48. Kapitel - Klatsch und Tratsch

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Zwei Tage später spüre ich Schmerzen in meinem Unterleib, die nur auf eines schließen lassen. Ich beeile mich, aus dem Bett und ins Badezimmer zu kommen, wo Janine schon am Frisiertisch auf mich wartet. "Oh, alles in Ordnung?", fragt sie. "Ich habe meine Periode bekommen!", rufe ich und verstecke mich hinter der Trennwand zur Toilette, setze mich hin und ziehe meinen Slip nach unten. Nach den zwei Wochen, die ich schon hier bin, hat mein Achten auf Privatsphäre schon deutlich nachgelassen. Trotzdem lasse ich nicht zu, dass Lola und Janine mich allzu oft nackt sehen.

Ein kleiner, roter Fleck enstellt den pfirsichfarbenen Stoff. Natürlich wusste ich, dass ich hier irgendwann meine Tage bekommen würde. Bloß denke ich jedesmal drei Wochen lang nicht daran, bis es wieder so weit ist. Ich seufze. "Bekomme ich einen Lappen?", bitte ich Janine. Sie zögert, das bekomme ich auch hinter der kleinen Mauer mit. "Wofür, Lady Nivea? Ich werde Euch neue Unterwäsche bringen."

"Nicht dafür. Sondern als Einlage, du weißt schon." In Crowheart haben wir verschiedene Kleiderspenden benutzt, deren Stoffe ausgeschnitten und übereinander gelegt. Mit Nadel und Faden wurde alles zusammen genäht, aber ich kann mir vorstellen, dass die Stoffbinden hier sehr viel luxuriöser sein werden.

Anstatt mir einen Lappen zu reichen, händigt Janine mir etwas weißes aus. Es ist nicht direkt aus Stoff, aber fühlt sich trotzdem stabil an. Die Form ist perfekt für meinen Slip geeignet. "Was ist das?", frage ich bewundernd. Es fühlt sich seltsam an, fast wie die Blätter von Bäumen.

"Eine Binde, aus Wolle und Kautschuk. Wenn Ihr das Stück Papier abzieht, kann man es auf den Stoff kleben." Das klingt so viel einfacher, als wenn man dauernd aufpassen muss, wie man sich bewegt, um nichts zu verschieben.

Janine holt einen neuen Slip, reicht ihn über die Mauer und ich tausche meine Unterwäsche aus. Währenddessen schweigt sie, erst als ich wieder zu ihr vor komme und mir die Zähne putzen will, hebt sie den Kopf. "Ihrer Reaktion nach entnehme ich, dass es in Crowheart keine Hygieneartikel gibt?"

Der Ausdruck ist mir unbekannt, aber ich kann mir denken, was sie damit meint. Schulterzuckend drehe ich den Wasserhahn auf, halte die Zahnbürste unter den warmen Strahl. "Nicht in Crowheart oder irgendwo sonst in Medea. Wir benutzen für gewöhnlich Stoff." Im Spiegel bekomme ich mit, wie Janine schwer schluckt.

"Bei uns gibt es die Artikel überall, in meinem Bezirk sind sie teuer, aber für die Menschen im dritten Bezirk kosten sie nichts mehr." Warum überrascht mich das eigentlich? Es scheint hier üblich zu sein, den Reichen immer mehr und mehr zu geben, während die Armen für alles erdenkliche zahlen müssen.

"Das ist ungerecht", sage ich. "Wenn es solche Produkte schon gibt, sollten alle Frauen auf sie Zugriff haben. Überall, egal in welchem Bezirk." Das Material fühlt sich seltsam an, aber um einiges besser als der stumpfe Stoff. Beim Zähneputzen beginnt Janine, mir die Haare zu kämmen, wo Lola steckt weiß ich gar nicht.

"Was gibt es hier noch, was es in Medea nicht gibt?", will ich nach dem ausspucken wissen. Ich spüle mir den Mund aus und trinke einen Schluck Wasser aus dem Becher, den Janine mir vorbereitet hat. Bis jetzt habe ich alles Neue nur zufällig mitbekommen, aber es interessiert mich, was meinen Leuten sonst noch alles vorenthalten wird.

"Oh, ähm. Ich weiß nicht so recht. Kondome?" Ihre Wangen röten sich, genau in diesem Moment betritt Lola das Bad. Sie hat einen leicht perplexen Ausdruck aufgelegt. "Wie bitte?" Ich schmunzele und setze mich auf den bequemen Stuhl, spüre dort unten tatsächlich nicht, dass etwas verrutscht. Das wird die nächsten Stunden sehr viel erträglicher machen.

"Ach, du wieder!", quietscht Janine und wedelt mit der Bürste in ihrer Hand. "Kommst immer zu den unpassendsten Augenblicken. Kein Wunder, dass du jedes Mal nur die Hälfte mitkriegst!" Ob sie damit auf gestern Abend anspielt? Hat Lola ihr etwa von Henry erzählt? "Tsss", macht Lola und reckt das Kinn. "Dir erzähle ich gar nichts mehr."

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