Nach zwei Stunden Wartezeit bin ich an der Reihe. Ich stehe wackelig von meinem Stein auf und die Frau, die mich holen soll, betrachtet mich mitleidig hinter ihrem Klemmbrett.
Sofort hebe ich das Kinn und klopfe mir den Schotter von der Hose, denn ich sollte wenigstens den Anschein erwecken, Mut zu haben.
"Gehen Sie gerade aus rüber, zu dem weißen Zelt mit dem X. Dort wird man Sie für den Aufstieg fertig machen. Danach wird es nicht mehr lange dauern, je nachdem, wann das Mädchen vor Ihnen die Prüfung beendet." Immerhin sagt sie nicht fällt, auch wenn das wahrscheinlicher ist.
Ich folge ihrem ausgestreckten Arm und nicke. Ich bin die letzte aus unserer Gruppe, alle drei Mädchen haben es nicht geschafft.
Athena hatte Michael als Partner (die beiden mögen sich nicht, weil Athena seine Sprechweise als Folter unserer Sprache bezeichnete) und Grace musste mit Andrew Vorlieb nehmen. Was ich fast schon lustig fand, denn bisher dachte ich, sie stünde immerhin neutral zu ihm.
Amara kam als erste dran.
Ihr Partner war Knox, was mich schon überrascht hat. Ich wusste nicht, dass die beiden etwas gegeneinander haben, bis Amara uns erzählte, er hätte sich über ihr liebstes Buch lustig gemacht.
Der bloße Abklatsch eines Meisterwerks aus vergangenen Zeiten, bei dem ich nicht mal den Funken von Intensivität spüren konnte.
Das soll Knox gesagt haben, und Amara fand es so schrecklich arrogant, dass sie daraufhin erwiderte:
Wie realitätsnah etwas ist, hängt nicht nur von dem Autor oder der Schreibweise ab. Es geht um die eigene Vorstellungskraft und Kreativität - etwas, wovon Ihr anscheinend keine Ahnung habt.
Ein guter Konter, keine Frage. Am liebsten hätte ich darüber gelacht, aber Athena betrachtete mich sowieso schon die ganze Zeit so aufmerksam. Ich habe das Gefühl, sie ist mir gegenüber misstrauisch geworden.
Keine Ahnung, wie es dazu kam. Aber ich muss besser aufpassen, was ich sage oder tue. Um ihre eigene Unschuld zu beweisen, wird sie alles riskieren, da bin ich mir sicher. Und wir stehen uns nicht nah genug, als das sie mein Geheimnis für sich behalten würde.
Also heißt das für mich, mehr an meiner Rolle festhalten zu müssen. Ich bin ja froh genug, dass nur Grace sich traut, meine Treffen mit mehreren Kandidaten zu hinterfragen. Wenn Athena ebenfalls damit anfangen sollte, müsste ich an meiner Glaubhaftigkeit arbeiten.
Der Satz; Ich möchte mich nur nicht zu früh festlegen, sondern erstmal schauen schlägt mir nämlich seit fast einer Woche auf den Magen. Würde ich davon ernsthaft überzeugt sein, gingen mir die Worte federleicht über die Lippen.
Amara hat fast die Hälfte der markierten Strecke geschafft, bis sie abgerutscht ist. Danach lag es an Knox, sie zu retten. Das ist bisher erst viermal vorgekommen, die meisten Männer haben sich nämlich dazu entschieden, es allein nach oben zu versuchen. (Meistens erfolglos, zu unserer Befriedigung.)
Amara wurde nicht von Knox gerettet und man ließ sie an dem Sicherungsseil wieder nach unten. Gleich darauf wurde sie mit anderen Kandidatinnen zum Palast gefahren. Wir hatten keine Gelegenheit sie aufzumuntern, aber Athena wird das bestimmt übernehmen, sobald wir zurück sind.
Wir wissen nicht, was unser Versagen bedeutet. Ob wir automatisch rausfliegen oder es eine Verrechnung mit der schriftlichen Prüfung gibt. Ich weiß nur, dass ich es mir nicht erlauben kann, zu fallen.
Es dauert drei Minuten, bis ich das Zelt erreicht habe. Der Weg dorthin war voll mit Menschen, Kameras und den dazu gehörigen Kabeln sowie Stromtrommeln und Sicherheitspersonal. Ich musste mich öfter ducken und jemandem ausweichen, als auf dem Großmarkt damals in Crowheart.
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Selection - Futuria
Fanfiction"Du bist eine Rebellin", flüstert er fassungslos. "Falsch", sage ich. "Ich bin die rechtmäßige Thronerbin Caravels." ----------- Nivea ist gerade 18 geworden, als die erste Selection seit 150 Jahren beginnt. Seit den Kastensystemen hat sich viel ver...