82. Kapitel - Eiskalt

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Nachdem ich meine Zofen beruhigt und sie mit meinen schönen Erlebnissen des Balls abgelenkt habe, bitte ich sie um Briefpapier.

Lola wirkt etwas zerstreut, sie bringt mir erst einen Bleistift anstelle eines Kugelschreibers, und Janine ist so freundlich, das mit einem „Lola, du Rübe" zu kommentieren.

Während ich am Schreibtisch sitze und schreibe, zanken sich die beiden. Schon wieder.

„Ich hatte von Anfang an Recht", behauptet Lola schnippisch. „Die Rebellen haben es geschafft, einzudringen."

„Und? Willst du jetzt einen Orden?"

„Gib doch einfach zu, dass du mich umsonst verspottet hast! Ich habe begründet meine Zweifel vorgetragen, und du dachtest, ich spinne."

„Tust du auch." Etwas fliegt durch die Luft, und Janine quiekt. Durch einen Schulterblick kontrolliere ich, ob sie unverletzt geblieben ist. Lola hat sie nur mit meiner Bluse abgeworfen, die ich ausziehen sollte, um mich abzuduschen.

Jetzt habe ich ein schlichtes, hell lilanes Kleid mit Puffärmeln an. Es kratzt.

Ich verdrehe die Augen und lasse die beiden diskutieren.

Eigentlich hatte ich gehofft, sie würden sich endlich vertragen. Nach dem Schock des Angriffs und der Todesangst könnte man ja meinen, die Mädchen wären zur Besinnung gekommen und hätten verstanden, dass es wichtigeres als Streit gibt. Freundschaft und gutes Beisammensein oder so.

Fehlanzeige.

„Du bist so ignorant", beschwert sich Janine. „Dann hattest du eben Recht! Macht es das besser? Ich reibe es dir auch nicht unter die Nase, wann immer ich mit etwas richtig lag!"

Ein „Pah", von Lola folgt. „Wann soll das sein?"

In den nächsten Minuten geht es hin und her. Ich blende einen Großteil davon aus, um mich konzentrieren zu können, doch einige Dinge bekomme ich mit.

„Die Lichterkette mit dem Rabensternbild?"
„War offensichtlich, dass Lady Nivea sie mögen würde."

„Dass Prinzessin Havanna sich nicht über dich beschwert hat und deine Sorgen unbegründet waren?"

„Konntest du nicht wissen, der Ball kam dazwischen."

Ehrlich, woher haben die beiden so viel Energie dafür? Es scheint fast, als würde ihnen das streiten Spaß machen. Immer wieder werfen sie sich ab, mit Kissen oder Klamotten, die sie vorher schon im Wäschekorb gesammelt hatten.

Ich verkneife mir einen Kommentar zu dem Theater und bin froh, endlich bei der Unterschrift angelangt zu sein.

In Liebe, deine Nichte Nivea

Dieses Mal bin ich klug genug, einen weiteren Umschlag und Papier hinein zu legen, damit meine Tante mir antworten kann. Ich hätte früher daran denken sollen, kein Wunder, dass ich nie eine Antwort auf meine Wochenberichte erhalten habe.

Ich falte meinen Brief und versiegle ihn, schiebe ihn von mir. Das wäre geschafft. Dann drehe ich den Kopf zu meinen Zofen. Lola hält sich an meinem Bett auf, versteckt sich halb hinter einem Pfosten, ein buntes Bommelkissen bereits in den Händen.

Janine steht hinter meiner tragbaren Umkleide aus Stoff, sie schiebt nur den Kopf hervor um nachzuschauen, wann der nächste Anschlag kommt.

„Ich gehe jetzt zum Abendessen. Soll ich euch danach berichten, was König Lex und Königin Grenaldine verkündet haben?" Das wurde vor einer Stunde bekannt gegeben.

Ich bin gespannt und aufgeregt, die anderen Mädchen widerzusehen. Und mich zu vergewissern, dass es Kaden gut geht.
Mein Verhalten war so dumm. Dumm aber notwendig. Am liebsten würde ich alle selbst auferlegten Regeln vergessen und ihn nochmal küssen. So übel hat es mich erwischt. Stattdessen werde ich mich mit einem kurzen, sehnsüchtigen Blick zufrieden geben müssen.

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