120. Kapitel - Verzweiflung

68 14 3
                                    

Grace

„So ein Dreck“, fluche ich. Die Augen auf die Prüfung vor mir gerichtet, den Füller schon in der Hand. Am liebsten würde ich ihn weg werfen, in eine ganz bestimmte Richtung.

„Muss ich dich daran erinnern, dass du während der Prüfung nicht reden darfst, es sei denn, du hast eine Frage?“

Als Antwort zeige ich Theo den Mittelfinger. Denn hey, der Mund wurde mir von ihm ja verboten. Theo verengt die Augen, offenbar kämpf er ebenfalls mit dem Schweige-Gebot. Ha.

Ich Konzentriere mich wieder auf die Aufgaben, auch wenn mir schon klar ist, dass ich heute keine Meisterleistungen vollbringen werde.

Nennen Sie die drei wichtigsten Positionen unseres Landes und erklären Sie kurz, was es mit diesen auf sich hat.

Tja, ähm, keine Ahnung.

Ich schreibe; der König, die Königin und der Prinz.

Erinnere mich jedoch zeitgleich daran, dass die Madame etwas von wichtigen Wirtschaftern und Repräsentanten erzählt hat.

So ein Mist. Die Sache mit Theo hat mich total gefangen genommen, denn mal ehrlich, normalerweise würde ich mich zumindest an Fetzen der gestrigen Stunden erinnern.

So schusselig bin ich nämlich auch nicht. Nach einer Handvoll quälend schlecht beantworteter Fragen, unterbricht ein Räuspern meine chaotischen Gedanken.

„ Willst du mir vielleicht eine Frage stellen? Dafür bin ich da.“ Seine Stimme ist leise, trotzdem bekomme ich eine Gänsehaut. Es ist so still in der Bibliothek, dass man nur gelegentlich das Wispern der anderen Paare hört.

Und schon das hört sich verboten laut an. Selbst die Stimme zu erheben, kann ich nicht, ohne dauernd das strenge Gesicht der Bibliothekarin vor Augen zu haben.

Ich lege den Stift bei Seite und funkle Theo an. Fragen soll ich stellen, ja? Weil er glaubt, ich würde ohne seine Hilfe versagen.

Eine Stimme im Hinterkopf flüstert, dass das genau der Fall ist. Eine andere, viel lautere ruft: Scheiß auf dieses Mansplanning!

Ich lehne mich vor und lege die Arme auf der Tischplatte ab.

„Okay. Hier kommt meine erste Frage. Bist du der Prinz, ja oder nein? Du musst die Wahrheit sagen, dazu bist du verpflichtet.“

Er verändert seine Position auf dem Stuhl, wendet sich mehr mir zu. Seine Haltung ist abschreckend autoritär. Aber auch verkrampft. Ich kaufe sie ihm nicht ab.

„Bin ich nicht. Verpflichtet, meine ich. Und du darfst mir nur ernst gemeinte Fragen stellen.“

„Sehe ich so aus, als würde ich scherzen?“, zische ich. Man, ich klinge genauso, wie wenn ich mit meinen Schwestern schimpfe.

Dabei klinge ich ähnlich genervt, wie wenn ich mit meinen Schwestern streite. Wenn wir das leise tun müssen, damit Mom nichts davon mitbekommt, und ich kurz davor bin, den letzten Nerv zu verlieren.

Theos Augen verdunkeln sich. Ja wirklich, sie tun es! Ich habe schon in Romanen davon gelesen, aber konnte mir nie vorstellen, dass es sowas gibt.

Gegen meinen Willen beginnt es in meinem Unterleib zu kribbeln. Ich presse die Beine zusammen und versuche, davon ungerührt zu bleiben und erwidere seinen Blick.

 Selection - Futuria Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt