Avalon
Kapitel 36
Nachdem Anna etwas zu essen gemacht hatte, das sie argwöhnlich begutachtet hatten, aber dann mit gutem Zureden von ihr gegessen hatten, machten sie sich bereit für aufzubrechen. Anna gab jedem von ihnen einen Pullover und eine Jacke von ihrem Bruder. Dann gingen sie durch den hinteren Eingang, der zur Garage führte. Sie war groß und mehrere Wagen standen darin, unter anderem ein schwarzer Porsche, ein Mercedes und ein Landrover. Anna ging zu dem Landrover, schloss ihn auf und setzte sich hinter das Lenkrad. Erst jetzt fiel ihr auf, das die beiden ihr nicht gefolgt waren und immer noch an der Tür standen. Sie schaute irritiert durch die Windschutzscheibe zu ihnen und seufzte.
„Okaaay!" sagte sie langsam und stieg wieder aus. Sie ging auf Arthur und Merlin zu, die immer noch bewegungslos an der Tür standen.
„Was ist denn los? Ich denke, wir wollten los!"
Arthur zeigte auf die Wagen
„Was ist das?"
Sie drehte sich um und sah zu den Autos. Natürlich! Sie kannten das ja nicht. Sie vergaß immer wieder, das sie so etwas Alltägliches wie ein Auto nicht kannten. Sie zeigte auf den Landrover.
„Das....das ist ein Auto!"
Sie sahen sie erstaunt an und Merlin fragte
„Damit hatte Navarr einen Unfall?"
„Ja, aber mit einem anderen Wagen....kleiner. Der große Wagen gehört mir, der in der Mitte meinem Vater und der Schwarze ist meinem Bruder. Ich weiß....ihr kennt das nicht, aber es ist nichts Schlimmes. Kommt mit und steigt ein. Wir werden schneller dort sein, als mit Pferden."
„Wir sollen uns in diesen Kasten setzen?" fragte Arthur ungläubig und schaute zu Merlin.
„Ja!" sagte Anna
„Können wir nicht Pferde haben?" fragte Arthur
Anna lächelte
„Nein, das ist nicht möglich! Weißt du....mit Pferden reitet heute keiner mehr. Deshalb haben wir jetzt Autos."
Sie gingen zu dem Landrover und schauten ihn skeptisch an. Arthur sah zu Merlin
„Merlin?"
„Wenn Anna sagt, das es in Ordnung ist, dann sollten wir es tun. Welche Wahl haben wir denn? Du hast sie gehört....man benutzt keine Pferde mehr."
Arthur nickte
„Also gut!
Er schaute zu Anna, die ihnen die Tür öffnete. Sie stiegen vorsichtig hinein, schauten sich um. Anna musste grinsen, anhand ihrer Vorsichtigkeit, die sie an den Tag legten. Arthur saß auf dem Beifahrersitz, während Merlin auf der Rückbank saß.
Als sie saßen, sah sie zu Arthur
„Also gut!" Sie beugte sich mit einer Entschuldigung über ihn und griff nach dem Gurt. Sie schnallte ihn an.
„Wozu ist das?" fragte Arthur
„Sicherheit! Das ist Pflicht!"
Das Gleiche tat sie mit Merlin.
Sie lächelte....sie hätte niemals gedacht, das einmal der König von Camelot neben ihr im Auto sitzen würde.
Sie startete den Motor. Arthur zuckte zusammen. Beide saßen völlig angespannt und mit schreckensbleichen Gesichter neben ihr. Dann fuhr sie auf die Straße.
„O Gott!" keuchte Arthur und hielt sich krampfhaft an den Türgriffen fest. Anna sah in den Rückspiegel. Merlin erging es nicht besser. Niemand sprach, sie saßen wie Statuen neben ihr mit großen erschreckten Augen.
Trotz den Veränderungen durch die Jahrhunderte dirigierten sie Arthur und Merlin in die richtige Richtung. Nach ungefähr vier Stunden sagte Merlin.
„Stop....wir müssen ab hier ein Stück zu Fuß gehen. Dann sind wir da."
Anna parkte den Wagen und stieg aus, nachdem sie Arthur, der sich immer noch krampfhaft festhielt, vom Gurt befreite. Er atmete erleichtert aus.
„Also, ich werde jedes Pferd dem hier vorziehen! Das einzige Gute ist....wir sind schneller da."
Anna lachte.
Sie gingen querfeldein, ein Stück durch den Wald und dann einen Hügel hoch.
„Wenn wir oben sind, konnte man auf Camelot sehen." sagte Arthur.
Als sie auf dem Hügel standen, sahen sie....nichts. Keine weiße prachtvolle Türme, auf denen die Fahnen von Camelot wehten. Kein Schloss und keine Stadt. Der Platz, wo einst das mächtige, prachtvolle Camelot stand, war leer. Sie standen auf dem Hügel, bewegungslos und schauten sich an. Anna konnte die Traurigkeit in ihrem Blick sehen.
„Es ist weg!" flüsterte Arthur. Er schloss seine Augen und Merlin fuhr ihm zärtlich über den Rücken.
„Arthur" sagte er sanft „Es sind eintausendfünfhundert Jahre vergangen. Was hattest du erwartet?"
„Ich weiß es nicht." flüsterte er
Anna stand neben ihnen, sah ihre Traurigkeit und hätte sie am liebsten umarmt und getröstet. Was musste das für ein Gefühl sein, alles, was man kannte, verloren zu haben.
Merlin nahm ihn an der Hand.
„Komm, lass uns hinuntergehen!"
Arthur nickte.
Sie kamen auf eine Lichtung und Merlin blieb stehen. Er sah sich um. Die alte Eiche stand immer noch hier, wenn auch nur noch teilweise und der kahle Stamm wirkte wie ein Mahndenkmal.
Anna trat neben sie
„Was ist hier, Merlin?"
„Hier habe ich mich immer mit Kilgarrah getroffen. Der große Drache!"
„Ein Drache?" fragte sie überrascht.
„Ja....er war mein Freund! Er half mir, Arthur zu beschützen. Aber er ist jetzt schon lange tot!"
Sie gingen weiter und erreichte kurz danach das Tor zu dem Schloss. Es waren nur noch Steine mit einem halben Torbogen, verwittert und alt. Sie gingen hindurch und kamen auf den damaligen Platz. Dort, wo Gwen ihn verabschiedet hatte und er nie mehr zurückgekehrt war. Es herrschte ein erdrückendes Schweigen zwischen ihnen, als sie die teilweise zerstörte Treppe hinaufstiegen, die in den Thronsaal führte. Überall waren die Mauern zerstört und man konnte über das Land blicken. Sie erreichten den Thronsaal oder das, was davon übrig war. Alles war verwittert, zerstört....das Dach nicht mehr vorhanden, man konnte in den Himmel sehen. Die Natur hatte sich einen Weg in die Ruine gesucht, überall wuchs Gras und kleine Büsche. Sie blieben dort, wo einst Arthurs Thron stand stehen und sahen sich um.Arthur wandte sich an Anna, als er traurig sagte
„Hier das....war der Thronsaal....mein Thronsaal."
Anna schaute sich um. Sie konnte nicht sagen, was sie fühlte. Sie stand hier im Thronsaal des einstigen Camelots....des wirklichen Camelot, an der Seite von König Arthur und Merlin. Noch immer konnte sie es nicht ganz fassen. Ein Traum war für sie in Erfüllung gegangen.
Arthur sah sich um, schaute dort hin, wo einmal die Tür war. Vor seinem geistigen Auge sah er Gwaine, Persival und Leon mit ihren roten Umhänge eintreten, die sich leicht verneigten und ihn anlächelten.
Er seufzte. Sie waren lange tot....verloren im Wirbel der Zeit. Merlin trat neben ihn
„Wir hätten nicht herkommen sollen! Das alles zu sehen, macht uns nur traurig."
Er nickte
„Ja, niemand von uns hatte gedacht, als wir Camelot verließen, das es das letzte Mal war, das wir es sehen würden."
Merlin sah ihn an
„Ja, hätte ich damals gewusst, das ich es nicht schaffe, dann hätte Gaius mein Zauberbuch mitgenommen."
„Dein Zauberbuch?"
„Ja....es war sehr wertvoll, dort standen die schwierigsten Zauber drin."
„Wo hattest du es aufbewahrt?"
Merlin sah ihn an und lächelte leicht
„Ich hatte es in meinem Zimmer versteckt....vor dir."
Arthur lächelte, beugte sich vor und küsste ihn
„Du warst ein Dummkopf! Ich hätte dir nie etwas getan!"
