1. Kapitel - Die Rebellen

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Während ich mich durch die schmalen, dreckigen Gassen schlängle, umfasse ich fest den Dolch in meiner Hand. Nur seine Spitze lugt aus meinem Ärmel hervor, aber sollte ich ihn benutzen müssen, werde ich nicht zögern.

Eine Ratte beugt sich über den Kadaver eines anderen Kleintieres, welches von einem Ziegelstein erschlagen wurde, der immer noch auf ihm liegt. Ich presse die Lippen aufeinander und halte die Luft an, lasse sie erst wieder aus als ich auf eine offene Straße trete. Die Luft ist erfüllt von Fischgestank und Rauch, der mir in den Augen brennt.

Hustend bewege ich mich voran, halte mir den Arm vor das Gesicht, als ich ein Haus passiere, aus dem Qualm aufsteigt. Was auch immer dort drinnen verbrannt wird, ich hoffe, es ist den Gestank wert. Die Menschen beachten mich nicht, sie beugen sich über Stände und versuchen durch die Abdecktücher zu erkennen, was die Händler zu bieten haben.

Eine frische Brise weht durch die Straße, lichtet für wenige Sekunden den Himmel, und ein Sonnenstrahlt erhellt meinen Weg. Ich beeile mich, weiter zu laufen, sonst bin ich versucht, der Bäckerin eins ihrer Brote zu stehlen und es meiner Schwester mitzubringen. Wir haben alle wenig, und gerade im Winter ist der Hunger groß und das Geld knapp, doch seit Vater an der Front starb und Mutter sich davonmachte, bleibt uns gar nichts.

Endlich kommt das Haus in Sicht, welches ich suche. Es besteht aus rotem Backstein und hat vernagelte Fenster, die Tür ist aus Eisen und von vielen Versuchen, sie zu öffnen, ganz zerkratzt. Ich tauche in den Schatten einer Mauer und umrunde das Gebäude einmal, gelange zur Treppe hinunter in den Keller und blicke mich ein letztes Mal vorsichtig um. Es gibt nicht viele Spitzel in der Region, doch man kann nie vorsichtig genug sein.

Die Aufständischen wechseln ihre Unterkunft jede Woche und es war reines Glück, dass sie in unsere Stadt kamen. Ihre Standorte kann man anhand einiger Zeichen verfolgen, die sie hinterlassen und nur für eingeweihte auffällig sind. Würde ich sie nicht aus Vaters Tagebuch kennen, würden die Steinhäufchen oder an Wände eingeritzten Koordinaten niemandem auffallen.

Schließlich hebe ich meine Hand und schlage viermal lang, dann dreimal kurz gegen das spröde Holz. Würde ich keine Handschuhe tragen, hätte ich mir womöglich einige Splitter eingefangen.

Es dauert. Niemand kommt, kein Geräusch erklingt abseits des Marktgetümmels. Ich schlinge meinen aschfarbenen Mantel fester um mich, den ich aus Vaters Kleiderschrank entwendet habe. Er braucht ihn ja ohnehin nicht mehr.

Langsam beschleichen mich Zweifel. Indem sie mich hier stehen lassen, gehen sie doch noch ein größeres Risiko ein, entdeckt zu werden. Sie sollten mir so schnell wie möglich öffnen. Im Hinterkopf sortiere ich meine Gedanken, überfliege die Bilder von gestapelten Steinen für die Straßennummer und die Zahlen, die wie eine Telefonnummer angeordnet sind, nach einem Fehler, den ich begangen haben könnte.

Bevor ich zu Halo zurück muss, habe ich nur noch eine halbe Stunde. Die Zeit habe ich vorhin an der Kirchenuhr abgelesen, doch auch das muss über fünf Minuten her sein. Gerade, als ich erneut klopfen will, wird die Tür ruckartig nach innen aufgerissen und man packt mich an den Armen.

Ich werde hinein gezogen, bevor ich mich dagegen wehren kann, und man presst mir eine Hand auf den Mund, ehe ich schreien kann. Es ist so dunkel, dass ich nichts erkenne, weder was vor oder neben mir ist. Geraschel ertönt um mich herum, Schritte knarzen auf dem Boden und von der staubigen Luft steigen mir Tränen in die Augen.

Jemand entzündet eine Kerze, und der Raum wird in gelbes, flackerndes Licht getaucht. Auf die Schnelle zähle ich etwa fünf Personen, allesamt verhüllt und in schwarz gekleidet. Stechende Blicke fressen sich durch meine Kleidung, brennen auf meiner Haut. Eine der Personen löst sich von den anderen, tritt katzenartig vor.

 Selection - Futuria Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt