Bevor wir offiziell entlassen wurden, schoss ein Fotograph noch mehrere Bilder von uns. Damit meine ich nicht nur Henry und mich, sondern alle Kandidaten und Kandidatinnen. Wir mussten uns vor eine weiße Leinwand stellen und gemeinsam in die Kamera lächeln.
Mal kamen die Herren zu uns, mal posiertem wir einzeln oder als Gruppe. Ich kam mir schrecklich albern vor, doch der Fotograf schien es zu genießen, mich leiden zu lassen.
Bei allen Gruppenfotos stand ich in der Mitte, bei einzelnen musste ich minutenlang alle möglichen Posen vollführen. Mir war unwohl dabei, dass ein über fünfzig jähriger Mann so fasziniert von mir war, und Victoria ging es genauso.
Als wir die nächsten Gruppenbilder machen sollten, rempelte sie mich absichtlich an und in den hochhackigen Schuhen wäre ich sicherlich gefallen, hätte Amara mich nicht am Arm erwischt. "Was soll das?", wollte ich sauer von dem Monster in rot wissen. "Ich weiß nicht, was zu meinst.", war ihre scheinheilige Antwort.
Die Fotos wurden in einem anderen Gebäude aufgenommen, als die Sendung. Beide lagen etwa zehn Minuten vom Schloss entfernt, es graute mir bereits während der Session vor der Autofahrt.
Als wir endlich entlassen wurden, suchte Leander mich überraschend auf. Ich wollte gerade den anderen folgen, mir einen Weg durch die Kabel und Bildschirme kämpfen, als er meine Hand nahm und mich damit zwang, stehen zu bleiben.
"Ich bin froh, dass Sie weitergekommen sind, Nivea." Seine Augen suchten meine. Man hatte ihm die blonden Haare glatt gekämmt und fransig in die Stirn hängen lassen. Zu sagen, dass er nicht gut aussehen würde, wäre eine Lüge. "Können wir noch einmal von vorne beginnen?"
Die ganze Zeit über hatte er versucht, mich mit Victoria an seiner Seite eifersüchtig zu machen, und nun suchte er mich auf und bat um einen Neuanfang? "Was sagt denn Victoria dazu?", fragte ich und konnte den spottenden Unterton nicht vermeiden.
Ich entriss ihm meine Hand und brachte den nötigen Abstand zwischen uns. Er leckte sich über die Lippen und runzelte die Stirn, als wüsste er nicht, worüber ich reden würde.
"Was hat Victoria denn damit zu tun?"
Ich schaute ihn ungläubig an, schüttelte den Kopf und strich mir eine blonde Strähne aus den Augen. "Warten wir einfach ab, was die kommende Woche so bringt. Ich bin müde, meine Füße tun weh und für meinen Geschmack ist das Kleid, das ich anhabe, viel zu kurz. Versteht bitte, dass ich nur noch schlafen gehen will - sonst nichts."
Ich drehte mich um und ließ Leander stehen, folgte den letzten Kandidatinnen durch das Studio. Auf dem Weg fielen mir einige Platten auf, die mit Sandwiches und Crackern bestückt waren. Ich konnte nicht widerstehen, nahm mir eine Serviette und breitete sie ein Stück aus. Dann bediente ich mich an den Crackern, nur um zu testen, wie die Cremes schmeckten, mit denen sie bestrichen waren.
Davon wurde ich jedoch nicht satt, also probierte ich als nächstes eines der Sandwiches. Gerade, als den ersten Biss getan hatte, spürte ich einen warmen Atem an meinem Ohr. "Das Kleid steht Ihnen ausgezeichnet, my Lady.", hauchte Leander. Fast verschluckte ich mich an meinem Mitternachtssnack. "Tragen Sie es mit Stolz, Sie haben heute Abend wirklich einen einprägsamen Eindruck hinterlassen - nicht nur bei mir."
Heute, am Samstag, frage ich mich noch immer, was wohl in ihn gefahren sein muss. Ich liege auf meinem Bett und starre an die Zimmerdecke, mir ist ganz warm und in meiner Magengegend kribbelt es, wenn ich an den gestrigen Abend denke.
Ich versuche, mich aufzuraffen und den Weg zur Bibliothek einzuschlagen, doch seit dem Ereignis mit Kaden traue ich mich nicht mehr dorthin. Das heißt, vorübergehend. Ich muss mir erst bewusst werden, was dieses Chaos bedeutet und was ich tun kann, um der Rebellion zu helfen.
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Selection - Futuria
Fanfic"Du bist eine Rebellin", flüstert er fassungslos. "Falsch", sage ich. "Ich bin die rechtmäßige Thronerbin Caravels." ----------- Nivea ist gerade 18 geworden, als die erste Selection seit 150 Jahren beginnt. Seit den Kastensystemen hat sich viel ver...