug Macht."
Merlin stand langsam auf und ging zur Tür. Dort drehte er sich wieder um, schaute Shaylon fast stumpfsinnig an, dann ging er ohne ein Wort. Shaylon sah verzweifelt zu der geschlossenen Tür. Ja, er war verzweifelt....Navarr gefangen....Arthur, sein bester Freund....tot....Merlin....jetzt eine wandelnde Leiche, aus der alles Leben, alle Hoffnung und Freude verschwunden war! Die Magie....fast verbraucht, sie lag in den letzten Zügen. Wenn sie versagte, dann würden die Zauberer die Stadt einnehmen, ihn und Linume töten und alle, die ihm die Treue geschworen hatten. Was sollte nur werden....sie brauchten ein Wunder!



Merlin schleppte sich zu seinen Gemächer. Eigentlich wusste er nicht, wie er dorthin kam. Der einzige Gedanke in seinem Kopf war Arthur, der ihn verlassen hatte und nie mehr wiederkam. Er öffnete die Tür und trat ein. Sein Blick fiel auf Arthurs Tunika, die er achtlos über den Sessel geworfen hatte, als er sich umgezogen hatte. Merlin nahm sie und hielt sie vor sein Gesicht. Sie roch nach Arthur und Merlin schluchzte auf. Dann ließ er seine Hände fallen, ballte sie um den Stoff zu Fäusten und warf den Kopf zurück. Er schrie all seinen Schmerz....seine Trauer und Verzweiflung heraus und zum ersten Mal, seit er in Avalon war, fühlte er seine Magie. Sie brodelte unter seiner Haut, wie ein Vulkan, der jederzeit ausbrechen konnte. Merlin keuchte, schloss die Augen und drängte sie zurück.
„Merlin? Was ist los?"
„Merlin? Warum schreist du so verzweifelt?"
Tegan! Er musste aus Versehen Tegan kontaktiert haben.
„Merlin?"
„Ja!"
„Was ist los?"
„Tegan....ich....ich muss dir etwas sagen! Arthur....er ist.... tot....er ist tot!"
„Nein....wieso....was ist passiert?"
„Der Zauberer hat ihn getötet!"
Ein Moment hörte er nichts, aber dann hallte ein klagendes Gebrüll durch seine Gedanken. Der Drache weinte. Merlin warf sich auf das Bett, grub sein Gesicht in Arthurs Tunika und weinte mit ihm.



Arthur öffnete langsam die Augen. Er lag immer noch unter diesem Felsvorsprung, der von dem Busch verdeckt war. Inzwischen war es hell. Wieso war er nicht tot? Oder doch! Er wusste es nicht.... das war kein Traum gewesen und er griff sich an seine Wunde, die höllisch schmerzte, um dies zu bestätigen. Er war sich sicher, das er viel Blut verloren hatte, denn er fühlte sich schwach. Aber er musste versuchen, von hier wegzukommen, was nicht leicht war, da er so verletzt und angeschlagen war. Er rutschte mühsam vor, spähte durch den Busch. Immer noch lagen die getöteten Feen auf dem Boden seitlich der Höhle. Es war still, niemand war zu sehen oder zu hören. Arthur kletterte langsam unter Schmerzen und keuchend aus seinem Versteck, zog sich an der Wand hoch und lehnte sich stöhnend dagegen, sah sich um, während er sich ausruhte. Er fühlte, das die Wunde wieder zu bluten angefangen hatte. Das Gelände vor der Höhle war eben und karg. Sie würden ihn vielleicht sehen, wenn er versuchen würde, zurück zur Stadt zu kommen. Aber er war geschwächt, die Wunde schmerzte und blutete und er glaubte nicht, das er das schaffte, falls er unentdeckt entkommen könnte. Er schloss die Augen, atmete hektisch. Es fiel ihm schwer, einen klaren Gedanken zu fassen.
„Tegan!"
„Tegan....hilf mir!"
Tegan, der sich in seiner Höhle eingerollt hatte und trauerte, hob den Kopf
„Arthur? Arthur!"
„Bitte hilf mir....ich bin verletzt!"
Tegan konnte ihn nur sehr leise hören, als ob er Schwierigkeiten hätte, zu denken.
„Sie werden....mich....töten, wenn sie mich....erwischen!"
„Ich komme, Arthur....ich komme!"
