"Nein", sage ich. "Vergiss es." Leander verzieht das Gesicht, doch was hat er schon erwartet? "Bitte, Nivea", versucht er es erneut, dieses Mal leiser. Nicht, dass das nötig wäre - Madame Clarice hat die richtige Musik bereits eingestellt, so dass aus allen Lautsprechern Geigenmusik dröhnt.
"Lass mich", zische ich nun. "Erwarte nicht von mir, dass ich das so einfach kann. Nicht nach dem, was du zu mir gesagt hast." Er sieht betroffen aus, was mich nur verwirrt. Seine Botschaft war klar und deutlich: Ich bin nicht der Prinz, wir sollten nicht zusammen sein, aber ich helfe dich zu verkuppeln. Ach, und mach nicht so ein Theater, wir kennen uns ja kaum.
Ich schüttle den Kopf, beiße mir auf die Unterlippe, um die aufkommende Traurigkeit zu vertreiben. "Wozu noch Zeit verschwenden?", murmele ich. Dann lasse ich Leander stehen, der leise stöhnt, und gehe zu Henry.
Erleichtert lächelt er, und auch ich bin froh darüber, dass kein anderes Mädchen auf ihn zugekommen ist. "Würdet Ihr mir die Ehre erweisen?", frage ich mit verstellter Stimme und deute eine Verbeugung an.
Henry lacht und ich stimmte mit ein, denn meine Immitation war mehr als schlecht. "Sehr gerne", antwortet er grinsend. "Wie könnte ich schon Nein sagen?" Zufrieden hake ich mich bei ihm ein, bis er mich zu einer Stelle führt, die genügend Abstand zu den anderen Tänzern birgt.
"Könnt Ihr nicht", stimme ich ihm zu. Nur ganz kurz schaue ich zu Leander, an den sich nun Victoria klammert. Sein Gesichtsausdruck ist nicht anders als gequält zu beschreiben, er schenkt seiner Partnerin kaum Beachtung.
Egal. Das geht mich nichts mehr an.
"Wie geht es Euch heute?" Irre ich mich, oder fragt er das jedes Mal? Keine Ahnung, was mich daran stört, aber es fällt mir auf.
"Mir geht es gut, danke der Nachfrage. Ihr wisst ja, der Kostümball steht bevor." Eine miese Lüge, die nicht erklärt, warum ich ihm so aus dem Weg gegangen bin. Oder, dass ich mit Leander auf einem Date war.
Die Erinnerung lässt mich erschaudern. Henry scheint das nicht zu bemerken. "Ja, stimmt. Wie weit seid Ihr mit dem Kleid?" Bevor ich antworten kann, erhebt Madame Clarice die Stimme. Wir drehen uns zu ihr und ich muss feststellen, dass sie uns mit zusammen gekniffenen Augen mustert.
"Ruhe! Bitte. Nun, da sich die Paare gefunden haben, werden wir beginnen. Als erstes werdet ihr den Tanz erlernen, der das Königreich präsentiert."
Ach, fallen dabei Menschen in Ohnmacht, weil sie verhungern oder niedergestochen werden?
"Dieser Tanz ist sehr altmodisch, weshalb Körperkontakt streng vermieden werden sollte. Jede Berührung gilt als Verachtung der Kulter und Regeln, deshalb achtet auf genügend Abstand." Wie bitte? Das ist doch lächerlich.
Die anderen Tänze sind schließlich auch nicht so.
Als wir uns aufstellen, verdrehe ich die Augen, denn tatsächlich müssen wir einen guten Meter Abstand halten. Der Tanz wird also hauptsächlich aus Verbeugungen, Drehungen und Armbewegungen bestehen, die nur aus der Ferne stattfinden werden. Genauso, wie Futuria Bezirk 10 nur aus der Ferne regiert und Soldaten in den Krieg schickt, der noch viel weiter von der Hauptstadt entfernt sind.
Henry stellt sich mir gegenüber auf und nimmt eine vornehme Haltung ein, die ich nachzuahmen versuche. Zum Glück habe ich heute keines dieser ausgestellten Kleider an, in denen man sich kaum bewegen kann. Ich folge den anderen Mädchen und mache einen leichten Knicks, als eine neue Musik einsetzt und der Tanz zu beginnen scheint.
Während der zwei Stunden gebe ich mein Bestes. Ich handle nicht eigensinnig und höre genau zu, was ich zu tun habe. Dennoch schaffe ich es nicht, mit den anderen mitzuhalten und bin ihnen immer hinterher.

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Selection - Futuria
Fanfiction"Du bist eine Rebellin", flüstert er fassungslos. "Falsch", sage ich. "Ich bin die rechtmäßige Thronerbin Caravels." ----------- Nivea ist gerade 18 geworden, als die erste Selection seit 150 Jahren beginnt. Seit den Kastensystemen hat sich viel ver...