Anna trat zu ihnen und war gerührt, als sie sah, wie liebevoll sie miteinander umgingen.
„Über was redet ihr?"
„Über Merlins Zauberbuch. Er ließ es in Camelot zurück." sagte Arthur
„Ja, Gaius wusste, wo es versteckt war....ich frage mich....was er wohl damit getan hatte? Er konnte auch zaubern, aber für diese Zaubersprüche war er nicht mächtig genug."
Anna dachte einen Moment nach
„Vielleicht hat er es an einem sicheren Ort versteckt. Wenn er geahnt hatte, das du unsterblich bist....und das du vielleicht....eines Tages zurückkommst....wer weiß?"
Merlin sah sie überrascht an
„Ja, so wie ich ihn kenne....könnte er das getan haben. Aber nach so langer Zeit....."
„Nun, je nach dem, wie er es aufbewahrt hat, könnte es noch vorhanden sein. Es gibt heute viele alte Bücher, die vorsichtig behandelt wurden und noch gut erhalten sind."
„Aber wo?" warf Arthur ein „Hier in den Mauern bestimmt nicht."
Merlin wirkte nachdenklich, nach einem Moment sagte er
„Warte mal....ja....die alte Eiche! Dort haben wir immer Zaubersprüche trainiert!"
Sie verließen die Ruine; am Tor sah Arthur noch einmal zurück. Zurück zu seiner Vergangenheit....zu seinem ehemaligen Leben, das er aus Liebe zu Merlin aufgegeben hatte. Er würde wahrscheinlich nie mehr hierher zurückkommen und wenn, dann wären die letzten Spuren von Camelot auch verschwunden. Merlin strich ihm über sein Haar und fragte leise
„Hast du es jemals bereut....es aufzugeben?"
Arthur schüttelte den Kopf
„Niemals....dafür liebe ich dich viel zu sehr. Es ist nur....traurig zu sehen, was aus meinem Reich geworden ist."
„Ja!" sagte Merlin leise
Anna sah sie bewundernd an. Sie konnte nicht glauben, wie tief verbunden die beiden miteinander waren. Ihre Liebe zueinander strahlte förmlich von ihnen ab. Sie hatte so etwas noch nie erlebt. Sie kannte viele Paare....auch Paare ihrer Art, aber das war bei weitem kein Vergleich.
Sie kamen zur Lichtung und zu der alten Eiche. Als sie darauf zugingen, stoppte Merlin abrupt.
„Was ist los, Merlin?"
Er neigte leicht den Kopf und horchte in sich hinein, dann sah er zu Arthur
„Ich fühle....Schwingungen von Magie!"
„Was?" fragte Arthur überrascht
„Ja....die Eiche!"
„Kannst die Quelle finden?"
Merlin nickte und ging schweigend zu der Eiche. Anna und Arthur folgten ihm. Merlin umrundete die knorrige alte Eiche langsam und blieb stehen.
„Hier....im Boden....hier ist die Quelle."
Sie standen zu dritt um die Stelle und starrten auf das Gras.
„Hier ist irgendetwas vergraben, das Magie ausstrahlt." sagte Merlin
„Gut!" antwortete Arthur „Dann graben wir es aus!"
„Wollt ihr das wirklich tun?" fragte Anna etwas ängstlich. Sie hatte von Magie überhaupt keine Ahnung. Das war absolutes Neuland für sie.
„Es ist keine böse Magie." sagte Merlin „Ich würde das spüren."
Sie suchten sich große flache Steine und fingen an zu graben. Anna war froh, das es geregnet hatte, so war der Boden aufgeweicht.
Sie hatten schon ein ziemlich tiefes Loch gegraben, als sie auf etwas Hartes stießen. Sie schaufelten es frei und sahen eine relativ gut erhaltene Holzbox. Merlin nahm sie vorsichtig heraus und stellte sie auf den Boden.
„Was ist das?" fragte Anna
Merlin erkannte die Box. Es war eine von diesen Boxen, in denen Gaius früher seine Kräuter aufbewahrte. Er sah überrascht zu Arthur
„Arthur....das ist eine Box, wie Gaius sie früher hatte."
„Bist du sicher?"
„Ja....und sie ist mit einem Zauber belegt."
„Was für ein Zauber, Merlin?" fragte Arthur
Merlin schloss die Augen, dann öffnete er sie und sagte
„Mit einem Schutzzauber!"
Arthur nahm tief Luft
„Dann ....dann ist das vielleicht.....öffne sie!"
Merlin murmelte ein paar Wörter und seine Augen glühten auf. Anna sah ihn fasziniert an. Er war bei Gott....Merlin, der legendäre Zauberer....und sie hatte die Ehre, ihn zu kennen.
Merlin öffnete die Box und keuchte auf. In dieser Box lag....sein Zauberbuch! Er sah überrascht zu Arthur und Anna.
„Mein Zauberbuch!" flüsterte er
Auf dem Buch lag in dem typischen gelblichen Ton ein Pergament....ein Brief, wie man sie damals in Camelot schrieb. Merlin nahm und öffnete ihn. Es war ein Brief von Gaius
Merlin, mein Junge!
Sollte ich mit meiner Vermutung richtig liegen, dann bist du in Avalon unsterblich.
Ich habe immer noch die Hoffnung, das es dir eines Tages gelingen könnte, wieder
in diese Welt zu kommen. Für diesen Tag, den ich wahrscheinlich nicht mehr erleben
werde, habe ich dein Zauberbuch an der alten Eiche versteckt. Da ich nicht weiß,
wie lange es dauern wird, habe ich einen Schutzzauber auf die Box gelegt, die verhindert,
das es in der Zeit zerstört wird. Ich bin mir sicher, das du es finden wirst. Obwohl mir mein Herz brach, als ich dich und später Arthur nach Avalon geschickt habe, hoffe ich, das du glücklich bist und das Glück und die Liebe mit ihm gefunden hast.
Mein Junge, es war mir eine Ehre, dich gekannt zu haben. Du hast mich immer mit Stolz
und Freude, wie ein Vaters für seinen Sohn erfüllt. Denn ich habe dich geliebt, wie einen Sohn,
den ich nie hatte. Ich werde dich nie vergessen und auch nicht Arthur, meinen König. Ihr hattet
viel zu früh diese Welt verlassen, aber das Schicksal hatte andere Pläne.
Sag Arthur, das Gwen Camelot regiert, wie er es sich gewünscht hätte. Und das sie trotz allem noch ihr Glück mit Leon gefunden hat.
Ich bin alt, die Spuren meines Lebens haben tiefe Kerben hinterlassen. Wenn ich diese Welt verlasse, werde ich nichts bereuen, im Gegenteil! Ich war sehr glücklich, das ich einen kleinen Teil meines Lebens mit dir verbringen durfte! So lebe dann wohl, mein Sohn!
In Liebe Gaius
Tränen liefen Merlin über die Wangen, als er still die letzten Zeilen von Gaius las. Soviel Trauer lag in seinen Augen, als Arthur auf ihn zuging und ihn in seine Arme nahm. So standen sie eine Weile und Merlin weinte leise an Arthurs Schulter. Er strich ihm beruhigend über den Kopf und Nacken, küsste ihn auf sein Haar, aber sagte nichts, hielt ihn nur fest. Anna hatte Tränen in den Augen, als sie diese herzergreifende Szene sah. Nach einer Weile löste sich Merlin von Arthur und gab ihm stumm das Pergament. Arthur las es, dann schaute er zu Merlin
„Es tut mir so leid, Merlin."
Dieser nickte stumm. Anna reichte ihm ein Taschentuch, das er dankend annahm.
„Es tut mir auch leid." sagte sie leise.
Merlin holte tief Luft, schaute noch einmal wehmütig über das Land....über die Stelle, wo er einst lebte und glücklich war, an Arthurs Seite. Er nahm Abschied....abschied, den er damals nicht nehmen konnte.
Abschied von all seinen Freunden, die er zurücklassen musste....und von Gaius.
Dann nahm er die Box und sah zu Anna und Arthur
„Lasst uns zurückgehen. Hier ist nichts mehr, was uns jemals bedeutet hat." sagte er leise und traurig.
Sie nickten, dann machten sie sich auf den Rückweg.

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Avalon
Hayran KurguMerlin rettet Arthur in Camlann sein Leben. Aber zu welchem Preis? Und wird Arthur damit klar kommen? Ist Liebe stärker als alles andere? Und werden die beiden ihr Glück finden? Pairing Arthur/Merlin