Avalon Kapitel 42

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Avalon


Kapitel 42




Der Raum war leer und hatte keine Fenster. Navarr kauerte mit bloßem Oberkörper zusammen gekrümmt auf dem Boden, Ketten waren an seinen Armen, mit denen er an die Wand gefesselt war, die ihm keinen Spielraum ließen. Sein wunderschönes weiß goldenes Haar, das stumpf und schmutzig war, hing ihm wirr ins Gesicht. Seine hauchdünne Flügel, die normalerweise in allen Farben schimmerten, sahen glanzlos und fast durchsichtig aus. Ganz zu schweigen von den zahllosen kleinen Wunden, die seinen Körper bedeckten.
Einer der Männer stieß ihn mit seinem Schuh an, aber die Fee rührte sich nicht.
„Hey....du Missgeburt, ich spreche mit dir!" sagte der Mann. Navarr hob seinen Kopf und sah ihn an. Er war angekettet, sein Körper verwundet, aber der Stolz in seinen smaragdgrünen Augen war ungebrochen, als er den Mann anschaute, das konnte Arthur sehen, der zitternd vor Wut neben Merlin stand, der ihn eisern festhielt und versuchte, ihn ruhig zu halten.
„Morgen wirst du in ein Labor abtransportiert, dann wirst du die Versuchsratte sein und später wird man dich dann aufschneiden." sagte der Mann mit Spott in seiner Stimme. Navarr antwortete nichts, ließ den Kopf wieder hängen....er war schwach. Die Männer lachten, dann verließen sie den Raum. Als sich die Tür schloss, ließ Merlin Arthur los.
„Ich werde sie töten!" flüsterte er, während er immer noch vor Zorn und der Anstrengung, sich zu beherrschen zitterte. Sie gingen zu Navarr und knieten sich vor ihn.
„Navarr?" sagte Merlin leise.
Er hob den Kopf, sah sich im Raum um.
„Wer ist da?" fragte er leise.
„Arthur und Merlin!" antwortete der Zauberer.
„Arthur und Merlin? Aber....nein....das ist nicht möglich!"
„Shaylon hat uns geschickt. Wir sollen dich nach Hause bringen." sagte jetzt Arthur.
„Wo seid ihr? Ich sehe euch nicht! Ist das ein Traum oder nur eine Halluzination?"
Merlin hob den Zauber auf. Navarr sah sie fassungslos an.
„Ihr seid wirklich da!" sagte er leise, mit Hoffnung in seiner Stimme.
Sie nickten.
„Wir holen dich jetzt da raus!" sagte Arthur und wies mit seinem Kopf zu den Ketten. Merlin verstand ihn, murmelte einen Zauberspruch und die Ketten fielen ab. Navarr sackte in sich zusammen.
„Navarr....kannst du laufen?" fragte Arthur
„Ich weiß nicht, ich bin so schwach." er schaute zu Merlin „Und ich habe keine Magie!"
Merlin nickte
„Das macht nichts, ich ziehe dich in den Zauber mit ein, dann sieht dich keiner."
„Was machen wir mit den zwei Männer....vor der Tür?" fragte Arthur.
Merlin dachte einen Augenblick nach, dann sagte er
„Ruf sie herein, ich kümmere mich darum."
Merlin machte Arthur und sich wieder unsichtbar und Arthur ging grinsend zur Tür. Er klopfte dagegen und rief
„Hallo?"
Einen Augenblick später kamen die zwei Wachen mit gezogenen Waffen hereingestürmt. Bevor sie reagieren konnten, hob Merlin die Hand....seine Augen glühten....dann flogen die zwei mit Schwung gegen die Wand, rutschten sie entlang zum Boden und blieben mit blutenden Kopfwunden liegen.
„Sind sie tot?" fragte Arthur
„Ich weiß es nicht....lass uns jetzt verschwinden!"
Sie wurden wieder sichtbar und gingen zu Navarr. Sie mussten ihn stützen, allein konnte er nicht laufen.
Vor der Tür blieben sie stehen und Arthur schaute zu Merlin. Erschöpfung zeichnete sich im Gesicht des Zauberers ab.
