Avalon Kapitel 10

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Avalon


Kapitel 10




Gaius klopfte am nächsten Nachmittag an die Tür von Arthurs Gemächern.
„Herein!" hörte er Arthur sagen.
Er öffnete die Tür und trat hinein. Arthur stand in der Mitte des Raumes und sah ihn fragend an.
„Gaius, gibt es etwas?"
„Seid ihr allein?"
Arthur runzelte die Stirn.
„Ja....Gwen ist ausgeritten."
„Gut!"
Gaius trat in die Mitte des Raumes und blieb vor dem König stehen.
„Ich möchte mit euch über jemanden reden."
„In Ordnung, wer ist es?"
„Der König von Camelot!"
Arthur neigte leicht seinen Kopf und schaute ihn überrascht und verwirrt an.
„Was ist mit mir?"
„Leon war gestern nach dem Training bei mir."
An Arthurs Gesichtsausdruck konnte Gaius erkennen, das der König wusste, um was es sich handelte.
Es dauerte nur einen Moment, dann hatte sich Arthur wieder im Griff und setzte die Maske des Königs auf. Er hob sein Kinn an, als er fragte
„Und?"
„Er hat mir berichtet, das ihr die letzte Zeit im Training unkonzentriert seid. Er hat mir auch berichtet, das die Ritter das Gefühl haben, das ihr euch absichtlich Schmerzen zufügen lasst."
„Das....das ist doch absurt! Warum sollte ich das tun?"
„Ich weiß es nicht! Sagt ihr es mir, Sire!"
Eine Stille entstand und beide sahen sich nur an, bis Arthur seinem Blick auswich und sich umdrehte. Er ging langsam zum Fenster und blieb mit dem Rücken zu Gaius stehen.
Gaius wagte eine Prognose, als er leise sprach
„Leon hatte recht, nicht wahr? Ihr tut das absichtlich. Ihr wollt euch für etwas....bestrafen. Für was, Arthur?"
Der König antwortete nichts und drehte sich auch nicht zu Gaius herum. Er schaute bewegungslos aus seinem Fenster. Mit einem beschwörenden Unterton sagte Gaius
„Arthur!"
Arthur hob leicht seinen Kopf, als er leise sprach
„Weil ich....weil ich noch lebe."
„Was?"
Arthur wirbelte herum.
„Weil ich lebe und Merlin deshalb gestorben ist!" schrie er verzweifelt.
Gaius nickte langsam.
Er hatte so etwas schon geahnt. Trauerbewältigung! Die Menschen reagierten unterschiedlich darauf.
Manche aßen nichts mehr....manche gaben einfach auf und andere bestraften sich dafür, das sie noch lebten.
„Ich fühle mich so....so schuldig! Er gab sein Leben, um mich zu retten. Wieso hat er das getan....wieso nur?"
Gaius atmete tief ein.
„Weil er euch geliebt hat! Weil er nicht ertragen konnte, das euch etwas passiert!"
„Und wie soll ich ertragen, das er tot ist? Ich habe ihn auch geliebt! Ich vermisse ihn so sehr. Es ist jetzt fast ein Jahr her, aber dieser Schmerz in mir....es ist, als wollte er nie vergehen. Ich bin schuld, das er tot ist, ich werde mir das niemals verzeihen....und ihm auch nicht. Er ließ mich allein....mit all diesem Schmerz."
„Arthur....er ist für euch gestorben, damit ihr lebt und ein großer König seid. Er würde nicht wollen, das ihr so handelt. Er wollte, das ihr glücklich seid....lasst ihn nicht umsonst gestorben sein!" Arthur ging zu seinem Schreibtisch und blieb davor stehen, als Gaius sprach. Jetzt drehte er sich wieder um und sah den Hofarzt an.
„Glücklich?"
Er lachte freudlos auf.
Gaius sah ihn wortlos an und er konnte nicht das Ausmaß des Schmerzes schätzen, den er in Arthurs Augen sah.
Einen Moment war es still, doch dann nickte der König langsam.
„Ihr habt recht! Er sollte nicht umsonst gestorben sein. Ich werde sein Geschenk ab jetzt zu würdigen wissen."
Gaius lächelte
„Ja, das würde ihm gefallen!"
Arthur kam auf ihn zu, als er leise sagte
„In drei Tagen ist es ein Jahr her. Ich werde morgen nach Avalon aufbrechen. Ich möchte an diesem Tag dort sein, wo Merlin starb. Könnt ihr das verstehen?"
Gaius nickte.
„Werdet ihr mich begleiten?"
Der Hofarzt verbeugte sich leicht.
„Wenn das euer Wunsch ist!"
„Ja....wir brechen beim ersten Licht auf!"
„Wie ihr wünscht!"
Gaius verneigte sich, drehte sich um, verließ die Gemächer und ließ einen nachdenklichen König zurück.