Tegan sprang aus der Höhle und erhob sich in den strahlend blauen Himmel.
Merlin lag auf dem Bett und schaute stumpfsinnig hoch zur Decke. Er hatte geweint, bis er keine Tränen mehr hatte und jetzt war ihm alles egal. Ohne Arthur hatte nichts mehr einen Sinn. Sollten sie doch kommen und ihn töten....er würde sich nicht wehren. Es wäre eine Erlösung aus seinem alles verzehrendem Schmerz.
„Merlin! Merlin!"
„Arthur hat mich gerufen!"
Er brauchte einen Moment, um zu realisieren, was Tegan gesagt hatte.
„Was?"
Merlin setzte sich ruckartig auf
„Wann?"
„Gerade eben....er ist verletzt und sie sind hinter ihm her! Sie werden ihn töten, wenn sie ihn erwischen!"
„Weißt du, wo er ist?"
„Ja, ich bin auf dem Weg, ihn zu holen!"
„Hat er dir gesagt, wo er ist?"
„Nein....aber ich weiß es einfach! Kann es dir nicht erklären!"
Merlin sah aus dem Fenster. Es war Tag.
„Sie werden dich sehen!"
„Ich weiß, aber das ist jetzt egal! Ich werde Arthur nicht sterben lassen....niemals!"
„Tegan....sei vorsichtig und melde dich, wenn du ihn gefunden hast!"
„Ja, Merlin!"
Merlin sprang auf und rannte zu Shaylons Gemächer. Er rannte in diese, ohne zu klopfen. Shaylon saß an seinem Schreibtisch und sah überrascht hoch
„Merlin....was ist denn los?"
„Tegan....Tegan....Arthur hat ihn gerufen!" sagte er atemlos.
„Was? Das gibt es doch nicht!"
Shaylon sprang auf und eilte zu Merlin
„Bist du sicher?"
Merlin nickte
„Er hat es mir gerade mitgeteilt. Er ist verletzt und sie sind hinter ihm her. Tegan holt ihn!"
„Sie werden ihn sehen....es ist Tag!"
„Das ist ihm egal....er wird Arthur holen, egal was ich sage! Er lässt ihn nicht allein!"
„Dann lass uns hoffen, das alles gut geht!" sagte der König.




Arthur stolperte über die Ebene, hielt sich den Bauch, dort wo die Wunde war. Er kam nur schwerlich voran, keuchte vor Schmerzen und die Verletzung blutete wieder, so das er spürte, das er immer schwächer wurde. Die Wachen hatten ihn entdeckt und nahmen die Verfolgung auf. Sie kamen schnell näher. Er hörte Magnus, der vor der Höhle stand, schreien
„Fangt ihn ein, aber tötet ihn noch nicht.... das werde ich selber tun!" sagte er grinsend, leise zu sich selbst.
„Tegan!!! Sie haben mich gleich....Tegan!!"
„Ich bin gleich da, Arthur....gleich da!"
Arthur konnte nicht mehr weiter, fiel auf die Knie und schloss seine Augen. War das das Ende? Er hörte die Kreaturen näher kommen und er hörte sie auch überraschend grunzen. Er öffnete seine Augen. Tegan schwebte über ihm, wie ein riesiger Schatten, seine Augen leuchteten unheimlich grün, als er einen gewaltigen Feuerstoß auf die vier Kreaturen spie. Arthur drehte mühsam seinen Kopf, sah, das die vier Sandsoldaten erstarrten und....auseinander bröckelten, wie Sand, dem man alle Feuchtigkeit entzogen hatte. Übrig blieb nichts mehr von ihnen, sie verteilten sich auf der Erde, wurden ein Teil von ihr. Arthur stöhnte, dann brach er zusammen.
Magnus sah mit weit aufgerissenen Augen und offenem Mund zu dem riesigen, schwarzen Drachen, der über dem Mensch schwebte und seine Soldaten mit einem einzigen, großen Feuerstoß zerstörte. Er hob die Hand, erstarrte aber mitten in der Bewegung, als Tegan ihn mit leuchteten, grünen Augen ansah. Sie wirkten fast hypnotisierend auf Magnus, der unbeweglich auf dem Plateau vor dem Höhleneingang stand. Sie starrten sich einen Moment an, bis der Drache nieder schwebte und den Mensch sanft und vorsichtig zwischen seine Krallen nahm. Dann flog er ohne weiter auf den Zauberer zu achten in den Himmel und nahm den Mensch mit. Magnus sah ihm nach, immer noch total überrascht und unfähig, etwas zu tun, bis er verschwunden war. Er konnte nicht glauben, was er gesehen hatte. Ein Drache hatte diesen Menschen beschützt und für ihn gekämpft, ihn anschließend mitgenommen. Wer war dieser Mensch, das er Macht über einen Drachen hatte?