„Merlin?" fragte Arthur besorgt.
Der Zauberer nickte
„Es geht schon....es geht schon."
Er flüsterte wieder den Zauber und alle drei verschwanden ins Nichts. Sie machten sich auf den Rückweg, kamen aber nur langsam voran, da Navarr so schwach war. Sie mussten im oberen Gang zwei Männer ausweichen, die ihnen entgegen kamen. Sie drückten sich an die Wand, hielten den Atem an, bis die Männer vorbei waren. Einer blieb stehen und schaute sich skeptisch um.
„Was ist los?" fragte der Andere.
Der Mann schaute sich nochmal um, dann schüttelte er den Kopf
„Ich hatte das Gefühl, als wäre jemand....."
Er schaute seinen Partner an, der ihn fragend mit gerunzelter Stirn ansah.
„Nichts!" sagte er dann und sie gingen weiter. Arthur und Merlin atmeten innerlich auf und setzten ihren Weg weiter fort.
Als sie in dem Raum mit der summenden Anlage waren, taumelte Merlin. Er war weiß im Gesicht und Schweißperlen standen auf seiner Stirn.
„Merlin!" rief Arthur leise, als er ihn ansah. Besorgnis war in seiner Stimme zu hören.
„Lass uns schnell zum Auto gehen....ich werde....ich werde den Zauber nicht mehr lange aufrecht halten können." keuchte Merlin.
Sie verließen die Fabrik, liefen das Stück zum Zaun. Sie halfen der Fee durch das Loch, schauten sich immer wieder um. Aber bis jetzt hatte noch niemand bemerkt, das die Fee verschwunden war.
Kurz vor dem Auto, brach Merlin zusammen und fiel auf den Waldboden. Sie wurden alle drei sichtbar und Anna schrie erschrocken auf, bevor sie ihnen entgegen lief.
„Um Himmels willen!" sagte sie.
„Anna....hilf Navarr!"
Anna stützte die Fee und führte sie zum Geländewagen, während Arthur sich voller Sorge neben Merlin kniete.
„O Gott....Merlin!"
Der Zauberer öffnete seine Augen und keuchte
„Keine Sorge....ich bin in Ordnung....nur erschöpft."
Arthur nahm ihn auf seinen Arm und trug ihn zum Wagen. Sie brachten die zwei auf die Rückbank, schnallten sie an. Dann stiegen Anna und Arthur ein.
„Lass uns von hier verschwinden!" sagte Arthur.
Anna startete den Wagen und fuhr aus dem Wald heraus. Auf der Straße beschleunigte sie und fuhr zurück.
Arthur sah immer wieder zu Merlin und Navarr. Doch als Merlin ihn schwach anlächelte und leicht nickte, ließen seine Sorgen nach und er fing an, sich zu entspannen. Er schloss kurz seine Augen. Anna strich ihm über den Arm und er sah sie an.
„Ich bin froh....das ihr alle wieder unverletzt hier seid." sagte sie.
„Mehr oder weniger!" sagte er und schaute zu Navarr, der in einem Dämmerzustand war.
„Navarr sieht furchtbar aus."
„Ich werde mich um ihn kümmern, wenn wir zu Hause sind." sagte Anna.
Arthur nickte. Er war müde. Die ganze Anspannung während der Rettungsaktion fielen von ihm ab und sein Körper sank in Entspannung. Wieder schloss er seine Augen, triftete leicht weg. Anna ließ ihn in Ruhe.





Als sie am Haus ankam, fuhr sie den Geländewagen hinter das Haus. Sie stellte den Motor ab und schüttelte Arthur leicht an der Schulter
„Arthur, wir sind da."
Arthur öffnete seine Augen, sah sich einen Moment um, dann nickte er
„Gut!"
Sie stiegen aus und öffneten die Tür zur Rückbank. Navarr war nicht bei Bewusstsein, genau so wenig wie Merlin. Während Anna die Hintertür aufsperrte, nahm Arthur die Fee auf den Arm und trug sie nach oben in ein Zimmer, das Anna schon vorbereitet hatte. Er legte Navarr vorsichtig auf das Bett. Anna nickte ihm zu
„Ich kümmere mich um ihn, geh du Merlin holen."