Am nächsten Morgen brach die kleine Gruppe in der Frühe auf. Arthur hatte außer Gaius, auch Leon, Gwaine, Persival und Elyan dabei. Er wollte nicht mehr Ritter mitnehmen, schließlich war das eine private Angelegenheit für ihn, deshalb nahm er nur die Ritter mit, die auch mit Merlin befreundet waren. Er hatte sie alle einzeln gefragt, ob sie bereit waren, ihn zu begleiten und alle hatten eindeutig gesagt, das Merlin auch ihr Freund war.
Arthur verabschiedete sich von Gwen, die auf der Treppe stand. Sie umarmte ihn.
„Sei vorsichtig!"
Arthur löste sich von ihr und lächelte
„Ich verspreche es!"
Dann stieg er auf sein Pferd, nickte ihr noch einmal zu und ritt los. Die Gruppe folgte ihm. Sie kamen gut voran, schafften die Hälfte der Strecke, bevor Arthur anhielt.
„Es wird bald dunkel. Ich schlage vor, das wir hier das Lager errichten."
Alle nickten und stiegen von ihren Pferden ab.
Gaius begann das Essen vorzubereiten, während die Ritter ihre Pferde versorgten. Arthur saß am Feuer und schaute nachdenklich in die Flammen.
Der Hofarzt brachte ihm etwas zu essen.
„Wenn wir morgen so gut vorankommen, werden wir morgen Abend Avalon erreichen."
Arthur nickte. Gaius war aufgefallen, das er seit ihrem Aufbruch sehr schweigsam war.
„Geht es euch gut?"
Der König sah ihn an.
„Ich bin auf dem Weg zu dem Ort, wo mein Herz starb. Warum sollte es mir gut gehen?"
„Arthur...."
„Nein, ihr braucht nichts zu sagen. Es ist schon in Ordnung."
Später saßen sie alle um das Feuer, aber die Stimmung war gedrückt. Es war anders als auf ihren üblichen Reisen, denn jeder wusste, wohin sie ritten.
Zu dem Ort, wo ihr Freund starb. Denn er war ihr Freund, obwohl Arthur ihnen erzählt hatte, das Merlin ein Zauberer war. Aber er hatte Camelot gerettet....ihren König und auch alle Menschen, die dort lebten, einschließlich ihnen. Sie würden für immer in seiner Schuld stehen.
„Gehen wir etwas schlafen. Wir reiten morgen früh weiter." sagte der König.
Alle nickten, erhoben sich und gingen zu ihren Schlafplätzen.
Am nächsten Morgen waren sie früh unterwegs, machten aber wegen Gaius später noch eine Rast.
Für den alten Mann war diese Reise anstrengend, vor allem das Tempo, das Arthur vorlegte. Gaius kam es so vor, als ob Arthur es nicht abwarten konnte, den See zu erreichen. Am frühen Abend waren sie kurz vor ihrem Ziel, als Gaius sein Pferd anhielt und sich umschaute. Arthur ritt neben ihn.
„Was ist los, Gaius?"
Der Hofarzt sah ihn traurig an, als er leise antwortete
„Hier ist Merlin gestorben. An diesem Ort."
Arthur schaute sich um. Er konnte zwischen den Bäumen den See schimmern sehen.
„So nah bei Avalon. Ihr ward schon so nah."
Gaius schaute in die Richtung des Sees, als er antwortete
„Ja....aber Merlin konnte nicht mehr weiter. Er war vor Schwäche vom Pferd gefallen. Ich hielt ihn in den Armen, als er starb."
Arthur schaute verloren auf den Hals seines Pferdes, doch dann hob er den Kopf und sagte leise zu Gaius.
„Ich werde euch niemals verzeihen, das ihr mich nicht gerufen habt. Das ihr mir verweigerte, die letzten Stunden mit Merlin zusammen zu sein."
Bevor der Hofarzt antworten konnte, ritt er weiter. Gaius sah ihm ungläubig nach.
Am Abend lagerten sie in der Nähe des Sees. Er war nicht weit vom Lager entfernt. Morgen würden sie zum See gehen, denn Morgen war der Tag.
Morgen vor einem Jahr war Merlin gestorben.
Alle schliefen schon, als Gaius noch am Feuer saß. Leon, der Wache hatte, kam zu ihm und setzte sich neben ihn.
„Geht es euch gut? Arthur hat ein schönes Tempo vorgelegt."
Gaius nickte.
„Es war wesentlich anstrengender, als ich mit Merlin diesen Weg nahm."
Leon neigte seinem Kopf in Richtung des schlafenden Königs.
„Er nimmt es sehr schwer, nicht wahr?
„Ja!"
„Merlin war mehr, als ein Freund für ihn."
Gaius sah ihn überrascht an.
Leon lächelte.
„Ich bin nicht blind, Gaius. Er hat es versucht zu verstecken, aber das konnte er nicht. Und Merlin auch nicht."
Gaius seufzte.
„Ich wusste, was die beiden verband, aber ich habe das unterschätzt. Es hat Arthur so tief verletzt und ich glaube....das er sich davon nie wieder erholen wird."
Die Zeit heilt alle Wunden." sagte Leon.
„Ich hoffe es!"
Aber Gaius hatte trotzdem seine Zweifel. Wie konnte eine Hälfte ohne die andere überleben?
Eine Frage, auf die er keine Antwort wusste.

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