Wer zum Teufel war er?
„Merlin!"
Merlin blieb stehen, denn er war die ganze Zeit in Shaylons Gemächer auf und ab gegangen. Shaylon sah ihn an.
„Ich habe Arthur....er ist verletzt! Bin auf dem Weg zu euch, komme sehr schnell rein!"
„Ist gut, Tegan! Ich warte auf dich!"
„Er kommt mit hoher Geschwindigkeit in den Schutzschirm." sagte Merlin zu Shaylon und beide rannten aus den Gemächer in Richtung Schlosshof. Sie brauchten nicht lange zu warten. Tegan kam wie ein Pfeil über die belagernden Truppen und tauchte in den Schutzschirm ein, bevor die Zauberer überhaupt wussten, was eigentlich da kam. Er landete sanft, bedacht darauf, Arthur, der in seiner Kralle hing, nicht zu verletzen. Merlin und Shaylon rannten auf ihn zu, sowie vier Soldaten, denen der König im Vorbeilaufen etwas zugerufen hatte. Tegan legte Arthur vorsichtig ab und trat einen Schritt zurück. Merlin ließ sich neben ihn fallen, strich zärtlich durch sein Haar, als er immer wieder flüsterte
„Arthur....Arthur!"
„Bringt ihn in seine Gemächer....vorsichtig!" befahl der König und die vier Soldaten hoben ihn auf und brachten ihn weg. Merlin und Shaylon folgten ihnen. Nachdem sie Arthur auf das Bett gelegt hatten, entkleidete Merlin ihn vorsichtig. Shaylon half ihm. Als er nackt war und Merlin die Wunde sah, zog er hörbar die Luft ein. Der König sah ihn an
„Was ist?"
„Die Wunde....sie ist tödlich und er hat sehr viel Blut verloren! Aber wieso lebt er noch mit solch einer Verletzung?"
Shaylon wurde nachdenklich
„Shaylon?"
Der König sah auf
„Ich glaube, das die Magie ihn am Leben hält....noch! Normalerweise würde sie bei euch, die schon tot sind, die Wunde heilen, wie die Wunden, die Arthur hatte, als ich ihn erstochen habe. Aber da sie so schwach ist, denke ich, das sie ihn nicht heilen kann, sondern ihn nur am Leben hält, wenn auch nur schwach....und nur so lange, bis sie vollkommen aufgebraucht ist!"
„Was passiert dann?"
„Der Schirm erlischt....die feindlichen Truppen werden die Stadt überrennen. Sie werden mich und Linume töten und alle, die treu zu mir stehen."
„Was passiert mit uns?"
Shaylon zögerte mit der Antwort, aber dann sagte er
„Arthur, du, Anna, Lancelot und Freya....werdet sterben....endgültig! Es ist die Magie von Avalon, die euch am Leben hält, wenn sie stirbt.....stirbt ihr auch!"
Merlin nickte und sah zu Arthur. Ihre Tage waren gezählt. Sie würden den endgültigen Tod finden. Der einzige Trost den er hatte, war, das er und Arthur zusammen sterben würden, keiner müsste leiden und vielleicht....vielleicht könnten ihre Seelen dann zusammen sein.
„Wie du siehst....stehen wir alle mit einem Bein in unseren Gräbern."
Shaylon griff nach seinem Arm
„Aber....es war mir eine Ehre....dich und Arthur gekannt zu haben und das ihr meine Freunde seid!"
„Hör auf, dich zu verabschieden! Noch sind wir hier!" sagte Merlin.
„Ja....noch sind wir hier!" sagte Shaylon leise. Merlin hatte die Wunde ausgewaschen und verbunden. Dann zog er ihm eine Hose und eine Tunika an. Mehr konnte er jetzt nicht mehr tun. Alles andere lag in einer anderen Macht.


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