8. Kapitel - Das Leben am Palast

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Madame Clarice lässt uns den Knicks üben, bis mir die Beine weh tun. Jedes Mal, wenn eine uns höher gestellte Person den Raum betritt, müssen wir uns ihnen passend vorstellen. Bei Offizieren oder unadligen genügt ein demütiges Nicken nach unten.

Dann stellt sie uns einige grundlegende Regeln vor, wie wir uns in Nähe der Hoheiten verhalten sollen.

1. Rede nur, wenn es erwünscht ist. Ohne Aufforderung sollten wir schweigen.

2. Widersprich nicht, es sei denn, man hat gute Gründe.

3. Sei stets selbstbewusst und denke an die Zukunft, denn jede deiner Handlungen ist entscheidend.

Wir können uns keine Notizen machen, also müssen wir gut zuhören. Ein Mädchen in der vorderen Reihe meldet sich öfters und ist anscheinend sehr wissbegierig, ein anderes wird scharf ermahnt, da es mit dem Kopf auf der Tischplatte eingeschlafen ist.

Nicht alles ist mir neu von dem, was wir gelehrt bekommen. Etwa den Familienstammbaum und Verwandte im Ausland - die es kaum gibt - kenne ich bereits sehr gut. Eine Herausforderung wird es sein, mich an die Zeiten jeweiliger Ereignisse und an die des Unterrichts zu erinnern.

Damit wir nicht bloß faul herum hängen, bringt man uns an drei Tagen der Woche alles bei, was wir wissen und können müssen. Etwa tanzen, weitere Sprachen und wie man verhandelt. Das Wochenende steht uns zur freien Verfügung, es sei denn, es findet ein Ball oder ähnliches statt. An den verbliebenen zwei Tagen wird es Dates und Prüfungen geben, jeden Freitag Abend gibt es außerdem eine Show über den bisherigen Verlauf der Selection.

Außerdem wird an diesem Abend auch offiziell bekannt gegeben, welche Kandidatinnen ausgeschieden sind.

Nach den beiden Stunden bei Madame Clarice werden wir von Wachen zu unseren Zimmern begleitet. Insgesamt gibt es drei Flure, an den rechts und links Räume schließen, damit wir uns alle möglichst nah sind und im Notfall (sollte es Rebellenangriffe geben) schnell zusammen evakuiert werden können. Bei diesem Punkt musste ich mir ein schmunzeln verkneifen.

Anscheinend wurden uns Nummern von eins bis fünfunddreißig zugeteilt, und in dieser Reihenfolge wurden wir auch zugeteilt. Das bedeutet, dass ich bis nach hinten gehen muss, wo ein Balkon mit gläsernen Flügeltüren das Ende des Gangs markiert.

Gerade, als ich die Klinke herunter drücken möchte, sagt eine der Wachen etwas zu mir. "Wenn Sie mich fragen, haben Sie das schönste Zimmer von allen abbekommen. Die anderen mögen Sie verspotten, weil es so weit hinten liegt, doch das hat auch seine Vorteile." Grüne Augen funkeln mir entgegen. Madame Clarice sagte uns, wir können uns mit den Wachen unterhalten, sollten jedoch keine näheren Bindungen wie Freundschaften und Liebschaften schon gar nicht eingehen.

Mit unserer Bewerbung haben wir gleichzeitig unterschrieben, dass wir im Zeitraum der Selection ausschließlich dem Prinzen vorbehalten sind, und jeder diesbezügliche Verstoß hart bestraft wird. Doch da nichts gegen ein lockeres Gespräch spricht, und diese Männer meinem Bezirk am nächsten kommen, antworte ich ihm offen.

"Dann bin ich erleichtert. Bisher kam es mir eher so vor, als wäre ich das schwarze Schaf der Kandidatinnen.", scherze ich halb. Verstehend nicken sie. Es ist offensichtlich, dass mein Fluchtweg am längsten sein wird, sollte er von Nöten werden. Und durch die Glastüren lässt es sich leichter eindringen als durch eine Mauer, ich würde schutzlos ausgeliefert sein.

Was meine eigentliche Rolle angeht, weiß ich nicht, ob Jake den anderen Rebellenstämmen davon erzählt haben wird. Es wäre nur logisch, denn so könnten sich alle auf die Revolution vorbereiten. Doch andererseits würde das meine Sicherheit gefährden, man könnte mich auffliegen lassen.

 Selection - Futuria Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt