37. Kapitel - Wut und Antrieb

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"Was? Wie meinst du das?", bringe ich schließlich hervor.

"So, wie ich es gesagt habe... Ich bin nicht der Prinz, Nivea. Und ich verbringe unglaublich gerne Zeit mit dir, aber das alles wird nichts nützen. Ich weiß, dass ich dich nur behindern werde, wenn ich weiter deine Nähe suche."

Er hat gestanden, dass er nicht der Prinz ist. Das hätte ich niemals von einem der Kandidaten erwartet.

"Aber...was soll das heißen?"

"Das was ich eben gesagt habe, das meine ich ernst. Du wärst eine tolle Regentin. Du könntest Dinge verändern. Sie zu etwas besserem machen. Wenn du wegen mir weniger Zeit damit verbringst, dich mit anderen zu treffen und deshalb die Chance auf den Prinzen verpasst, dann könnte ich mir das niemals verzeihen."

Seine Logik überzeugt mich nicht. Auch, wenn es ein Schock ist, dass er nicht der Prinz ist. Ich bin doch kein dummes Ding, dass sich vorschreiben lässt, was es zu tun hat.

"Darüber hast du nicht zu bestimmen, Leander. Ich kann meine eigenen Entscheidungen treffen, und zufällig habe ich dich zu gern, um einfach alles abzubrechen, was zwischen uns ist. Wer sagt denn, dass ich dem Prinzen gefalle? Oder dass die Krone mich mehr interessieren würde, als-" Ich breche ab.

Ist es nicht genau das, was ich tun sollte? Sollte ich nicht froh darüber sein, dass Leander mir die Sache erleichtert und sich geoutet hat? Verdammt, immerhin bin ich nicht ohne Grund hier. Wieso protestiere ich dann also so heftig?

Ein trauriger Ausdruck erscheint auf seinem Gesicht.

"Danke, aber ich sehe doch, was in dir vor geht. Diese Bilder vorhin... Es ist schrecklich. Und du könntest etwas dagegen unternehmen, gerade weil du so viel Leid spüren musstest. Mit dir als Prinzessin - und später Königin - stünde das Land vor einer Revolution."

Eine Revolution. Genau das braucht dieses Land. Aber die Sache hat einen Haken: Ich kann nicht Prinzessin werden. Ich will es ja nicht einmal.

"Das ist doch Blödsinn. Neben mir gibt es noch neunundzwanzig andere Kandidatinnen. Vielleicht ist der Prinz eher an jemandem wie Victoria interessiert." Die Ausrede ist schwach, aber eine andere fällt mir nicht ein. Es ist enttäuschend, zu wissen, dass Leander nicht der Prinz ist. Tief im Inneren hatte ich wohl eine wage Vermutung.

Er schließt die Augen und atmet hörbar tief durch. "Dann werde ich dir dabei helfen, ihn zu finden." Jetzt reicht es mir endgültig.

"Bist du verrückt? Ich glaube, ich höre nicht richtig. Erst lädst du mich auf ein Date ein und bist ganz begeistert, mich näher kennen zu lernen. Dann sagt du mir plötzlich, dass du nicht der Prinz bist und unsere gemeinsame Zeit bloße Verschwendug ist. Und nun willst du mir dabei helfen, den Prinzen zu finden? Das ist... Mir fällt nicht mal ein passendes Wort ein, um zu beschreiben, wie bescheuert das ist!"

Ich habe mich so in Rage geredet, dass mir nun die Luft zum Atmen fehlt. Es tut weh, all das auszusprechen. Gerade, weil es so bizarr ist. "Ich küsse nicht einfach so Männer, Leander", erkläre ich bemüht ruhig. "Das mit dir bedeutet mir etwas. Ich kann nicht einfach loslassen..."

"Ich bitte dich", sagt er auf einmal kalt. "Wir kennen uns seit nicht einmal zwei Wochen. Wie viel kannst du da bitte empfinden, für einen Mann, den du noch nie zuvor getroffen und die Hälfte der Zeit gemieden hast?" Mir hat es die Sprache verschlagen. Der Spott in seiner Stimme ist wie ein Magenhieb.

Natürlich bin ich nicht Hals über Kopf in ihn verliebt oder so. Aber da ist etwas zwischen uns. Sonst hätte ich nie zugelassen, dass er mich küsst. Und ich hätte auch nicht zum Date zugesagt.

Als sich plötzlich die Tür mit einem schweren Ächzen öffnet, warte ich erst gar nicht, bis der Wachmann uns versichert, die Lage hätte sich beruhigt. Ich stürme direkt an ihm vorbei und hoch in meine Gemächer. Der Knöchel schmerzt dabei, bringt mich aber nicht um.

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