Arthur ging zurück zum Auto und nahm Merlin auf den Arm. Er trug den Zauberer auf ihr Zimmer und legte ihn auf das Bett. Er setzte sich neben ihn und fuhr ihm zärtlich durch sein Haar.
„Merlin....kannst du mich hören....Merlin?" flüsterte er.
„Bitte....tu mir das nicht an."
Aber Merlin rührte sich nicht. Arthur überprüfte seinen Puls, der stetig schlug. Er atmete auf.
Er hatte gesagt....er ist nur erschöpft. Ich lasse ihn schlafen!" dachte Arthur. Er zog ihm die Schuhe aus und seine Hose, dann legte er ihn bequem hin und deckte ihn zu. Arthur küsste ihn zart auf die Stirn und ging zur Tür, aber er drehte sich noch einmal um
„Ruh dich aus....mein Zauberer!"
Dann ging er zu Anna. Anna war warmes Wasser holen und saß neben Navarr und wusch vorsichtig das Blut weg und seine Wunden sauber. Sie sah auf, als Arthur hereinkam
„Wie geht es Merlin?"
„Er scheint in Ordnung zu sein, aber....er ist in einen Schlaf gefallen, aus dem ich ihn nicht wecken kann."
Anna dachte einen Augenblick nach
„Er hatte gesagt, das der Zauber sehr anstrengend wäre. Vielleicht ist das normal für einen Zauberer, das er danach so tief schläft?"
Arthur nickte.
„Möglich, er hatte ja noch zusätzlich von seiner Magie Gebrauch machen müssen, wie....Türen öffnen und die Wachen ausschalten. Ich kenne mich mit Magie nicht aus....das rächt sich jetzt."
„Wie meinst du das?"
Arthur sah sie schuldbewusst an
„Ich habe früher jahrelang Magie und Zauberer gehasst....sogar im Auftrag meines Vaters getötet....ganze Druidencamps ausgerottet."
Er machte eine Pause, dann fügte er leise hinzu
„Wie konnte ich nur so ignorant sein....so überheblich und....dumm! Ich hasste Magie, ohne sie wirklich zu kennen."
„Und jetzt....jetzt liebst du einen Zauberer!" stellte Anna fest.
Arthur schüttelte ungläubig den Kopf
„Tja....die Ironie des Schicksals....oder des Lebens."
Er sah Anna ernst an
„Ich liebe Merlin mehr, als ich dir sagen kann....ich würde für ihn sterben."
„Das hast du schon!"
„Ja!"
Er schaute auf Navarr
„Wie geht es ihm?"
Sie sah ihn kopfschüttelnd an
„Er hat viele Wunden....es scheint, das sie ihn wirklich gefoltert haben. Arthur....es tut mir so leid! Du solltest wissen, das....das nicht alle Menschen so sind....so roh und brutal."
„Das weiß ich doch, Anna. Auch in meiner Zeit gab es solche brutale Menschen. Aber ich sehe es doch an dir, du bist so sanft und mitfühlend....dafür danke ich dir."
Sie antwortete nicht und Arthur nahm ein frisches Tuch und setzte sich auf die andere Seite des Bettes. Gemeinsam säuberten sie Navarrs Wunden und strichen heilende Salbe darüber, dann legten sie Verbände an.
Anna ging kurz heraus, kam dann wieder mit einer Jogginghose.
„Kannst du ihm eine frische Hose anziehen....seine ist total verdreckt?" fragte sie Arthur
Er nickte, nahm die Hose und Anna brachte das schmutzige Wasser weg. Als sie nach einer Weile zurückkam, hatte Arthur Navarrs Beine mit der anderen Schüssel Wasser gewaschen und ihm die neue Hose angezogen, ihn dann zugedeckt.
Sie standen beide am Bett und sahen auf ihn hinab.
„Er ist wirklich schön....Maya hatte recht!"
Arthur lächelte leicht, anhand ihrer Schwärmerei in ihrer Stimme. Typisch Frau, dachte er.
„Ja, alle Feen sind hübsch, aber Navarr ist es noch mehr."
„Hübsch? Er ist schön! So schön, wie du!"
Kaum hatte sie das ausgesprochen, legte sie eine Hand an ihren Mund.
Arthur sah sie überrascht an und lächelte
„Oh....danke!"
Anna verdrehte die Augen und gab ihm einen Schubs.
„Das wollte ich jetzt nicht wirklich sagen!"
Er grinste sie frech an. Anna warf die Hände in die Luft.
„Männer!" sagte sie vorwurfsvoll und ging zur Tür.
„Lassen wir ihn ausruhen. Hunger?"
Arthur nickte.
„Dann komm....ich mach dir etwas zu essen."
„Und Anna?"
Sie schaute an der Tür zu ihm zurück.
„Du bist auch schön....und liebenswert."
Sie lächelte verlegen
„Lass das nicht Merlin hören!" sagte sie und verschwand in die Küche. Arthur lachte und folgte ihr.
Sie saßen schweigend in der Küche am Tisch und aßen, als Arthur fragte
„Erzähl mir von Max!"
Anna sah ihn überrascht an.
„Warum?"
Arthur schaute sie nur an. In seinem Blick konnte Anna sehen, das er kein Nein akzeptierte.
Sie atmete tief ein, trank ein Schluck Wasser.
„Nun, er ist der Chef bei der Polizei. Ich hatte ihn kennengelernt, als ich voriges Jahr mit meinem Vater auf dem Polizeiball war. Nachdem mein Vater mich vorgestellt hatte, war er an diesen Abend nicht mehr von meiner Seite gewichen. Später rief er mich fast täglich an, wollte sich verabreden zum Essen. Ich hatte immer eine Ausrede, aber er gab es nicht auf....bis heute. Ich mag ihn nicht, er ist aufdringlich....er ist mir zuwider, aber es scheint, als wäre er besessen von mir. Ich möchte keinen Kontakt mit ihm, aber er will mich unbedingt in....."
Sie sprach nicht weiter, biss sich auf ihre Unterlippe und sah auf ihren Teller.
„Er will dich mit aller Macht in seinem Bett haben!" beendete Arthur ihren Satz.
Sie nickte wortlos.
Einen Augenblick sprach niemand, dann fragte Arthur leise
„Anna....was hast du ihm versprochen, damit er dir die Information gab?"
Sie sah ihn mit großen Augen an
„Nichts! Du denkst doch nicht, das ich ihm versprochen habe, das ich mit ihm schlafe?"
Arthur nickte.
„Nein!" sagte sie energisch „Ich würde eher sterben, als mich von ihm berühren zu lassen! Ich habe lediglich gesagt, das ich mit ihm essen gehe. Aber ich weiß, das er mehr will, aber das werde ich niemals tun! Er ekelt mich an!"
Arthur nickte grimmig
„Gut....dann werde ich, wenn Merlin wieder wach ist, dem Herr ein Besuch abstatten. Danach wirst du deine Ruhe haben."
Anna nahm seine Hand
„Nein....um Gottes Willen, das darfst du nicht tun! Ich komme schon klar damit. Keine Sorge! Arthur....versprich mir....als der König, den du mal warst, das du nichts gegen Max unternimmst! Versprich es mir!"
Er sah sie lange an, dann nickte er langsam
„Ich verspreche es, wenn es das ist, was du willst!"
Sie schloss kurz die Augen und nickte zufrieden.
„Gut, es ist sechs Uhr morgens. Ich schau noch nach Navarr, dann lass uns ein wenig schlafen."
Er nickte, dann standen sie auf und gingen zu der Fee, die immer noch schlief. Sie winkten sich zu und jeder ging in sein Zimmer. Arthur zog sich aus und legte sich neben Merlin. Er hatte sich nicht bewegt. Arthur nahm ihn in den Arm, strich Merlin zärtlich das Haar aus der Stirn, küsste ihn und schloss seine Augen. Er war müde und war kurz darauf eingeschlafen.

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